Atlantis / Live
Live Spielzeit: 74:01
Medium: CD
Label: Repertoire Records, 1995 (1975)
Stil: Krautrock


Review vom 15.12.2006


Jürgen Bauerochse
Als am 22. Juli 1972 im Beat Club Langelsheim das letzte Konzert von Frumpy über die Bühne ging (Der Rezensent ist bis heute sehr froh, dabei gewesen zu sein!), war die zweieinhalbjährige History einer der besten und erfolgreichsten Bands des sogenannten Krautrocks endgültig beendet. (Abgesehen von einigen kurzlebigen Reunion-Versuchen in den Jahren 1990 und 1995). Eines der Flagschiffe der deutschen Rockmusik hatte sich verabschiedet.
Nur kurze Zeit später präsentierte die Hamburger Frontfrau Inga Rumpf den Fans ihre neue Gruppe Atlantis. Mit dabei waren neben Jean-Jaques Kravetz (Keyboards) und Karl-Heinz Schott (Bass) aus den Trümmern von Frumpy, noch Schlagzeuger Curt Cress, sowie Frank Dietz an der Gitarre. Trotz etlichen gelungenen Testkonzerten drehte sich das Personal-Karussel schon wieder sehr frühzeitig. Bis 1973 waren Dietz, Cress und Kravetz schon wieder Geschichte.
Durch den Einstieg von Alex Conti (ex-Curly Curve), Ringo Funk (ex-Jeronimo) und dem Engländer Adrian Askew wurde kurzfristig ein wenig Konstanz ins Band Line-up gebracht. Atlantis bestritt unter anderem im Jahr 1975 eine US-Tour im Vorprogramm von Lynyrd Skynyrd und konnte auch recht schnell mit "Atlantis" (1972), "It's Getting Better" (1973) und "Ooh Baby" (1974) drei Studioalben vorweisen. Es ging also vorwärts.
Das Doppelalbum "Live" besteht aus Konzertmitschnitten, die allesamt zwischen 1973 und 1975 in der Hamburger Fabrik aufgenommen wurden. Die Musik hatte sich etwas verändert. Es war nicht mehr der schwere Prog-Sound von Frumpy, sondern bestand jetzt aus leichter verdaulichen Tönen. Funk-, Rock- und Blueseinflüsse standen im Mittelpunkt.
Die vierzehn Songs waren fast ausschließlich Eigenkompositionen, wobei Inga Rumpf allein für fünf Titel verantwortlich war. Aufgezeichnet wurde das Ganze von Produzentenlegende Dieter Dierks und seinem Recording Mobile.
Atlantis legt auf dieser Live-CD eine unbändige Spielfreude an den Tag. Es groovt und fetzt schon beim Opener "Friends" ohne Ende. Inga röhrt mit Leib und Seele und Askew und Conti (beide heute bei Lake aktiv) bestechen mit feinen Soli. Obwohl Funk eigentlich so gar nicht mein Ding ist, bin ich von diesen fast neun Minuten stark beeindruckt.
"Ooh Baby" fällt dann deutlich poppiger aus. Und das meine ich ganz und gar nicht negativ. Adrian Askew diesmal am Piano, und wieder hebt Alex Conti kurz und knackig an den sechs Saiten ab.
Mit "Somewhere", das auf keinem Studio-Album vertreten ist, wird es etwas bluesiger. Hier kommt Ingas Röhre besonders ausdrucksstark zur Geltung und Conti beweist, dass er auch den Blues fühlen und spielen kann.
Der Titeltrack der zweiten LP besticht vor allem durch den unglaublich dichten Rhythmus von Ringo Funk und Karl-Heinz Schott. Außerdem ergänzen sich Keyboards und Gitarre nahezu perfekt. Der ganze Saal kocht und brodelt. Selbst auf dieser Tonkonserve ist die Dynamik nachzuvollziehen.
Etwas ruhiger und mit Harmoniegesang, dafür aber mit sehr intensiver Leadgitarre folgt "Waiting And Longing", bevor "Brother" wieder recht funky losbricht. Ähnlichkeiten zu Bands wie Mother's Finest und War werden hörbar. Erstaunlich für eine deutsche Band. Zusätzlich liefert Alex Conti hier das beste Solo der ganzen CD ab.
Es folgen mit "Rock'n'Roll Preacher", einem Boogie vom Feinsten und der Ballade "New York City", geschrieben von Adrian Askew, zwei meiner persönlichen Faves. Diese Liebeserklärung an die amerikanische Metropole geht schon richtig unter die Haut, und das ist vorwiegend dieser großartigen Stimme der Hamburger Seemannstochter zu verdanken.
Ich könnte jetzt weiter jeden einzelnen Song beschreiben, aber das würde den Rahmen eines normalen Reviews doch etwas überschreiten. So sei hier nur noch auf zwei Titel besonders hingewiesen, die eine Erwähnung unbedingt verdienen. "Going To The Country" ist der straighteste Rocker des Albums und haut so richtig heftig rein, während "Rock Me Baby" noch einmal in den Blues abdriftet.
Mein Fazit: Atlantis war eine würdige Nachfolgeband von Frumpy und gehört völlig zu Recht zur 'Ersten Liga' der deutschen Rockmusik. Hier waren wirklich fünf musikalische Einzelkönner am Werk, die sich aber dem Bandgefüge völlig nahtlos angepasst haben. Das Album ist ein hervorragendes Dokument in der Geschichte des Krautrocks!
Line-up:
Inga Rumpf (Lead Vocal, Acoustic Guitar, Percussion)
Adrian Askew (Keyboards, Vocals)
Alex Conti (Guitars, Vocals)
Karl-Heinz Schott (Bass)
Ringo Funk (Drums, Percussion)
Tracklist
01:Friends (8:41)
02:Ooh Baby (4:02)
03:Somewhere (5:51)
04:It's getting Better (6:52)
05:Waiting And Longing (3:41)
06:Brother (5:34)
07:Rock'n' Roll Preacher (4:09)
08:New York City (3:58)
09:Mr. Bigshot (5:53)
10:Mainline Florida (6:21)
11:Godfather (3:33)
12:Going To The Country (5:14)
13:Rock Me Baby (4:38)
14:Leave It To The Devil (4:09)
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