Gary Burton / Who Is Gary Burton?
Who Is Gary Burton? Spielzeit: 78:21
Medium: CD
Label: Essential Jazz Classics, 2014 (1960-1962)
Stil: Jazz


Review vom 21.02.2014


Wolfgang Giese
Who is Gary Burton? Nun diese Frage dürfte man sich heute nicht mehr stellen. Doch wir gehen zurück in das Jahr 1962, als diese Wissbegierde wohl noch angebracht war. Und die 'Entdeckung' sollte sich lohnen, entwickelte sich doch mit Gary Burton einer der richtunggebenden Vibrafonisten der modernen Jazzgeschichte. Nicht, dass er der erste gewesen wäre, denn mit diesem Instrument steht ein ganz anderer wichtiger Musiker in engem Zusammenhang. Die erste Aufnahme eines Vibraphons in einer Jazznummer machte im Jahre 1930 Lionel Hampton, der auch als Schlagzeuger aktiv war. Deshalb benutzte er das Instrument entsprechend perkussiv. Feiner und eleganter wurde es mit Milt Jackson, der zu seiner Spielweise ausführte: »Das Vibrato, das ich auf diesem Instrument erreichte, war dem Vibrato sehr ähnlich, das ich als Sänger in meiner Stimme hatte.«
Neben Bobby Hutcherson ist Gary Burton der wohl wichtigste Spieler im '4 Mallet style', also mit vier Klöppeln. Auf diesem Album aus dem Jahr 1962 ist Burton gerade einmal neunzehn Jahre alt und trägt bereits einen eigenen Stil vor. Nach "New Vibe Man In Town" war das sogar schon seine zweite Platte. Als Bonus ist unter anderem eine noch frühere, komplette Platte des eigentlich im Country-und Rockabilly-Bereich aktiv gewesenen Gitarristen Hank Garland beigefügt: "Subtle Swing" aus dem Jahr 1960 und Gary Burton war damals siebzehn!
"Storm" - ein eleganter 'Swinger' - kleidet das Vibrafonspiel in ein schönes Bläserarrangement mit einem sehr überzeugenden Solo von Phil Woods. Ein umwerfender Einstieg für den Neuling Burton. Und Morellos kurzer Einwurf erinnert unweigerlich an seinen längeren Auftritt auf "Take Five". Überhaupt ist der Schlagzeuger eine wichtige Stütze der Musik, immer dann, wenn es sich um nicht gerade herkömmliche und gängige Taktfolgen handelt - großartig und dabei ganz cool, der Mann! Der Protagonist selbst streut mit seinen Klöppeln perlende und fließende Passagen ein, ob solo oder im Bandverbund. Ganz lyrisch und romantisch klingt er hierbei auf "I've Just Seen Her" und anderen ruhigen Titeln. Dazu zählt auch der Klassiker "My Funny Valentine" mit einem sehr schönen Trompetensolo von Clark Terry.
Ganz anders und im Vergleich zu anderen Titeln etwas bizarr wirkend ist das den Hörer schon mehr fordernde "One Note" von Jaki Byard, das mit viel unbändiger Energie und Frische angeboten wird. Flanagan glänzt am Piano mit einem treibend emotionalem Solo, ebenso wie Burton, der hier mit seinem engagierten und ideenreichen Spiel zu neuen Ufern aufzubrechen scheint.
Die Stücke acht bis zwölf sind Teil einer Soloscheibe von Joe Morello. Hier hat man nur jene ausgewählt, die in dieser Quintettformation eingespielt wurden. Den Rest der Platte hatte man mit einer anderen, zwölfköpfigen Besetzung aufgenommen. Stilistisch passen diese fünf Songs gut zu den ersten Aufnahmen. Sie stammen aus dem Juni 1961 - schön auch, einmal eine weitere, unerwartet schnelle Version von "Summertime" zu hören.
Die Stücke dreizehn bis zweiundzwanzig beenden nun diese CD - hier ist die komplette Originalplatte verwendet worden. Als Freund guter Gitarrenklänge kann ich mich an Garlands interessantem Spiel erfreuen. Man merkt deutlich, dass er eigentlich nicht als Jazzgitarrist aktiv ist und so ergibt dieses eine ungewöhnliche Reibung im Spiel. Wobei merklich die dem Musiker eher eigenen Stilarten wie selbstverständlich in den Jazz mit einfließen. "Not For Me" - hier ist es sehr auffällig, dieser Titel könnte auch außerhalb dieses Genres bestehen in seiner balladesken Ausrichtung. Sehr gelungen ist das perfekte Zusammenspiel in den Melodien zwischen Gitarre und Vibrafon. Diese Einheit bildet den ganz besonderen Klang, in ruhigen Passagen erinnert mich das an alte Radiosendungen der frühen Sechziger mit Sendungen zum Tanztee. Das Kinderlied "Pop Goes The Weasel" swingt in dieser Version voll treibender Intensität - eine klasse Vorstellung, Burton hat es so arrangiert. Eine frühe Eigenkomposition von ihm, "Rainy Afternoon", besticht auch bereits durch eine eigenständige Note - eine Ballade in nicht so herkömmlicher Art. Das, was später noch folgen sollte, wird hier bereits angedeutet, wie auch im letzten Song, ebenfalls einem eigenen Stück.
WER Gary Burton ist, sollte spätestens nach dem Genuss dieser CD allen klar sein und dahingehend herausfordern, sich damit zu beschäftigen, was der Vibrafonist noch in Zukunft an herausragenden Platten veröffentlicht hat.
Line-up:
Gary Burton (vibraphone, xylophone - #16)
Clark Terry (trumpet - #1-7)
Phil Woods (alto saxophone - #1-12)
Bob Brookmeyer (valve trombone)
Chris Swansen (valve trombone - #1-7)
Tommy Flanagan (piano - #1-7)
John Neves (bass - #1-7)
Joe Morello (drums - #1-12)
John Bunch (piano - #8-12)
Gene Cherico (bass - #8-12)
Hank Garland (guitar - #13-22)
William Pursell (piano - #13-22)
Bob Moore (bass - #13-22)
Murray Harman (drums - #13-22)
Tracklist
01:Storm [Chris Swanson] (4:17)
02:I've Just Seen Her [Lee Adams, Charles Strouse] (4:18)
03:Fly Time Fly [Terry Gibbs] (4:28)
04:Conception [George Shearing] (4:01)
05:Get Away Blues [Swansen] (5:44)
06:My Funny Valentine [Lorenz Hart, Richard Rodgers] (5:26)
07:One Note [Jaki Byard) (4:52)
08:Time After Time [Styne, Cahn] (3:54)
09:Every Time [Martin, Blane] (2:52)
10:Summertime [Gershwin, Gershwin, Heyward] (4:02)
11:Mother Time [Woods] (4:03)
12:Just in Time [Comden, Green, Styne] (4:08)
13:(Tell Me)What Am I Do? [Kinn] (2:35)
14:Not For Me [Wynert] (2:40)
15:You're Here Again [Keller] (3:19)
16:Just For Tonight [Szpilzman] (2:03)
17:Pop Goes The Weasel [trad., arr. Burton] (2:10)
18:It's Love Of Course [Scott, Harris, Godfrey] (2:47)
19:Unless You're In Love [O'Connell, Jr.] (3:05)
20:Close Your Eyes [Olari, Nozyk] (2:12)
21:Rainy Afternoon [Burton]
22:Call D. Law [Burton] (2:31)
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