Beggars Opera / Waters Of Change
Waters Of Change Spielzeit: 42:19
Medium: CD
Digitally Remastered
Label: Vertigo, 1971 (Repertoire 2006)
Stil: Prog Rock


Review vom 17.12.2009


Ulli Heiser
Vier Alben haben die Schotten, die sich 1969 in Glasgow gründeten bei Vertigo herausgebracht. Das Werk, um das es geht, war Nummer zwei, stammt aus dem Jahre 1971 und ist für mich eindeutig das beste. Nicht nur wegen "Time Machine" hat Beggars Opera eine besondere Bedeutung für mich. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Platte schon kannte, als die Band damals, Anfang der Siebziger, in Deutschland tourte. Es müsste 1971 gewesen sein, aber auch da versagt meine Erinnerung - vielleicht weiß einer der Leser Genaueres...
Auf jeden Fall spielte die Band im Nachbarort in der Dorndorfhalle. War es tatsächlich 1971, war ich zu jung, als dass mich meine Eltern auf ein Konzert gelassen hätten und dann wäre ich da sicherlich auch nicht durch die Kasse gekommen. War es etwas später, muss es einen anderen, triftigen Grund gegeben haben, der mich von dem Gig ferngehalten hat. Auf jeden Fall ging mir das lange nach: "Time Machine" live in vier Kilometer Entfernung und ich hab das verpasst. Das ist definitiv einer dieser typischen 'da-hast-du-was-verpasst-im-Leben'-Momente.
"Time Machine": Die Nummer war besonders in Deutschland sehr angesagt und heute wäre es unvorstellbar, dass so etwas auch von den großen, öffentlichen Sendern im Radio gespielt wird. Dabei ist die Nummer einfach, nicht vertrackt, oder gar kompliziert. Prog musste nicht wissenschaftlich betrachtet werden und die Freunde dieser Spielart, waren vor den fast 40 Jahren auch weit davon entfernt darüber zu diskutieren, welche Band denn nun komplizierter ist. Es reichte, wenn die Musik gefiel und anstelle sich die Köpfe über Breaks, Bridges und andere Techniken heiß zu reden, tat man das, was im Sinne des Erfinders war: Musik hören.
"Time Machine": Wäre "Waters Of Change" vom Stamme der Galloways, der Song wäre das perfekt abgehangene Filet. Virginia Scott stieß 1970 mit ihrem MK2 Mellotron 1970 zur Band und es ist einfach herrlich anzuhören, wie sie und Alan Park an der Orgel dem Stück etwas ganz Großes, Majestätisches verpassen. Melodie und Songwriting sind einfach nur als genial (einfach) zu beschreiben. Martin Griffiths steuert einen vokalen Output bei, der dem Ganzen die Krone aufsetzt. Es ist einer dieser Tracks, die, einmal gehört, für immer bei einem bleiben und innerhalb Sekundenbruchteilen identifiziert werden. Ricky Gardiner, der später auch mit Bowie und Iggy Pop arbeitete, gibt per Gitarre Abwechslung, Spannung und garantierte Wohlfühl-Gänsehaut.
"Time Machine": Die Nummer ist, wie gesagt, das Filetstück, aber auch die Hüftsteaks sind nicht zu vergessen. "Lament" ist eine kurze Hommage an die schottische Heimat und mit pipes anstelle der Tasten wäre das perfekt. Proggig und auch sehr melodiöse präsentiert sich "I've No Idea". Flott, rockig und Orgel-dominiert, mit einem leicht klassischen Touch ab und an geht es durch knappe acht Minuten. Ganz anders "Nimbus" - hier wird das Tempo stark zurückgenommen. Schwebt immer leicht eine Barclay James Harvest-Wolke über "Waters Of Change", so lässt sie bei diesem Stück am ehesten ihre Last ab. Das Tempo wird wieder forciert und Martin darf seine Stimme wieder erheben, Ricky steuert kurze, sphärische Licks bei und das alles hört auf den Namen "Festival".
"Silver Peakock" erinnert unweigerlich an The Nice und/oder Emerson Lake & Palmer. Klassich angehaucht, schwere Bach'sche Orgelwände, aber auch verspielte Keys und klar, die Stimme Martins wieder... Fast kammermusikalisch dann das kurze "Impromptu" und wenn es auf diesem Album einen Song gibt, dem man eine etwas schwerere Zugänglichkeit attestieren mag, dann ist das "The Fox". Nicht weil die Nummer nun besonders anspruchsvoll wäre, nein. Es ist eher der etwas verbogenen Melodieführung wegen, die einige Umwege braucht, um in die Ohren zu gelangen. Schöne Momente gibt es, wenn der Bass satt und gemächlich den Weg bereitet und Martin ebenso agiert, oder Raymond rhythmisch die Stöcke wirbeln lässt, während Virginia süße Mellotron-Spuren zieht.
Schade, dass Beggars Opera nie den Staus ihre Genre-Brüder zu dieser Zeit erreichten. Potenzial war genug vorhanden und der Nachfolger, "Pathfinder", war eigentlich noch prädestinierter, erfolgreich zu sein. Nach Martin Griffiths' Ausstieg 1972 kam Pete Scott (Savoy Brown). Nach Streitereien ging dieser 1973 wieder und Linnie Paterson kam bis zur Trennung 1974.
1975 holte Ricky Scott zurück und unter der Regie von Jupiter Records folgten noch 2 Alben. Anfang der Achtziger gab es eine kurze Reunion und das war es auch. Aber 'Spuren der Band' finden sich auch heutzutage: In der Mannheimer Prog-Band Alias Eyes gibt es auch einen Griffiths: Phil heißt der junge Mann und sein Vater saß damals in der "Time Machine".
"Time Machine": Was "Gamma Ray" für Birth Control oder "In-A-Gadda-Da-Vida" für
Iron Butterfly, das ist "Time Machine" für Beggars Opera. Und ich war damals nicht live dabei, da im Nachbarörtchen. Das geht mir nach, gerade jetzt in der besinnlichen Zeit und deshalb musste ich mir das Review von der Seele schreiben.
Line-up:
Ricky Gardiner (lead guitar, vocals, acoustic guitar)
Martin Griffiths (lead vocals, cow bell)
Alan Park (organ, piano)
Gordon Sellar (bass, acoustic guitar, vocals)
Virginia Scott (mellotron, vocals)
Raymond Wilson (percussion)
Tracklist
01:Time Machine (8:08)
02:Lament (1:50)
03:I've No Idea (7:42)
04:Nimbus (3:35)
05:Festival (5:59)
06:Silver Peacock [Intro] (0:23)
07:Silver Peacock (6:32)
08:Impromptu (1:18)
09:The Fox (6:47)
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