Agitation Free / Fragments
Fragments Spielzeit: 56:30
Medium: CD
Label: Revisited Records (SPV), 2009 (1976)
Stil: Krautrock


Review vom 30.04.2009


Markus Kerren
Nach etwa acht Jahren Agitation Free, mehreren Alben und Besetzungswechseln waren die Berliner im Jahr 1974 in einer persönlichen Sackgasse angekommen. Vor allem die kreativen Vorstellungen der einzelnen Musiker hatten sich so weit auseinander entwickelt, dass die Band entschied, sich aufzulösen. Vollkommen sang- und klanglos wollte man jedoch auch nicht abtreten, sodass man beschloss, zumindest noch ein Abschieds-Konzert zu spielen.
Dieses Konzert fand dann am 14. November 1974 im Saal des Studentenwohnheims Eichkamp statt und hatte eigentlich viel mehr den Charakter einer Abschieds-Fete für die Freunde der Truppe, bei der auch fast alle ehemaligen Bandmitglieder nicht nur anwesend waren, sondern auch mitspielten. Und von diesem Abend stammt mit drei sehr langen Tracks auch der Großteil des Original-Albums, das erstmals im Jahr 1976 erschien. Ergänzt um das vergleichsweise kurze "Mediterranean Flight", das im Juli 1974 in der Besetzung Michael Günther, Gustl Lütjens, Bernhard Arndt und Dietmar Burmeister im Studio eingespielt wurde.
Los geht's mit dem längsten Stück der Scheibe, dem über 18-Minütigen "Someone's Secret". Und wenn ich erst kürzlich noch von dem Agitation Free Comeback-Album River Of Return (1999) und seiner sehr entspannten Grundstimmung überrascht war, so befindet sich hier auf "Fragments" dann die Musik und der Sound, wie ich ihn von der Band erwartet, bzw. vermutet hatte. Ein erstklassiger Jam, der neben rockigen, bluesigen und psychedelischen Elementen auch noch eine kräftige Prise Funk enthält. Da geht gut die Post ab und vor allem der Bass liefert hier eine beeindruckende Vorstellung.
Agitation Free nehmen uns auf eine Reise durch mehrere Welten mit. Eben noch kraftvoll geradeaus gerockt, befindet man sich plötzlich im Weltraum und seinen unendlichen Weiten wieder, nur um kurz danach von einem so melodiösen wie gefühlvollen Gitarren-Solo wieder auf festen Boden zurückgeholt zu werden. Die verschiedenen Stil-Ebenen fließen traumwandlerisch sicher ineinander über und von den kreativen Differenzen, die damals als Trennungs-Grund genannt wurden, kann man hier so überhaupt nichts ausmachen. "Someone's Secret" ist übrigens die einzige Nummer der ansonsten instrumentalen Scheibe, auf der sehr gelungen gesungen wird.
Auch "Mickey's Laugh" und "We Are Men" gewinnen durch den Aufbau und die Manifestierung einer dichten Atmosphäre, Feeling, Groove und solistisch absolut überzeugenden Einzel-Leistungen. Und selbst wenn die so genannten (meist selbst ernannten) AF-Experten zu Bedenken geben, dass die Band sich bei diesem Konzert nicht unbedingt auf ihrem kreativen Höhepunkt befunden habe, so sind diese drei Tracks dennoch mitreißend und intensiv, in den besten Momenten gar ekstatisch. Sehr gerne wäre ich in jener November-Nacht dabei gewesen.
Den Abschluss des Original-Albums stellt der Song "Mediterranean Flight" dar, der im Anschluss zu den Aufnahmen zum Alfred Bergmann-Hörspiel "Der Störenfried" für den Hessischen Rundfunk und RIAS Berlin, im Studio entstand. Eine träumerische Nummer mit sparsamem Schlagzeug, schwerem, druckvollem Bass und schönen, abgehobenen Gitarren.
Wie schon bei der Neuausgabe des "River Of Return"-Albums darf man sich auch bei dieser Scheibe auf exzellente Bonus-Tracks freuen. Zum einen gibt es einen weiteren langen und hervorragenden Live-Song von einem Konzert in der Berliner TU Mensa vom Dezember 1971, bei dem einmal mehr sämtliche Qualitäten der Band zum Zuge kommen. Zum zweiten gibt es einen etwas über 10-Minütigen Film mit dem Namen "Agitation Free At Work", der die Truppe bei… nun ja, wie es der Titel schon sagt, der Arbeit zeigt. Eine super Ergänzung und so kultig wie nostalgisch.
Wie uns der langjährige Gitarrist der Band, Lutz 'Lüül' Ulbrich mitteilte, hat Agitation Free im Rahmen der Wieder-Veröffentlichung aller Original-Alben nach langer Zeit bereits wieder eine Handvoll Konzerte in der Besetzung Lutz Ulbrich, Burghard Rausch, Michael Günther, Gustl Lütjens und Michael Hoenig gespielt und plant für die nähere Zukunft weitere Shows in Paris, Berlin und eventuell auch dem Rest von Deutschland.
Es ist durchaus wünschenswert, dass es mit dieser Band weitergeht, denn mit den dem Rezensenten nun endlich bekannten Alben "River Of Return" und dem an dieser Stelle besprochenen "Fragments" haben Agitation Free eine beeindruckende Visiten-Karte hinterlassen.
Tracklist
01:Someones Secret (18:13)
02:Mickey's Laugh (10:00)
03:We Are Men (10:20)
04:Mediterranean Flight (4:03)

Bonus-Tracks:

05:Crashending (13:31)
06:Agitation Free At Work (Movie) (11:20)
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