Arena / Rapture
Rapture Spielzeit: ca. 120:00 (Konzert), ca. 35:00 (Bonusmaterial)
Medium: DVD
Technik:
Bildformat: 16:9
DVD-Format: DVD-9 NTSC
Soundformate: Dolby Digital 5.1, Dolby Digital 2.0

Label: Metal Mind, 2013
Stil: Prog Rock

Review vom 10.05.2013


Boris Theobald
Ein Sängerwechsel ist für eine Band immer ein schwieriges Unterfangen. Aber manchmal, da passt es einfach ... Clive Nolan drückt es im Interview bei den DVD-Extras folgendermaßen aus:

»When rob decided that he didn't want to carry on with it, obviously we needed to find a new singer. And luckily I just met Paul with a plan to do something else. And Mick [Pointer] heard his voice as well, and funny enough we said well, if we ever need a new singer, he'd be the guy for the job. And literally two weeks later, I think it was, we found out that we DID need a new singer. So yeah, it worked quite well from that point of view ...«
Diese DVD, die dritte von Arena, bietet nun auch denen, die die Tour verpasst haben, die Chance, sich vom neuen Front-Lockenschopf überzeugen zu lassen. Siehe (und höre) da: Vorgänger Rob Sowden war als kultverdächtiger Bühnenclown unterwegs - und der Neue, Paul Manzi kann auch noch singen! Okay, das mag etwas polemisch klingen. Aber es wird doch ziemlich deutlich, dass Manzi technisch richtig was drauf hat! Einen ersten Hinweis liefert der A-cappella-Beginn des Konzerts mit dem Intro von "The Great Escape", dem Opener des aktuellen Albums "The Seventh Degree Of Separation", das zugleich den Einstieg Manzis und auch die Rückkehr von Basser Jon Jowitt (Ex-IQ) markiert (tritt in feinem Zwirn auf die Bühne!). Der Start in den Konzertabend gelingt - die Nummer ist heavy, betörend und pulstreibend und trägt mit seiner latent spannenden Harmoniestruktur und den weit ausholenden, teils theatralisch ausschweifenden Melodien die markanten Nolan'schen Songwriting-Prädikate.
Dass nun gleich der "The Visitor"-Klassiker "Crack In The Ice" folgt, ist als Zeichen zu verstehen: Arena wollen zeigen, dass sie auch mit dem neuen Mann ganz vorn auf der Bühne alle Phasen der Bandgeschichte '1A' präsentieren könnten. Das klappt auch vorzüglich - Manzi bringt sogar die stimmliche Dramatik eines Paul Wrightson aus der Studioaufnahme von 1998 richtig gut rüber. Es folgt "Don't Forget To Breathe". Die Aufforderung ist wörtlich zu verstehen. Die hypnotische Nummer in düsterer Trance bringt das Arena-Feeling fein auf den Punkt - man wähnt sich gleich in einem schaurig-finsteren Fantasy-Märchen. Kurz adaptiert Paul Manzi fast den Look des Vorgängers, weil er mit Zylinder und Sonnenbrille auftritt. Gitarrist John Mitchell kann hier zum ersten Mal so richtig zeigen, wie ausnehmend großartig er Fingerfertigkeit mit Feeling verbindet. Viele weitere Beispiele kleiner, aber großartiger, songdienlicher Solo-Spots zum Staunen und Schwelgen sollen folgen.
Ziemlich genau zwei Stunden dauert das Konzert und kombiniert einen Querschnitt der Bandhistorie mit immerhin sechs Stücken von "The Seventh Degree Of Separation". Die Live-Situation unterstreicht die Qualität der Kompositionen: das 80er-Genesis-like ("Mama", "Home By The Sea"), dramatische "Burning Down", das mystische "The Ghost Walks" oder die expressive, explosive Wundertüte "Rapture" ... alles große Klasse. Und insbesondere beim abgedrehten, immer schneller werdenden "The Tinder Box" liefert Paul Manzi eine beeindruckende Gesangsleistung ab. Ebenfalls ein Highlight, weil vielleicht am Eingängigsten von allen neuen Stücken ist die atmosphärische Power-Nummer "What If?" - der Gänsehautfaktor ist im Wesentlichen auch Manzis Gesang zu verdanken, wenn dieser traumhaft schöne Refrain ertönt:

»We could never have known
Where our futures were guiding us
We were never alone
Our defences were hiding us ...«
Ein Schwachpunkt des neuen Albums hat sich zugegebenermaßen auch in die Setlist eingeschlichen: "One Last Au Revoir" ist zu poppig und eher langweilig. Geschenkt - es sind so viele Highlights vorhanden! "City Of Lanterns" vom "Contagion"-Album; das ist so eine Art 'Solo' für Manzi. Wie er da steht mit gegeneinandergepressten Handflächen, von einem ostinaten Synthie-Teppich unterlegt und mit viel Hall versehen - fast 'gregorianisch' - da sticht er "Contagion"-'Original'-Sänger Rob Sowden abermals aus. Ganz stark auch sein Auftritt bei dem ebenfalls sehr Vocals-betonenden "Crying For Help IV" - wie er da steht und seinen bedeutungsschwangeren Gesang 'vorträgt', in einer Pose, als würde er einen tiefgehenden Monolog in einem Shakespeare-Stück vortragen ... bärenstark. Das Theatralische hat er drauf, wie er auch beim geheimnisvollen "The Eyes Of Lara Moon" unterstreicht, hier übrigens mit der Akustikgitarre in der Hand.
Unbedingt erwähnenswert ist aber auch das Instrumentalstück "Riding The Tide", weil es so typisch Arena ist - ein melodisches Keyboard-Festival von und mit Mastermind Clive Nolan mit Hymnen, die man automatisch wortlos mitsingt. Es gibt so viel Positives zu hören und zu sehen - und doch kann die Band noch eine Schippe drauflegen. Im Zugabenteil taut man nochmal regelrecht auf. Die großen Gesten werden über Bord geworfen und weichen ausgelassener Lockerheit; der Klassiker "Solomon" wird zu einem Fest! Der Gesang ist (natürlich) glänzend; und während des atemberaubend guten und tighten Instrumentalparts tanzt Manzi über die Bühne. Für die Pflichtnummer "Crying For Help VII" sind damit ausreichend Glückshormone angereichert - die Stimmungs-Hymne nutzt Paul Manzi zur ausführlichen Gesangsanimation mit den längst aufgestandenen Zuschauern, und die Band albert rum. Immer wieder krass, was für ein genialer Break in der kompletten Arena-Attitüde diese Nummer ist!
"Ascension" als Schlusssong mit seinem surrealen Pathos schließt dann am Ende quasi den 'atmosphärischen Bogen'. Das Konzert ist also in mehrerer Hinsicht eine 'runde Sache'. Auch, was die Aufzeichnung angeht, wird niemand enttäuscht. Mit ihren DVD-Produktionen aus dem Wyspianski Theater in Katowice hat das Label Metal Mind Productions schließlich schon eine Menge Erfahrung und zeigt das auch in routinierter Weise. Die Audio-Abmischung ist fein; und die zahlreichen festen und fahrenden Kameras rund um die Bühne bis hin zur Empore wurden im Schnitt so miteinander kombiniert, dass ein guter räumlicher Eindruck entsteht und auch stets die spielerischen Details im Blick sind. Wobei ... ein Extra-Feature wünsche ich mir fürs nächste Mal doch noch: Die 'Clive Nolan-FanCam'. Der graue Berg von einem Keyboardspieler hat nämlich mal wieder einen Ventilator rechts hinter sich so platziert, dass dieser ihm - immer mal wieder kurz zu sehen - ständig die Haare ins Gesicht bläst. Das wirkt natürlich nicht 'uncool'. Verrückter Kerl ...
Line-up:
Paul Manzi (vocals, acoustic guitar)
John Mitchell (guitars, backing vocals)
Clive Nolan (keyboards, backing vocals)
John Jowitt (bass, backing vocals)
Mick Pointer (drums)
Tracklist
01:The Great Escape
02:Crack In The Ice
03:Don't Forget To Breathe
04:City Of Lanterns
05:Riding The Tide
06:What If?
07:One Last Au Revoir
08:Burning Down
09:Serenity
10:Vally Of The Kings
11:Crying For Help IV
12:The Eyes Of Lara Moon
13:Ghost In The Firewall
14:Rapture
15:The Ghost Walks
16:Bedlam Fayre
17:The Tinder Box
18:The Visitor
19:Solomon
20:Crying For Help VII
21:Ascension

Interview with Mick Pointer and Clive Nolan
Live In Warsaw. 2011 (live bootleg)
Externe Links: