David Bowie / Nothing Has Changed
Nothing Has Changed Spielzeiten: 77:06 (CD 1), 79:38 (CD 2)
78:40 (CD 3)
Medium: CD-Box
Label: Parlophone/Warner, 2014 (1964-2014)
Stil: (Glam) Rock


Review vom 12.11.2014


Ulli Heiser
Es ist immer wieder erstaunlich, wie lange manche Musiker aktiv sind, bzw. wie viele Generationen die Möglichkeit haben, deren Kunst zu erfahren. Wohlgemerkt, zu Lebzeiten der Künstler, die zudem immer noch aktiv sind. David Bowie ist einer dieser Künstler, dessen vorliegende Retrospektive eine Zeitspanne von fünfzig Jahren abdeckt.
Im Jahre 1964 nahm er seine erste Single auf. "Liza Jane" heißt die Nummer und logisch, sie befindet sich auf der Kompilation. Und zwar ganz am Schluss. Die Reihenfolge der 59 Stücke auf "Nothing Has Changed" scheint nach dem Motto back to the roots gewählt zu sein, denn ein grobes Überfliegen der Tracklist lässt mich dies annehmen. Ich erspare mir ein akribisches Überprüfen und widme mich stattdessen lieber dem Inhalt der Box. Somit ist Song Nummer eins, "Sue (Or In A Season Of Crime)", der allerneuste Output Bowies und erscheint zeitgleich mit dieser Box auch als limitierte 10" Vinyl-Scheibe sowie als Download am 14. November.

"Liza Jane" ist, wenn man das Stück nicht kennt, schwer Bowie zuzuordnen, aber eindeutig in die Sechziger zu datieren. Es ist ein Rock'n'Roll und klingt wie eine frühe Beatles-Nummer. Und es sollte auch nur noch acht Jahre dauern, bis ein Album von ihm (Aladdin Sane) in Absatzregionen vorstieß, die ansonsten lediglich den eben erwähnten 'Fab Four' vorbehalten waren. Strenggenommen war "Liza Jane" 'nur' die erste Platte unter seinem Namen (ich ignoriere den bürgerlichen David Robert Jones jetzt mal einfach). Bereits im zarten Alter von fünfzehn Jahren (1962) war er unter dem Künstlernamen Dave Jay Mitglied der The Kon-Rads. 1963 nahm die Band eine von Bowie mitkomponierte Single auf. "I Never Dreamed" hieß das Teil und floppte. Bowie stieg aus und begann sein eigenes Ding. Der Rest ist Geschichte.
"Sue (Or In A Season Of Crime)", das jüngste Kind Bowies, ist schon eher als aus der Feder des Protagonisten stammend zu erkennen. Zumindest stimmlich. Ansonsten steckt da eine gehörige Menge Jazz drin und zeigt, wie groß der stilistische Spannungsbogen Bowies ist. Der Song entstand in Zusammenarbeit mit der bekannten Big Band, dem Maria Schneider Orchestra. Maria Schneider hat "Sue (Or In A Season Of Crime)" arrangiert und der nicht wegzudenkende Tony Visconti übernahm zusammen mit Bowie die Produktion. Verglichen mit den letzten Songs von CD Nummer zwei und der dritten CD, die, was mich betrifft, den stärksten Bowie aller Zeiten repräsentieren, ist das schon ein 'anderer Bowie'. Man spürt die Jahre, die vergangen sind. Nicht in der Klasse, aber die Musik ist in meinem Fall vom Bauch in den Kopf gewandert. Schön auch zu verifizieren bei den nächsten drei Stücken, allesamt vom letzten Album aus dem Jahr 2013, The Next Day. Man hört, dass das ein Bowie ist, aber es wirkt wie ein Hochglanzmagazin neben einem alten "Sigurd"-Heftchen. Ich liebe diese alten Comics...
Es mag an der Gnade der frühen Geburt liegen... subjektiv betrachtet sind Wild Is The Wind, "All The Young Dudes", der Dreierblock ("Moonage Daydream", "Ziggy Stardust", "Starman") vom Album The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars (eine Platte, die definitiv ins Gepäck gehört, wenn man in Betracht zieht, dass Schiffe auch schon mal vor der berühmten einsamen Insel sinken) sowie der gute alte Major Tom auf jeden Fall eindeutig meine.
Zwischen "Liza Jane" und "Sue (Or In A Season Of Crime)" liegen Jahrzehnte und Hits wie z. B. "Fame", "Young Americans", "Heroes", "Under Pressure", "Scary Monsters", "Ashes To Ashes", "Fashion", "Let's Dance", "China Girl", "This Is Not America", "Dancing In The Street" oder "Absolute Beginners". Immer wieder hatte Bowie kongeniale Partner mit auf Platte. Ob nun Mick Jagger,
Pat Metheny, Queen oder die Pet Shop Boys, sie wussten alle, dass Bowie etwas kann.
Die Versionen auf "Nothing Has Changed" sind bewusst gewählt, denn sie sind zum Teil unveröffentlicht oder aber in der Form das erste Mal auf CD erhältlich. Ob das für eine Retrospektive passend ist, mag ein jeder für sich entscheiden (das originale "Seven" z. B. läuft dem Marius De Vries-Mix auf jeden Fall den Rang ab). Haben-Müsser müssen die Dreifachbox der Edit-, Mix- und Remix-Versionen wegen natürlich haben. Und was liegt momentan zeitlich näher, als der nächste Gabentisch?
Erhältlich sein wird "Nothing Has Changed" in verschiedenen Ausführungen: als Dreifach-CD, Doppel-CD, Doppel-Vinyl-Album und als digitaler Download. Jeder Version wird ein eigenes Artwork spendiert. Für dessen Gestaltung zeichnete Jonathan Barnbrook verantwortlich. Gemeinsamer Nenner aller Covergestaltungen ist ein Foto von Bowie, der in einen Spiegel blickt. Er scheint zu denken "Nothing Has Changed". Aber wer Davids Musik aus den goldenen Rockzeiten kennt, weiß, dass sich da schon einiges geändert hat. Und nicht umsonst ist in meiner Dreierbox beim Aufklappen »Everything Changed« zu lesen. So macht das schon eher Sinn.
Wer mit einem einzigen Regalgriff fünfzig Jahre Bowie in der Hand halten möchte, sollte seinen Wunschzettel bis 14. November geschrieben und weitergegeben haben. Sicherlich wird der eine oder andere die gleiche Entdeckung machen, die auch mir ins Hause stand: Der alte und der neue Bowie sind grundverschieden. Nicht in der Qualität, aber in der Adaption. Das kennen wir ja alle vom morgendlichen Blick in den Spiegel. Wir sehen und erkennen uns, aber wir sahen schon mal anders aus. Oder, um bei der Musik zu bleiben: Ein heutiger Robert Plant ist genau der gleiche Mann, der einst mit dem Luftschiff unterwegs war. Und doch ist es ein anderer. So gesehen wiederhole ich mich gerne: Fünfzig Jahre Bowie in einem Werk, das gab es bisher noch nicht und daher, und auch der verschiedenen Mixe wegen, sollte man bedenkenlos zuschlagen. Zumal das persönliche Inselköfferchen ja eh immer gepackt in Reichweite steht.
Tracklist
CD 1:
01:Sue (Or In A Season Of Crime) [7:40]
02:Where Are We Now? [4:09]
03:Love Is Lost (Hello Steve Reich Mix by James Murphy for the DFA Edit) [4:07]
04:The Stars (Are Out Tonight) [3:57]
05:New Killer Star (Radio Edit) [3:42]
06:Everyone Says 'Hi' (Edit) [3:29]
07:Slow Burn (Radio Edit) [3:55]
08:Let Me Sleep Beside You [3:14]
09:Your Turn To Drive [4:44]
10:Shadow Man [4:48]
11:Seven (Marius De Vries Mix) [4:12]
12:Survive (Marius De Vries Mix) [4:18]
13:Thursday’s Child (Radio Edit) [4:25]
14:I'm Afraid Of Americans (V1) (Clean Edit) [4:30]
15:Little Wonder (Edit) [3:40]
16:Hallo Spaceboy (PSB Remix) (With The Pet Shop Boys) [4:23]
17:Heart's Filthy Lesson (Radio Edit) [3:32]
18:Strangers When We Meet (Single Version) [4:21]
CD 2:
01:Buddha Of Suburbia [4:24]
02:Jump They Say (Radio Edit) [3:53]
03:Time Will Crawl (MM Remix) [4:18]
04:Absolute Beginners (Single Version) [5:35]
05:Dancing In The Street (With Mick Jagger) [3:20]
06:Loving The Alien (Single Remix) [4:45]
07:This Is Not America (With The Pat Metheny Group) [3:51]
08:Blue Jean [3:11]
09:Modern Love (Single Version) [3:56]
10:China Girl (Single Version) [4:15]
11:Let's Dance (Single Version) [4:08]
12:Fashion (Single Version) [3:25]
13:Scary Monsters (And Super Creeps) (Single Version) [3:32]
14:Ashes To Ashes (Single Version) [3:35]
15:Under Pressure (With Queen) [3:56]
16:Boys Keep Swinging [3:17]
17:'Heroes' (Single Version) [3:35]
18:Sound And Vision [3:03]
19:Golden Years (Single Version) [3:27]
20:Wild Is The Wind (2010 Harry Maslin Mix) [5:58]
CD 3:
01:Fame [4:14]
02:Young Americans (2007 Tony Visconti Mix Single Edit) [3:13]
03:Diamond Dogs [5:56]
04:Rebel Rebel [4:28]
05:Sorrow [2:53]
06:Drive-In Saturday [4:29]
07:All The Young Dudes [3:08]
08:The Jean Genie (Original Single Mix) [4:05]
09:Moonage Daydream [4:40]
10:Ziggy Stardust [3:12]
11:Starman (Original Single Mix) [4:10]
12:Life On Mars? (2003 Ken Scott Mix) [3:49]
13:Oh! You Pretty Things [3:11]
14:Changes [3:33]
15:The Man Who Sold The World [3:56]
16:Space Oddity [5:12]
17:In The Heat Of The Morning [3:00]
18:Silly Boy Blue [3:54]
19:Can't Help Thinking About Me [2:46]
20:You've Got A Habit Of Leaving [2:32]
21:Liza Jane [2:18]
 
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