Aphrodite's Child / 666
666 Spielzeit: 77:58
Medium: DoLP
Label: Vertigo, 1972
Stil: Prog Rock


Review vom 23.12.2012

  
Ulli Heiser
»Anyone who has intelligence
may interprete the number of the beast.
It is a man's number.
This number is
666«
(The Apocalypse of John, 13/18)
Bis 666 konnte ich, als ich dieses Album das erste Mal hörte, bereits zählen. Ansonsten sagte mir die Zahl nichts. Später, durch den Kontakt mit Metallern tauchte sie wieder auf. Unsere Andrea könnte über den okkulten und mystischen Touch sicher auch tiefgehend referieren - ich möchte aber lieber auf diesen Artikel verweisen. Das Album ist natürlich nicht umsonst so benannt, denn diese Zahl findet sich in der "Offenbarung des Johannes" und diese prophetische Schrift ist die Grundlage des vorliegenden Konzeptalbums.
Aphrodite's Child haben sich mit "666" musikalisch weit von ihrem bisherigen Stil entfernt. Will man es einfach ausdrücken, so kann man Prog und Psychedelic nennen. Aber wie das bei Musik, die einem Konzept folgt so ist, gibt es innerhalb des progressiven Rahmens durchaus auch anderes. Bevor ich zu den beiden Stücken komme, die von mir bei passender Gelegenheit immer wieder gerne aufgelegt werden, kurz zu diesem anderen: "The Battle Of The Locusts" und das sich anschließende "Do It" glänzen mit herrlich jazziger Gitarre und bei "The Beast" lugt mit verschmitztem Lächeln gar der alte Zappa um die Ecke. Überhaupt finden sich viele Perlen auf den vier Vinyl-Seiten. Auch jetzt möchte ich meine beiden Referenzstücke noch außen vor lassen und z. B. "Aegian Sea" in die Tastatur hauen. Eine klasse, verträumte, psychedelische Nummer ist das. Nicht zu verwechseln mit dem mächtigen und nach vorne treibenden "Altamont", das nicht nur des Gebläse wegens stark an Colosseum gemahnt.
"Wedding Of The Lamb" ist mit den Mythen des Orients gesegnet und mit überirdischer Percussion veredelt. Die gleichen Attribute will ich auch dem folgenden "The Capture Of The Beast" zugestehen, während "Hic Et Nunc" wie frisch fallender Schnee aus den Lautsprechen rieselt. "All The Seats Were Occupied" kann man mit seinen fast 20 Minuten als Werk innerhalb des Werkes bezeichnen und "Break" hätte Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band gut zu Gesicht gestanden. Vangelis hat zusammen mit dem griechischen Lyriker Costas Ferris das Konzept für "666" erstellt und mit der ebenfalls aus Griechenland stammenden Schauspielerin Irene Papas (u. a. "Alexis Sorbas") gewann man eine prominente Stimme für ... dazu später.
Wie bereits erwähnt, ist "666" mit den mir damals bekannten Nummern der Band kaum zu vergleichen. "Rain And Tears" oder auch "It's Five O'Clock" sind sicherlich bekannt. Und auf
End Of The World kann man Ansätze zu "666" bereits erahnen. Trotzdem mag es für mich damals vielleicht so gewesen sein, dass ich mich der sanften Lieder wegen, nicht mehr mit "Aphrodites Child" befasst habe. Mit Sicherheit auch, weil Sänger Demis Roussos die musikalische Fakultät wechselte und plötzlich bei meiner Oma auf dem Plattenteller rotierte.
Sträflich nachlässig von mir, wie sich etwa 1976 herausstellte. Da knallten mir eines Abends in der Rockdisco plötzlich der Hut vom Kopf und das Hütchen fast aus der Hand:

»The leading Horse is white
The second Horse is red
The third one is a black
The last one is a green.«


Die Nummer startet langsam und diese Stimme... Was, bzw. wer ist das, fragte ich mich damals, obwohl die Stimme schnell zugeordnet war. Zu dieser Zeit formten die der Stimme zugehörigen Lippen doch Sachen wie "Goodbye, My Love, Goodbye" oder "Schönes Mädchen aus Arcadia". Egal, er war es und nach dem ruhigen Start mit vibes und typischen Demis-Frequenzen haut der Dampfhammer in Form eines Drumgewitters zu und bereitet den Platz für den eben geschriebenen Refrain von "The Four Horsemen". Jesses, war das ein Moment. Ein Moment, der durch den kommenden Gitarrenpart schließlich bis heute unvergessen bleibt, zumal ich schon einigen Besuchern (auch RockTimern) ähnliche Gesichtszüge anheim gezaubert habe: Man sitzt mit Gleichgesinnten ja oft beisammen, legt was auf und frägt »Kennnst du das?«. Nachdem unisono Respekt geäußert wird, ist das Erstaunen manchmal schon in den Augen zu sehen, wenn ich im Anschluss den späteren Roussos kurz anspiele. Ja, auch sowas findet sich in meiner Sammlung, wenn auch nur in Form einer Single, die ich mir vor Urzeiten in einem Anfall, auf den ich hier nicht näher eingehen möchte, zugelegt habe.
Die großen Augen der sich auf der Couch vor der Anlage Herumlümmelnden sind aber noch nicht arbeitslos, denn mit "∞" kommt das i-Tüpfelchen. Wahrlich keine 'Nummer', die man abseits dieses »Weißt du, wer das ist?«-Spielchens hört, aber das ist schon eines dieser Stücke, mit denen man ein musikalisches Sammelsurium an 'Besonderem' gerne auffüllt. Irene Papas' in Rillen gepresster Orgasmus, dessen Zuckfrequenz von Vangelis' perkussiver Begleitung immer weiter hochgeschaukelt wird, ist schon schräg. Ich hab mich damals nie getraut, mit meiner Oma das Ratespiel durchzuführen. Ihr Glaube an Schlagersänger wäre wohl gehörig durcheinander gekommen. Wie auch immer, "666" ist eine Platte, die man als Progfan unbedingt im Regal stehen haben sollte. Das ist Prog im Sinne des Erfinders und viele der heute als Prog gehandelten Scheiben neueren Datums sind daneben schlicht und einfach Rock.
Ob "∞" der Hauptgrund war, wieso das Label der Band, Mercury Records, zickte, weiß ich nicht. Es gab jedenfalls Stress, weil das komplette Werk der Plattenfirma zu progressiv war. Für Vertigo war das kein Thema und somit habe ich immer eine feine Rille im Haus, um Besuchern 'mein Ratespiel' zu präsentieren. »I was, I am, I am to come...«
Line-up:
Vangelis Papathanassiou (organ, piano, flute, percussion, vibes, various others, backing vocals)
Demis Roussos (bass, backing vocals, lead vocals - #2,4 [side 1], #6 [side 3])
Lucas Sideras (drums, vocals, backing vocals, lead vocals - #9 [side 2], #2 [side 4])
Silver Koulouris (guitar, percussion)

Guests:
Harris Halkitis (bass, tenor sax, conga drums, backing vocals)
Michel Ripoche (trombone, tenor sax - #2 [side 1], #6 [side 3])
John Forst (narration)
Yannis Tsarouchis (greek text)
Irene Papas (vocals - #5 [side 3])
Tracklist
Seite 1:
01:The System (0:23)
02:Babylon (2:47)
03:Loud, Loud, Loud (2:42)
04:The Four Horsemen (5:53)
05:The Lamb (4:34)
06:The Seventh Seal (1:30)
Seite 2:
01:Aegian Sea (5:22)
02:Seven Bowls (1:28)
03:The Wakening Beast (1:11)
04:Lament (2:45)
05:The Marching Beast (2:00)
06:The Battle Of The Locusts (0:56)
07:Do It (1:44)
08:Tribulation (0:32)
09:The Beast (2:26)
10:Ofis (0:14)
Seite 3:
01:Seven Trumpets (0:35)
02:Altamont (4:33)
03:The Wedding Of The Lamb (3:38)
04:The Capture Of The Beast (2:17)
05:∞ (5:15)
06:Hic et Nunc (2:55)
Seite 4:
01:All The Seats Were Occupied (19:21)
02:Break (2:59)
Externe Links: