Bonfire / The Räuber
The Räuber Spielzeit: 71:06
Medium: CD
Label: LZ Records, 2008
Stil: Hard Rock


Review vom 03.03.2008


Moritz Alves
Die Ingolstädter Bonfire gelten seit nunmehr zwanzig Jahren als deutsche Hardrock-Institution. Mit insgesamt über sechs Millionen verkauften Tonträgern zählt man zu den führenden Rockmusikexporten Deutschlands.
Das mir vorliegende Album "The Räuber" wird in der umfangreichen Diskographie des Fünfers dabei sicherlich eine Art Sonderstellung einnehmen, denn die Band vertont hier Friedrich Schillers Sturm-und-Drang-Klassiker "Die Räuber" auf hart rockende Art und Weise. Damit betritt die Band meines Wissens Neuland, denn noch niemals zuvor ist mir ein solch ambitioniertes Projekt zu Ohren gekommen, bei dem sich eine 'Popgruppe' mit solch urdeutschem Kulturgut beschäftigt hat.
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Dabei war es ursprünglich nicht mal die Idee der Band, das Drama in irgendeiner Weise zum Thema des neuen Albums zu machen: Regisseur Pierre Walter Politz ging auf Bonfire zu, die seine Inszenierung des Schiller-Werks nun Mitte Februar sowie Anfang Mai diesen Jahres auf der Bühne des Ingolstädter Theaters musikalisch begleiten werden. Dieses gemeinsame Projekt hat also durchaus Rockmusical-Charakter und lässt sich mit den Inspirationen für Bonfires Texte gut vereinbaren. Denn Themen wie Liebe, Rebellion, Schmerz, Spaß oder Sehnsucht nach Freiheit sind ebenso Bestandteile der Sturm-und-Drang-Epoche auch vieler Rock-Lyrics.
Die Hardrocker haben das lyrische Konzept dabei übrigens ganz eigenständig entwickelt, sich lediglich durch die Originaltexte Schillers sowie eine englische Übersetzung die nötige Hilfe geholt bzw. ihr Wissen aufgefrischt.
Letzten Endes halte ich nun ein reinrassiges Hardrock-Album in den Händen, das sicherlich zu den Genre-Highlights des Jahres 2008 gezählt werden kann, denn Bonfire liefern gewohnt hochwertige Arbeit ab. Dabei spielt es grundsätzlich keine bzw. höchstens eine untergeordnete Rolle, ob dem Hörer das Stück "Die Räuber" gefällt bzw. bekannt ist oder nicht. Denn dieses Album kann man auch hören, wenn einem Friedrich Schiller (salopp ausgedrückt) am Arsch vorbei geht. Anders gesagt: Durch die gewohnt traditionelle Hardrock-Ausrichtung der Musik verbiegt sich die Band nicht und geht keine unglücklichen, halbgaren Kompromisse ein. Hier erwartet Einen 100 Prozent Bonfire, nichts anderes! Und deshalb merkt man beim Hören der Scheibe eigentlich gar nicht, dass man gerade mit deutscher Kultur zugedröhnt wird. Das ist verdammt gut so, denn »Bonfire auf Kulturschmusekurs« (siehe Booklet) hätte der Band bestimmt nicht zu Gesicht gestanden und wohl auch nur den wenigsten gefallen. "The Räuber" atmet den puren, unverfälschten Geist des Hardrocks, und genau so soll es sein!
Auffällig am Album ist vielleicht das Intro "The Räuber" sowie das kurze Zwischenspiel "The Oath". Diese beiden Stücke verdeutlichen ein wenig den Konzeptalben-Charakter, sonst bleibt aber alles in geregelten Bahnen, von den vier deutschsprachigen Songs einmal abgesehen (die deutsche Version von "Hip Hip Hurray" miteingerechnet, obwohl sie ein Bonustrack ist). Vier? Ja, denn auch der offiziell letzte Track, "Father's Return", hat einen deutschen Text, und auch im Intro taucht deutsche Sprache auf, was aber eigentlich nicht verwundern sollte, wenn man als Band einen Literaturklassiker vertont. Ganz allgemein muss ich an dieser Stelle bemerken, dass der deutsche Gesang ziemlich gut zur Musik Bonfires passt. Außerdem ist es ja nicht das erste Mal, dass die Ingolstädter mit deutschen Texten arbeiten, denn bereits die EP "Glaub Dran" (1993) sowie das Album "Freudenfeuer" (1996) enthielten komplett deutsche Lyrics.
Komme ich abschließend noch mal genauer auf einzelne Songs von "The Räuber" zu sprechen. Generell fällt auf, dass das ganze Album vollgepackt ist mit tollen Songs, aber das erwähnte ich ja weiter oben bereits. Den Anfang macht das recht heftige "Bells Of Freedom", das vergleichsweise aggressiv in die Scheibe einführt. Im weiteren Verlauf müssen dann unbedingt die drei Balladen "Love Don't Lie", "Do You Still Love Me" und "Let Me Be Your Water" erwähnt werden, die allesamt klasse sind, von denen "Love Don't Lie" aber die beste ist (Highlight!). Bei vierzehn regulären Albumtracks sind drei Balladen zwar recht viel, aber hier passt das einfach bestens ins Konzept. Für die ganz verkuschelten Rocker hat die Band zwei dieser Balladen dann auch noch mal rein akustisch aufgenommen und als Bonustracks mit auf die Scheibe gepackt. Gänsehaut garantiert!
Darüber hinaus fällt mir das einfach geil rockende "Black Night" positiv auf, was ebenfalls ein Highlight auf "The Räuber" darstellt. Natürlich handelt es sich dabei nicht um eine Coverversion des Deep Purple-Klassikers ... .
"Hip Hip Hurray" ist schön abgehender, Stimmung machender Partyrock mit genialem Refrain, "Lass die Toten schlafen" hat einen wirklich guten Text und wartet mit tollen Melodien auf, "Time" kommt daraufhin wunderbar leichtfüßig daher und "Father's Return" beendet die Scheibe recht bedrohlich und düster.
Fazit: Den Ingolstädtern ist mit "The Räuber" ein sehr gutes Hardrock-Album gelungen, das darüber hinaus auch noch mit kulturellem Anspruch glänzen kann! Dieser dominiert aber glücklicherweise nicht die Musik, so dass man die Scheibe auch mühelos losgelöst davon betrachten und genießen kann. Das ist ein echter Vorteil, denn Bonfire zwingen dem Hörer das lyrische Konzept nicht auf. Das hier ist definitiv kein Deutschunterricht im Rock-Format! Im Gegenteil, ich merke eigentlich nicht unbedingt, dass man es dabei mit Friedrich Schiller zu tun hat, wenn ich nicht durch den Albumtitel sowie die deutschen Texte im Intro sowie in "Father's Return" (aber auch nur bei diesen beiden Stücken) explizit darauf gestoßen werde. Lange ist es her, dass ich "Die Räuber" in der Schule gelesen habe - dass ich durch Bonfire auf solch rockige Art und Weise nochmals mit der Thematik konfrontiert würde, hätte ich nie gedacht...!
Das Album sollte die Augen eines jeden Hardrock-Fans zum Glänzen bringen. Reinhören oder am besten sofort kaufen!
Line-up:
Chris 'Yps' Limburg (guitars)
Uwe Köhler (bass)
Claus Lessmann (lead vocals, rhythm guitar)
Hans Ziller (lead, rhythm & acoustic guitars)
Jürgen "Bam Bam" Wiehler (drums & percussion)
Tracklist
01:The Räuber (0:56)
02:Bells Of Freedom (5:15)
03:Refugee Of Fate (4:06)
04:The Oath (1:12)
05:Blut und Todt (3:51)
06:Love Don't Lie (5:38)
07:Black Night (4:46)
08:Hip Hip Hurray (4:58)
09:Do You Still Love Me (4:00)
10:Let Me Be Your Water (5:18)
11:Lass die Toten schlafen (4:38)
12:The Good Die Young (4:17)
13:Time (5:25)
14:Father's Return (2:35)
15:Love Don't Lie (Acoustic Mix) [Bonus Track] (5:17)
16:Do You Still Love Me (Acoustic Mix) [Bonus Track] (3:56)
17:Hip Hip Hurray (German Version) [Bonus Track] (4:58)
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