Bee Gees / Mythology
Mythology Spielzeit: 79:01 (CD 1), 78:29 (CD 2), 77:40 (CD 3), 75:51 (CD 4)
Medium: CD-Box
Label: Reprise/Warner, 2010 (1960 ...)
Stil: Pop & More


Review vom 25.06.2013


Ulli Heiser
Giganten. Unbestreitbar Giganten. Ja, das waren sie, die Brüder von der Isle of Man.
Früh zog die Familie in die Industriestadt Manchester und genauso früh begannen die drei Kinder Barry, Maurice und Robin zu singen. Inspiriert u. a. von der Musik Lonnie Donegans sangen sie alles nach, was sie in die Finger bekamen. Schon damals, im zarten Alter von sechs (die Zwillinge Robin und Maurice) bzw. neun Jahren (Barry), war da dieses fast unheimliche Talent, in perfekter Dreistimmigkeit Gesangsharmonien zu erzeugen, die nach einer Bühne regelrecht schrieen.
Im Jahre 1958 siedelte die Familie nach Australien um und dort wurde der Grundstein für eine Karriere gelegt, die allerdings auch mit jeder Menge Steine bepflastert war. Sie schmissen die Schule, denn eigentlich sahen es alle ein (inkl. der Schule), dass die drei Buben nur zu einem Zweck auf der Welt waren: um zu singen. Natürlich war und ist Australien ein schönes Land, aber die Musik spielte auf dem alten Kontinent. Sie hatten zwar im Alter von elf bzw. vierzehn Jahren eine Fernsehshow in Australien, aber in England wurden Erfolge gefeiert. Dort herrschte der musikalische Wahnsinn und der hatte einen Namen: The Beatles.
Perfekt wie der Harmoniegesang der Brüder ist auch die vorliegende Werkschau aus dem Jahr 2010. Zum 50sten Jubiläum der Band haben Familienmitglieder ihre Favoriten zusammengetragen und diese Viererbox zusammengestellt. Jedem der vier Musiker ist eine CD gewidmet, denn wenn der jüngste Spross der Gibbs, Andy auch nie ein Bee Gee war, so gehörte er, so Barry, doch unbedingt dazu. Die CDs mit ihren 81 Tracks werden von einem 68!-seitigen! Booklet begleitet, das keine Wünsche offen lässt. Seltene (auch Familien-) Bilder, viele Infos und Statements bekannter Musiker. So muss das sein. Natürlich fehlen auch einige Songs, denn aus dem riesigen Fundus, der sich in fünfzig Jahren angesammelt hat, wird ein jeder wohl die eine oder andere Nummer vermissen.
Die Box erlebt gerade eine Renaissance, denn nachdem der Sender Vox am 15. Juni eine vierstündige Dokumentation über die Bee Gees ausgestrahlt hat, schoss sie bei einem bekannten Internet-Anbieter sofort auf Platz 1 der Verkaufscharts und die Fachmagazine bekamen die Box zum Besprechen. So auch RockTimes und da ich die Sendung bei Vox gesehen habe, ist es für mich nicht verwunderlich, dass dieses Teil verstärkt gekauft wird, denn die Doku war absolut gelungen und appetitanregend. Kompliment an die Macher, das war beste Unterhaltung und Wissensvermittlung. Zur prime time, wohlgemerkt. Auch innerhalb unserer Redaktion fand die Sendung Zuspruch, und zwar aus allen Lagern. Ob Metallfresser oder Zwiebackzerbrösler… jeder hat wohl seine Rosinen gefunden.
Natürlich sind die Bee Gees immer gut um zu polarisieren. Grob, ganz grob, gesagt, gibt es da die alten Evergreens wie "Words", "Don't Forget To Remember", "Spicks And Specks", "New York Mining Disaster 1941", "Massachusetts" usw. Da hat jeder, der diese Titel zeitnah miterlebt hat, seine ganz persönlichen Erinnerungen. Diese 'Oldies' haben uns begleitet, zu einer Zeit, als man auf den ersten Parties mit solchen Stücken idealerweise die Mädchen 'entdecken' konnte. Wenn diese Feten auch einige Jahre nach dem Erscheinen der Lieder stattfanden. Das müsste auch heute noch klappen. Besser jedenfalls, als das die Pendants der heutigen Schnatterenten und Stottererpel tun. Spaß beiseite, ein Song ist auch heute noch untrennbar mit der eigenen Kindheit verbunden. Robin Gibbs "Saved By The Bell" in Verbindung mit dem 'Geruch von Strom', den an Weihnachten die Loks der Modelleisenbahn verströmten.
Die andere Seite der Bee Gees sind die Falsettgesänge aus der Disco-Ära. Auch da war der Rezensent dicke dabei und als "Saturday Night Fever" erschien, waren die Brüder plötzlich wieder da. Und wie sie das waren. Das Album zum Film schlug ein wie eine Bombe und ohne die alten Songs aufzugeben, konnte man nun eine ganz andere Seite ihrer Musik erleben.
"Saturday Night Fever" 'machte die Band zu Giganten. Doch erst mal kurz wieder nach Australien. So richtig wollte sich dort die Karriere nicht einstellen. Und immer wieder der Blick heim ins Mutterland, wo musikalisch ähnlich ausgerichtete Bands richtig Kohle machten. Die Eltern wurden überredet, wieder zurück nach England zu ziehen. Auf dem Schiff erfuhren sie dann, dass "Spicks And Specks" in Australien Platz 1 erreichte. Aber der Bug des Dampfers stampfte durch den Ozean und in England angekommen, wurden sie von Robert Stigwood unter die Fittiche genommen und standen den Beatles kaum nach. Aber die Musikpresse, die anfangs voll des Lobs war, begann, als sich die Erfolge mehrten, sich von ihnen zu distanzieren. Es kam zum Streit, zur Trennung und zu Solausflügen. 1970 ging es wieder gemeinsam weiter und besonders in den Staaten führte das Comeback zum Erfolg. Der hielt nicht lange an und einem Tipp von Eric Clapton folgend, wandten sie sich an die Criteria Studios in Miami, Florida. Dort produzierte Arif Mardin mit ihnen ganz was anderes, als das, was sie bis dato taten: Rhythm and Blues. Richtig schwarz mit funkigen Momenten war das die Geburtstunde der Falsett-Gesänge und ich gestehe, diese Ära der Band zählt für mich zu den Highlights.
Es folgte "Saturday Night Fever" und in den Charts hatte fast niemand mehr Platz, da die Bee Gees dort quasi wohnten. Lediglich die 'Pilzköpfe' schafften es ebenfalls, fünf Titel gleichzeitig in den Top Ten zu haben. Nimmt man die Jahre 1978 und 1979, waren gar sechs Nummer 1-Hits vertreten. Und hätte man den Song "More Than A Woman" nicht den Tavares zugestanden, so wären es gar sieben gewesen.
Reagan kam. AIDS kam. Der Disco-Sound machte sich vom Acker. Es wurde auch wieder ruhiger um die Bee Gees. 1987 dann noch mal was Größeres mit "You Win Again" und dann, ja dann ging das Sterben los…
Wie bereits erwähnt, die Musik der Bee Gees polarisiert. Vielleicht mehr, als es bei einer anderen Band der Fall ist oder war. Zu unterschiedlich sind die Stile, die sie in ihrer Musik verkörpert haben. Pop mit absoluten Gesangsharmonien. Stimmen, die entweder rockig kräftig oder im Falsettgewand daherkommen. Alte Nahkampfgrapscher, R&B, wie ihn selbst farbige Musiker nicht besser auf die Bühne brachten, Funk, Pop, Disco, verwechselbare Hämmer (klingt "Travalgar" nicht wie von den Beatles, könnte "Lay It On Me" nicht auch von Jerry, Johnny oder John sein?).
Ja, sie waren Giganten und mit den vorliegenden Scheiben samt ausführlichster Begleitdokumentation kann man sich Output aus allen Zeit- und Stilperioden ins Regal stellen. Für kleines Geld Bee Gees satt. Und wer die Dokumentation im TV verpasst hat, sollte unbedingt die Programmzeitschriften tracken. Wiederholungen können manchmal auch etwas Gutes haben.

»…and we vowed that
together we would make
it to the stars«


Wie wahr…!
Line-up:
Barry
Robin †
Maurice †
Andy †
...and many more...
Tracklist
Tracklist
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