Wolfgang Ambros / Wie im Schlaf (Lieder von Bob Dylan)
Wie im Schlaf (Lieder von Bob Dylan) Spielzeit: 38:22
Medium: LP
Label: Bellaphon (Cargo Records), 2014 (1978)
Stil: Liedermacher, Austropop


Review vom 12.12.2014

       
Markus Kerren                  Sabine Feickert
Dass Bob Dylan zahlreiche andere Musiker inspiriert hat, ist kein Geheimnis. Wie oft und von wem er gecovert wurde, wollen wir hier gar nicht näher ausführen. Auch Wolfgang Ambros zählt ihn zu seinen Einflüssen und hat ihm gar eine eigene Platte gewidmet. "Wie im Schlaf" geht aber über bloßes Nachspielen schon deshalb hinaus, weil der Österreicher die Songs in seine Muttersprache übersetzt hat. Die schöne Vinylausgabe hat uns dazu animiert, uns der Langrille von zwei Seiten zu nähern – Sabine von der A(mbros)-Seite, Markus von der B(ob)-Seite.
A-Seite
Dass deutschsprachiger Politrock und die Liedermacherdreifaltigkeit zu meiner musikalischen Sozialisation gehört, ist kein Geheimnis. Dass Bob Dylan ziemlich an mir vorbeigegangen, ist sicher ein Versäumnis. Führt aber gerade in diesem Fall dazu, dass ich den Bob nicht ständig im Hinterkopf höre, wenn der Wolfgang dessen Lieder in 'seinen' (österreichischen) Versionen singt. Ein paar der Nummern möchte ich gern rausgreifen.
"Allan wie a Stan [Like A Rolling Stone]" war wahrscheinlich die erste Ambros/Dylan-Nummer, die ich vor gefühlten 150 Jahren überhaupt gehört hab, damals möglicherweise sogar noch ohne zu raffen, wessen Baby das wirklich ist. »Wie füast di dabei?« - ganz stark drin im Ambros-Kosmos. Im direkten Vergleich fällt mir auf, wie gut die Nummer auch im Österreichischen funktioniert und dabei doch einen etwas anderen Charakter kriegt. Einen zwar vorwurfsvollen, aber doch auch versöhnlicheren, nicht ganz so bösen wie bei Dylan.
"Da Mensch in mir [The Man In Me]" ist dagegen sehr gefühlvoll und harmonisch. In seiner Sehnsucht nach der 'Frau wie du' schwelgt er in Pianoklimpern, Orgelteppichen, Gitarrengezupfe und 'Uhuhuhu'-Chören. "Des Sandlers Flucht [Drifter's Escape]" war, ist und bleibt für mich ne Ambros-Nummer par excellence – schon ewig im Ohr und Hinterkopf, woher auch immer. Ohne je zuvor genau hingehört zu haben, worum's denn da überhaupt geht, war bei dem Song das Wiedererkennen sofort da. Und klar, die 'Sandler' ziehen sich auch bei Ambros durch sein eigenes Werk, nur mal als ein Beispiel wäre da De Kinettn wo i schlof zu nennen. Sehr viel persönlicher wird es wieder bei "I bins ned [It Ain't Me Babe]". »Nanaa i bins ned, naanaanaaaaa i bins ned« - dieses Abwehren, dieses 'Verdammt nochmal, lass mich jetzt endlich', das Erkennen, wie falsch die Anforderungen sich anfühlen....oh ja! Die Ernüchterung und Überforderung kommen für mich authentisch rüber, selbst erlebt und gut eingefühlt in Bobs Vorlage und trotzdem steckt da ganz viel Ambros drin.
Hachja, nach so viel Liebesleid nun mal mit "Corrina, Corrina" so richtig zuckersüß und butterweich dahinschmelzen... darf ja auch mal sein. Könnte auch direkt so weitergehen, wenn nicht bei "Wahre Liebe [Love Minus Zero_No Limit]" der Rhythmus so in den Vordergrund gebracht würde und für mein Gefühl zu sehr von Lyrics und Melodie ablenkt. Der eigentlich sehr schön übersetzte Text kommt gar nicht so zur Geltung wie es ihm eigentlich entsprechen würde... schade drum.
Und doch ist "Wie im Schlaf..." insgesamt zwar nicht meine liebste, aber doch eine gute Ambros-Platte.
Und was meint Markus als 'B-Seite' aus der Dylan-Sicht?
B-Seite
In allererster Linie bin ich sehr positiv überrascht, wie Ambros diese Songs und auch Texte umgesetzt hat. Entscheidend für mich ist dabei auch, dass es sich hier nicht um ein Übergangsprojekt oder liebloses Aneinanderreihen von Coversongs handelt, sondern offensichtlich eine echte Herzensangelegeheit des europäischen Barden war.
Der große Unterschied der beiden Protagonisten liegt (sicher nicht ganz überraschend) zum einen im zeitlichen sowie geographischen Kontext. Speziell bezüglich des zweiten Punkts erscheint Österreich hier wie ein neugeborenes Schaf, auf das New York City mit seiner Erbarmungslosigkeit, Kälte und seinen gefletschten Zähnen schon im nächsten Busch sitzt und nur darauf wartet, bis das dem Lamm noch etwas Wärme und Licht spendende Lagerfeuer erlischt, um dann über es herzufallen.
Die besten Songbeispiele hat Sabine bereits erwähnt: Bei Ambros schwingt sowohl bei "Allan wie a Stan (Like A Rolling Stone)" als auch bei "I bins ned (It Ain't Me, Babe)" immer noch ein gewisses Wohlwollen mit. Er mag ganz sicher keine der jeweils besungenen Protagonisten, hat sich aber trotzdem einen kleinen Platz der Güte in seinem Herzen für sie bewahrt. Die Originalversionen von Dylan kommen dagegen wütend, spöttisch, bitter und – zumindest teilweise – mit einer rachsüchtigen Genugtuung. Es ist fast schon symptomatisch, dass dieser harte oder zumindest den Ton der Nummer setzende erste Schlag auf die Snare Drum bei "Like A Rolling Stone" bei der Ambros-Version schlichtergreifend gar nicht vorhanden ist.
Aber gut, dieses Topic könnte man sicherlich noch ins Unermessliche ausführen, was den Rahmen dieses Reviews aber sprengen würde. Letzten Endes wurden sämtliche Stücke sehr gelungen umgesetzt, ein bisschen 'anders', was aber in der Natur der Sache liegt und auch gar nicht kritisiert werden soll.
Unser gemeinsames Fazit: Sollte man kennen, sowohl von der A- als auch der B-Seite her gesehen.
Line-up:
Wolfgang Ambros (Akustische Gitarre, Gesang)
Peter Koller (Gitarre)
Peter Schleicher (Keyboards)
Helmut Nowak (Schlagwerk)
Helmut Pichler (Bass)
Achim Grumm (Gitarre - #2 Seite 2)
Christian Kolonovits (Gitarre - #2 Seite 1, - #2 Seite 2)
Johan Dansen, Georg Liszt (Chorgesang - #2 Seite 1)
Tracklist
Seite 1:
01:Allan wie a Stan [Like A Rolling Stone]
02:Da Mensch in mir [The Man In Me]
03:Des Sandlers Flucht [Drifter's Escape]
04:I bins ned [It Ain't Me Babe]
05:Corrina, Corrina
Seite 2:
01:Wahre Liebe [Love Minus Zero_No Limit]
02:Früher oder später [One Of Us Must Know]
03:Achilles [Temporary Like Achilles]
04:Sie gehört zu mir [She Belongs To Me]
05:Denk ned noch [Don't Think Twice]
Bonusmaterial:
01:Schaffnerlos
02:Schaffner mit Leib und Söh
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