Anyone's Daughter / Same
Same Spielzeit: 50:06
Medium: CD
Label: Tempus Fugit/SPV, 2012 (1980)
Stil: Melodic Rock


Review vom 17.12.2012


Steve Braun
Tempus Fugit setzt in Zusammenarbeit mit SPV die Veröffentlichungen der deutschen Melodic Rocker Anyone's Daughter mit gleich vier remasterten Alben fort: ein englischsprachiges und drei in deutscher 'Zunge' gesungen. Mit ersterem beginnend kommt auch das vielleicht beste Album der vier Schwaben zur Besprechung. Allgemein nennt man in diesem Zusammenhang (und nicht ganz zu Unrecht) eher das zauberhafte Piktors Verwandlungen, aber mir persönlich sagte die 'englische' Phase der Band, Adonis und das hier zu besprechende "Anyone's Daughter", mehr zu.
Man konnte die Gründung dieser Band im Jahr 1978 - die Musiker hatten gerade mal das Abi in der Tasche - durchaus berechtigt als einen Anachronismus bezeichnen. Punk und die NWoBHM stutzten gerade frech alle alten Zöpfe zurecht. Der Prog Rock (hierzulande auch der Krautrock) hing bereits am Tropf - Diagnose: Kreislaufkollaps - Therapie: Entschlackung - Prognose: düster. Zahlreiche Gräber wurden bereits geschaufelt - einige waren schnell belegt...
Und da tauchen vier 'Milchgesichter' (sorry, Jungs, ist beileibe nicht böse gemeint) auf und machen... Prog Rock! Und... haben Erfolg damit!! Unglaubliche Geschichten schreibt der Rock'n'Roll manchmal.
Ich habe mich schon stets mit 'Etikettierungen' schwer getan. Krautrock war die Musik von Anyone's Daughter keinesfalls. Die Prog Rock-Schublade, in die man sie stets einsortierte, passte allerdings auch nicht so recht. 'Schöngeistig' war vielleicht passender, überaus melodisch und harmonisch, sehr gitarren- und keyboardlastig - deshalb waren Anyone's Daughter für mich immer die deutsche Antwort auf Camel - in ihrer 'englischen' wie 'deutschen' Phase gleichermaßen. Und das könnt ich auch heute noch unterschreiben!
Als deutlich wahrnehmbarer Unterschied zum Debüt "Adonis" ist auf "Anyone's Daughter" festzustellen, dass die Songs kompakter, straffer organisiert wurden. Als einziger Longtrack weist lediglich "Another Day Like Superman" Strukturen auf, die man als 'klassisch progressiv' bezeichnen würde. Und ist - nebenbei bemerkt - nicht nur mit seinen Keyboard-Gitarren-Duellen ein echter Hinhörer! Also, um jetzt mal in der Camel-Metapher zu bleiben: das Album ist eher "Rain Dances" als "The Snow Goose"...
Sogar ein echter (kleiner) Radiohit ist auf "Anyone's Daughter" zu verzeichnen: "Moira" - eine richtig tolle, schmissige Nummer - landete auf Platz zwei der Jahreshitparade des SDR3. Das muss man sich mal vorstellen: in Zeiten, als die NDW loszurülpsen begann, eine kleine Sensation!! "Moira" hat auch mit 32 Jahren Abstand noch einen echten Gänsehaut-Appeal. Einer der schönsten Songs, die der deutsche Rock je hervorgebracht hat. Punktum!
Aber das sind beileibe nicht die beiden einzigen Perlen auf "Anyone's Daughter". Bereits der Opener, "Swedish Nights", nimmt mit herrlichen Mini Moog-Läufen und brüllenden Hammond-Einwürfen gnadenlos gefangen. Fast kitschig schön, wie ein Biedermeier-Gemälde, ist "Sundance Of The Haute Provence" mit seiner mal glockigen, mal glucksenden Fender Rhodes-Untermalung. Vielleicht können nur die Liebhaber dieses zauberhaften Landstrichs die Emotionen, die dieses Stück transportiert, nachempfinden. Auch "Superman" merkt man an, dass die Band sich auf das Wesentliche eines Songs beschränken wollte. Das Potenzial zu einem Longtrack ist allemal vorhanden, was aber nicht breitgewalzt wurde.
Einzig das Zwischenspiel "Azimuth" leitet etwas ungelenk auf das folgende "Between The Rooms", den 'Rausschmeißer' der damaligen LP, über, bei dem Anyone's Daughter wieder alle kompositorischen Geistesblitze voll ausschöpft. Den Song gibt es im Bonusmaterial, live im gleichen Jahr in Baden-Baden aufgenommen, noch in einer etwas bissigeren Live-Version. Aber das Highlight der Extras ist ganz klar der "Superman", beim legendären Finkenbach-Festival aufgezeichnet, der klar zeigt, dass Anyone's Daughter eine Live-Band war, die einen auch mal ziel- und treffsicher 'an den Eiern' packen konnte. Die Nummer rockt richtig bärenstark nach vorne...
Unverfroren grüßt vor dem übergroßen Mond des Covers1 ein Cannabis-Blatt die schöne, von rotbemützen Fliegenpilzmännlein umschmeichelte Maid. Ein Schelm wer da an Zufälle glaubt... Nein, eine Tüte und dieses zweite Album Anyone's Daughters waren seinerzeit garantiert keine Antipoden. Um so erstaunlicher, dass sich der Zauber heutzutage auch mit einfachem Mineralwasser, das gerade neben mir perlt, problemlos einstellt. "Anyone's Daughter" ist und bleibt für mich das schönste Album der Band.
1Besonders schön dürfte sich das auf dem limitieren Picture-Vinyl (500 Stück) machen.
Line-up:
Harald Bareth (vocals, bass, glockenspiel)
Uwe Karpa (guitars)
Matthias Ulmer (keyboards, piano, vocals)
Kono Konopik (drums)
Tracklist
01:Swedish Nights (4:52)
02:Thursday (3:59)
03:Sundance Of The Haute Provence (3:39)
04:Moria (3:52)
05:Enlightment (5:01)
06:Superman (3:56)
07:Another Day Like Superman (8:03)
08:Azimuth (1:27)
09:Between The Rooms (4:22)

Bonustracks:
10:Superman [live in Finkenbach, 1980] (4:05)
11:Between The Rooms [live in Baden-Baden, 1980] (4:42)
13:Sundance Of the Haute Provence [live in Baden-Baden, 1980] (3:58)
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