Ash Ra Tempel / Seven Up
Seven Up Spielzeit: 37:36
Medium: CD
Label: M.I.G.-Music, 2011 (1972)
Stil: Avantgarde


Review vom 15.12.2011


Holger Ott
Die dritte CD von Ash Ra Tempel birgt viele Neuerungen. Zum Einen sind nun Album- und Songtitel in englisch, und zum Anderen hat sich die Band zu einer wahren Kommune entwickelt. Blickt man auf das lange Line-up, so wimmelt es dort nur von Sängern und Sängerinnen. Drummer Wolfgang Müller, Handwerker auf Schwingungen, dem vorangegangenen Album, hat die Band ebenso schnell wieder verlassen wie sein Vorgänger und Gründungsmitglied Klaus Schulze, und wird gleich von zwei Trommlern ersetzt. Wichtigster Mann in der neuen Riege ist ohne Zweifel Timothy Leary. Dieser US-amerikanische Psychologe und Autor wurde bekannt für seinen Einsatz für die Freigabe von Drogen und andere 'bewusstseinserweiternde' Mittel, was ihn zum 'Guru' der Hippiebewegung machte. In wieweit sich dieses Thema auf die musikalische Entwicklung von Ash Ra Tempel ausgewirkt hat, wird bei intensivem Hören deutlich. Immerhin hat er den Rest der Band dermaßen beeindruckt, dass sie ihn in den Bandnamen aufgenommen haben, und sich die Truppe nun Timothy Leary & Ash Ra Tempel nennt.
"Seven Up" wird als Live-Album deklariert, obwohl von Live-Atmosphäre nichts zu spüren oder zu hören ist. Eingespielt wurde die Scheibe beim Bern Festival im Jahre 1972. Zu meinem Erstaunen geht die Musik wieder in eine völlig andere Richtung, als auf den beiden vorangegangenen Veröffentlichungen. Song Nummer eins, mit dem Namen "Space", beginnt mit einer sehr angenehmen weiblichen Stimme, und nach einer kurzen Einführung sind außergewöhnlich schöne Slow Blues-Klänge zu hören, die mich in positive Schwingungen versetzen. Während dieses mehrminütigen Openers wechseln sich die Sängerinnen ständig ab und sorgen für stimmliche Variation. Nach einiger Zeit klingt der Blues langsam aus und die Elektronik beginnt ihren Vormarsch.
Wie schon von den beiden ersten CDs gewohnt, übernehmen die Tastenvirtuosen, derer es gleich mehrere sind, die Führung und lassen ihren Gefühlen freien Lauf. Dass es dabei zum Teil etwas durcheinander gerät, wird für den einen als positiv und für den anderen eher negativ anzusehen sein. Da ich damit gerechnet habe, dass so etwas auf mich zukommen wird, bin ich gedanklich vorbereitet und konzentriere mich hauptsächlich darauf, ob ich heraushören kann, was alles für mechanische Instrumente im Einsatz sind. Ganz einfach ist das nicht, hört man zum Beispiel das Schlagzeug nur sehr leise im Hintergrund.

Die Stimmen verstummen mit zunehmender Länge des Werkes immer mehr, verschwimmen ineinander und gehen im musikalischen Gewirr unter. Wer sich die Musik von Ash Ra Tempel öfter zu Gemüte führt, wird mit Sicherheit seine Freude daran haben, bei jedem Hören neue Klänge zu entdecken. Die sechzehn Minuten des ersten Stückes verstreichen dabei wie im Fluge, da während der gesamten Zeit kaum Langeweile entsteht. Ständig wechselnde Geschwindigkeiten, sowie das Springen zwischen den Genres, vom Blues über Psycho bis zum Elektro-Pop, und der harmonische Gesang der überwiegend weiblichen Vokal-Akrobaten, rücken die Band wieder einmal in ein völlig anderes Licht, als auf den ersten beiden Platten.
"Time" heißt der zweite Track des Albums, und die weiblichen Stimmen haben nun ihre Arbeit verrichtet. Dieses Werk ist ein reines Instrumentalstück und von seinem Gesamtkonzept sehr ruhig. Der Hörer darf sich auf einundzwanzig Minuten Klangvariationen freuen, die absolut zum Entspannen einladen. Kein nervendes Synthie-Gefrickel oder störende, nicht zuzuordnende Geräusche unterbrechen die gleichbleibende Harmonie. Durch die vielen Keyboards wird ein Klangteppich ausgebreitet, auf dem man gemütlich dahinschweben kann, um die angebotene Ruhe in sich aufzunehmen. Genau das Richtige für alle Stress-gebeutelten Großstädter, deren Tagesablauf aus Hektik besteht. Welchen Einfluss der besagte LSD-Guru auf diesen Song hat, bleibt leider verborgen. Seine Mittäterschaft ordne ich eher dem vorangegangenen Werk zu, kann ich mir doch besser vorstellen, dass dort gegen Ende einige Drogen im Spiel waren. Bei "Time" gibt der Kern der Band wieder die Richtung vor und knüpft musikalisch an ihr Debüt an. War ich doch bei "Schwingungen" etwas enttäuscht von dem was mir geboten wurde, so kann ich für diese Scheibe wieder eine deutlich Empfehlung aussprechen, und freue mich auf das, was mir in den nächsten Monaten auf den Tisch kommt, wenn die Serie fortgesetzt wird.
Line-up:
Manuel Göttsching (vocals, guitar, keyboards)
Dietmar Burmeister (drums)
Tommie Engel (drums)
Hartmut Enke (bass, guitar, keyboards)
Dieter Dierks (synthesizer)
Timothy Leary (vocals)
Brian Barrit (vocals)
Liz Elliott (vocals)
Bettina Hohls (vocals)
Portia Nkomo (vocals)
Micky Duwe (vocals, flute)
Tracklist
01:Space
02:Time
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