Jan Akkerman / Same
Same Spielzeit: 19:20 (Seite A), 20:00 (Seite B)
Medium: LP
Label: Atlantic Records, 2014 (1977)
Stil: Jazz Rock


Review vom 03.04.2014


Steve Braun
Kommt eigentlich heutzutage ein - sagen wir mal - fünfzehnjähriger Jugendlicher auf normalem Weg, also wenn er nicht gerade Gitarre lernt, noch mit Jazz Rock in Berührung? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht so genau und kann es mir auch nicht wirklich vorstellen. In den Siebzigern war das kein Thema! In jenem zarten Alter kam bspw. mir ein Album eines irrwitzigen holländischen Gitarristen zwischen die Ohren: das legendäre "Tabernakel" von Jan Akkerman. Via Credits konnte man dann noch - so ganz nebenbei - über die Namen Carmine Appice und Tim Bogert stolpern, wenn man denn wollte. Auf diese Weise konnte sich seinerzeit Qualitätsmusik zuerst schneeball- dann lawinenmäßig verbreiten. Heute fliegen die Schneebälle sicherlich ebenso munter, nur eben in andere Richtungen...
Bei der hier zu besprechenden LP handelt es sich nicht, obwohl schlicht "Jan Akkerman" betitelt, um das Debütalbum des mittlerweile 67-jährigen Niederländers. Sehr wohl aber um das erste nach dem Ausstieg aus der 'Supergroup' '(Hocus) Focus'. Wie es seinerzeit - man schrieb das Jahr 1977 - so üblich war, fusionierte auch Akkerman seinen Jazz Rock mit Funkjazz-Elementen. Ein mal slappender, mal 'hüpfender' Bass kündet ebenso davon wie eine Disco-mäßig weit geöffnete, zischende Hi-Hat des Schlagwerkers - beides allerdings deutlich weniger aufdringlich als bei so manchem Kollegen in diesen Zeiten.
Für das euklidische Element von "Jan Akkerman" sorgt allerdings ein dezent, aber breitflächig eingesetztes Streichorchester. [Leider gibt auch das Cover dieser Neuauflage nicht preis, um welche Formation es sich handelt. Der Aufnahmeort dieser Sequenzen (London) lässt auf ein britisches Orchester schließen.] Es erzeugt - neben klassischem Jazz, Jazz Rock und Funkjazz - eine vierte Dimension, die den Stücken fast einen cremig-schwülstigen Touch von alten Filmmusiken verleiht. Eine Nuance, die "Jan Akkerman" deutlich von anderen Jazz Rock-Produktionen jener Tage abhebt.
Neben Akkerman - der von der Klassischen bis zur Elektrischen alles meisterlich streichelt, was sechs Saiten hat - hat dieses sechste Soloalbum des Gitarrenvirtuosen einen eindeutigen Co-Star: den deutschen Jazzpianisten Joachim Kühn. Dieser steuert nicht nur klassisch angehauchte Pianoklänge, sondern auch filigran-geschliffene Moog-Sounds bei. Wie stark Kühn seinen Epigonen Thomas Bettermann bei diesen beeinflusst hat, lässt sich auf "Jan Akkerman" genauestens nachvollziehen. Dort, wo sich Kühns Zeitgenossen gerne eines Solina String Ensembles bedienten, kommt hier das besagte Streichorchester mit seinen herrlich analogen, mal anschmiegsam-weichen, mal fordernden Klängen zum Einsatz. Das ist jazzrockige 4D in höchster Perfektion...
Das eröffnende "Crackers" und "Streetwalker" sind dabei noch die eingängigsten Titel. Mit ihren deutlich jazzfunkigen Ambitionen erinnern sie an Solowerke von Jean-Luc Ponty und Janne Schaffer. Sicher nicht nur wegen seiner zehn Minuten handelt es sich bei "Angel Watch" um das Sahneschnittchen von "Jan Akkerman". Ein treibender Rhythmus mit geslappten Basseinlagen sorgt für einen enorm 'funkigen' Zug, der allerdings durch eher 'klassische' Soloparts von Akkerman und (vor allem) Kühn etwas konterkariert wird. Über allem schweben - engelsgleich - die majestätischen Streicher.
"Pavane" und "Skydancer" bedienen eher die balladesken Momente, während das ziemlich 'freie' "Floatin'" eher freejazzig orientierte Hörer ansprechen dürfte. Toll hierbei das 'flirrende', federleichte Spiel der beiden Gastperkussionisten Pierre van der Linden und Neppie Noya. Klassische Gitarre plus voller Streichereinsatz öffnen zum Abschluss das "Gate To Europe", dessen eindringliche Instrumentierung zu innerer Einkehr einlädt.
Mit diesem Album ist Jan Akkerman ein Meilenstein gelungen, der vielleicht ein wenig im Schatten mancher seiner anderen Werke stehen mag, aber nichtsdestotrotz volle Aufmerksamkeit und Anerkennung verdient.
Besitzer der klanglich wenig überzeugenden CD sollten diese nun endlich 'in die Tonne kloppen'. Dieser wunderbaren Vinyl-Edition ist sie nicht gewachsen!
Line-up:
Jan Akkerman (guitars)
Joachim Kühn (keyboards)
Cees van der Laarse (bass)
Bruno Castelucci (drums)
Pierre van der Linden (drums - #B/3)
Neppie Noya (percussion)
Tracklist
Seite A:
01:Crackers (3:50)
02:Angel Watch (10:05)
03:Pavane (5:30)

Seite B:
01:Streetwalker (6:55)
02:Skydancer (5:05)
03:Floatin' (5:10)
04:Gate To Europe (3:00)
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