Ancient Grease / Women And Children First
Women And Children First Spielzeit: 49:28
Medium: LP
Label: Sireena, 2011 (Mercury, 1970)
Stil: Rock'n'Blues


Review vom 08.02.2012


Ulli Heiser
Bands aus Wales sind rar gesät, sagt mir zumnindest meine kopfinterne Festplatte, denn ohne die Suchfunktion anzuwerfen, bekomme ich gerade mal drei Namen zusammen: Dave Edmunds, Man und Amen Corner (ich liebte damals "Hello Suzie"). Vorliegende Ancient Grease waren mir bis vor wenigen Tagen absolut unbekannt. Ihr Album "Women And Children First" lässt musikalisch erst mal an die Niederländer, pardon Amerikaner Van Halen denken, deren dritte Scheibe genauso heißt. Mit den Hard-Rockern kann man das Album der Waliser nur dem Namen nach in Verbindung bringen, musikalisch geht es in eine andere Ecke.
Und was für eine Ecke! Ancient Grease liefern uns eine Perle auf den Plattenteller. Sireena (mal wieder) sei Dank, kommt dieses musikalische Kleinod in 180 g schwerem Vinyl ins Haus und nach dem ersten Hören war klar, dass "Women And Children First" die RockTimes-interne 'Vergessene Perlen'-Adelung erfahren wird. Durch den Fehler der Plattenfirma Mercury wurde dieses Werk so mies promotet, dass kaum jemand Notiz davon nahm, und so wohl auch heute nur wenige Musikfreunde die Band kennen. Dabei fing es eigentlich recht gut an und unter dem Namen Racing Cars sollten die Jungs ein paar Jahre später (unter dem Chrysalis Records-Schirm) eine Single auf Platz 14 der UK-Charts platzieren. Davor aber stand eine Band, die mit Coverversionen durch die Gegend tingelte. Die vier Musiker hießen Gareth 'Morty' Mortimer, Graham Williams, Jack Bass und Dick Ferndale - ihr gemeinsamer Name lautete Strawberry Dust.

Drummer John Weathers (später Mitglied von Man, Gentle Giant und auch auf einer Platte von Graham Bond wirkte er mit) von der Band Eyes Of Blue erkannte die Klasse von Ancient Grease bei gemeinsamen Auftritten. Er schrieb einige Songs des Albums, um das es hier geht und dann sollte bei Vertigo Swift veröffentlicht werden. Sollte, aber es wurde kurz davor umdisponiert und wie bereits erwähnt, Mercury Black kümmerte sich nicht richtig darum (die hatten gleichzeitg was Neues von Roddy am Start und darauf wurden alle Anstrengungen gelegt).
Schade, denn "Women And Children First" hätte Aufmerksamkeit verdient. Die Mischung aus schwerem Blues Rock, psychdelischen Anleihen ("Odd Song", "Time To Die") und angenehmem, (Sechziger Jahre-) Psycho Pop mit Hit-Potential ("Mystic Mountain") ist erstaunlich. Da rummst es gewaltig und schwer Blues-rockend aus den Lautsprechern. Richtig roh und ungeschliffen lässt Williams seine Gitarre vom Zaum und wenn man nach Zitaten sucht, sind die Zeps, Rory oder auch schon mal Guess Who mehr oder weniger präsent. Überhaupt ist die komplette Scheibe anscheinend schnell produziert, was hier nicht negativ zu werten ist. Im Gegenteil, urwüchsig und frisch aus der Hand, geht der Sound der Produktion so ins Ohr wie es sein muss. Keine Schnörkel und kein Glattpolieren.
Neben den harten Blues-Krachern gibt es aber auch andere Töne auf dem Album. Psychedelisch tönt es stellenweise mit zurückgenommenem Gaspedal. Auch hier ist die ausdrucksstarke Stimme Mortimers Garant für wohliges Zuhören. Begeistern kann auch das Tastenspiel, mal in Form von wuchigen Hammondklängen und dann mit Pianoanschlägen beim etwas zurückgenommenen "Where The Snow Lies Forever", das einer Faces-Platte gut zu Gesicht gestanden hätte.
Wer hier an den Keys stand, ist der Platte nicht zu entnehmen, da ist lediglich der harte Kern der vier von Ancient Grease aufgeführt. Dank (wie konnten wir nur früher ohne) Google konnte ich eine Info auftreiben, dass Phil Ryan die Tasteninstrumente bediente. Aha, der ist auch als Komponist von "Where The Snow Lies Forever" auf dem Gatefold-Cover angegeben und - Wales ist klein - war Mitglied von Eyes Of Blue und Man. Außerdem nennt mir meine I-Net-Quelle einen weiteren Sänger: Gary Pickford Hopkins. Und wieder ist die Welt klein: Gary spielte später zusammen mit Graham Williams bei Wild Turkey.
Sireena hat diesmal ganz tief in der Vergangenheit gekramt und einer Band ans Tageslicht verholfen, die das wirklich verdient hat. Ich bin sicher, dass Ancient Grease mit den richtigen Leuten am Promotionhebel heute keine 'Vergessene Perle'-Grafik nötig hätte. Diese Musik war zu jener Zeit genau das Ding. Nicht mehr, aber auch auf keinen Fall weniger.
Wer übrigens die damalige Original-LP sein eigen nennt, kann sich freuen, denn das Teil ist rar und heute einiges wert.
Line-up:
Gareth 'Morty' Mortimer (vocals)
Graham Williams (lead guitar)
Jack Bass (bass guitar)
Dick Ferndale (drums)

Additional musicians:
Phil Ryan (keyboards)
Gary Pickford Hopkins (vocals)
Tracklist
Seite A:
01:Freedom Train (4:00)
02:Don't Want (5:15)
03:Odd Song (5:42)
04:Eagle Song (4:56)
05:Where The Snow Lies Forever (5:08)
Seite B:
01:Mother Grease The Cat (5:13)
02:Time To Die (4:04)
03:Prelude To A Blind Man (5:02)
04:Mystic Mountain (3:31)
05:Women And Children First (6:37)
Externe Links: