Climax Chicago Blues Band / A Lot Of Bottle
A Lot Of Bottle Spielzeit: 65:48
Medium: CD
Label: Chrysalis / Esoteric Records, 2013 (1970)
Stil: Blues Rock


Review vom 03.06.2013


Jürgen Hauß
Manchmal lohnt es sich auch in der heutigen Zeit noch, sich in klassischen Printmedien über das aktuelle Veröffentlichungsgeschehen der Plattenfirmen zu informieren. Dort kann man gesammelt Informationen nachlesen, die in elektronischen News-Feeds möglicherweise an einem vorbeigerauscht sind. So entdeckte ich in der aktuellen Ausgabe von Good Times, nach eigener Definition »DAS Magazin für die Musik der 60er, 70er und 80er Jahre«, die Information, dass das auf Wiederveröffentlichungen spezialisierte Label Esoteric Records (Sub-Label von Cherry Red Records) die ersten drei Alben der Climax Chicago Blues Band wiederveröffentlicht habe; natürlich »digitally remastered & expanded«. Es handelt sich dabei um die Alben "The Climax Chicago Blues Band", "Plays On" sowie "A Lot Of Bottle", wobei es das letztgenannte Album war, durch das ich im Jahre 1971 erstmalig auf die Band aufmerksam geworden war.
Auf einer Sommerfreizeit mit der Jugendgruppe meiner Kirchengemeinde im Fränkischen war ein Junge der Star, der neben Langspielplatten von den Doors auch und gerade dieses Album mit dabei hatte und damit den gemeindeeigenen Plattenspieler traktierte. War das Musik in meinen noch jungen Ohren! Bevor ich aber mich im Einzelnen zur Musik auslasse, möchte ich die Geschichte noch zu Ende erzählen. Nach den Ferien lieh ich mir die Scheibe aus, um sie auf mein Tonbandgerät zu überspielen, denn in den heimischen Plattenläden (andere Bezugsquellen gab es damals für mich nicht) konnte ich das Album nicht finden. Es handelte sich dabei um ein Philips-Mono-Tonbandgerät, auf dem ich aus Gründen der Sparsamkeit mit einer Bandgeschwindigkeit von 4,75 cm/Sekunde aufnahm. Wer sich heute noch daran erinnern kann, welche Tonqualität dabei heraus kam, hält die heutige Kastration von Musik durch mp3-Dateien selbst bei einer Klangqualität von 128 kBit/s für High Fidelity!
Es dauerte 15 Jahre (!), bis ich die Langspielplatte im Jahr 1986 in Paris in einem Plattenladen entdeckte und glücklich erwarb, und weitere fünf Jahre, bis ich die erste CD-Einspielung kaufen konnte. Diese enthielt schon sage und schreibe einen Bonustrack.
Da auf RockTimes außer einer Foto-Serie über die Band von einem Konzert im Jahr 2005 (immerhin noch mit dem mittlerweile verstorbenen Gründungsmitglied Colin Cooper) noch kein Beitrag vorliegt, muss ich etwas weiter ausholen: Die Climax Chicago Blues Band war eine im Jahr 1969 gegründete britische Blues Rock-Band, die auch heute noch aktiv ist. Allerdings hat sie sich nach Erscheinen der ersten drei Alben umbenannt in Climax Blues Band. Heute spielt sie zudem ohne ein einziges Original-Gründungsmitglied, aber immerhin. Ihre größten kommerziellen Erfolge feierte die Band in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit hat sie zahlreiche Umbesetzungen erfahren (eine sehr akribische Darstellung findet man auf der englisch-sprachigen Seite von Wikipedia). Insbesondere in den Anfangsjahren war der Musikstil nicht konstant auf den Blues Rock ausgerichtet. So wurden Boogie und Ragtime ebenso interpretiert wie Psychedelic Rock, Jazz und Latin und schließlich auf dem vorliegenden Album Elemente des damals so beliebten Prog Rock und Funk.
"A Lot Of Bottle" beginnt mit einem unverfänglichen kurzen, allein auf einer Akustikgitarre gespielten Instrumental namens "Country Hat", das ein wenig dahin plätschert, bevor sich mit nahezu brachialer Gewalt "Everyday" anschließt. Dumpfe, sich stets wiederholende Bassläufe prägen diesen Song. Mittlerweile hat die elektrische Gitarre die Führung übernommen, und bei "Reap What I've Sowed" scheint die Band ihre Stilrichtung gefunden zu haben; das ist klassischer Blues Rock auf eine durchaus raue Art. Entsprechend folgt "Brief Case", das im Mittelteil von einem längeren jazzig-angehauchten Saxofonsolo des bereits benannten Colin Cooper unterbrochen wird; das bringt eine gelungene Abwechslung.
Bei "Alright Blue" ersetzt eine dreckige Bluesharp den Gesang; auch hierfür zeichnet Colin Cooper verantwortlich. Drangehängt wurde noch ein Reprise von "Country Hat", dieses Mal allerdings auf einer elektrischen Gitarre eingespielt, wodurch eine gänzlich andere Atmosphäre geschaffen wird als beim Einsteiger. Und dann kommt - für mich - das 'Überstück' des vorliegenden Albums: "Seventh Son", bekanntermaßen aus der Feder von Willie Dixon. Wer das beinahe fröhlich und hell klingende Original im Ohr hat, reibt sich verwundert die Ohren bei der vorliegenden, eingangs nur mit dem Bass und ein wenig Percussion unterlegten Interpretation und dem dunklen Gesang. Nach knapp zwei Minuten ist der Gesang zu Ende, nicht jedoch der Song. Eingeleitet und nachfolgend begleitet durch den Einsatz der gesamten Band, schließt sich ein nahezu fünfminütiges Gitarrensolo an, das so herrlich über das Thema improvisiert und krachend über den Hörer hereinbricht.
Stilistisch ähnlich und ein wenig ins Psychedelische abdriftend geht es mit "Please Don't Help Me" und "Morning Noon And Night" weiter. "Long Lovin' Man" wirkt durch den vordergründigen Einsatz des Pianos eher wie ein Boogie, wobei bei diesem und dem vorherigen Song die hohe Stimmlage des Gesangs auffällt. Mit "Louisiana Blues" - komponiert angabegemäß von McKinley Morganfield, besser bekannt natürlich als Muddy Waters - kehrt die Band zum klassischen Blues zurück, dem man auch den ursprünglichen Schlusssong "Cut You Loose" zuordnen kann. Herrlich ist hier das doppelt eingespielte Saxofon, zeitlich leicht versetzt und jeweils auf den rechten bzw. linken Lautsprecher abgemischt, so dass das Ganze wie ein Saxofon-Duell klingt und das in sehr rockiger Art und Weise.
Bemerkenswert bei allen Nummern finde ich die hervorgehobene Position von Derek Hold am Bass. Er gibt nicht nur das musikalische Rückgrat, sondern verfolgt oftmals - wie für andere Lead-Instrumente üblich - eigenständige Melodiebögen.
Nach rund 44 Minuten - einer üblichen LP-Einspielung - war das Originalwerk leider schon zu Ende, doch die Leute von Esoteric Records haben noch knapp 22 Minuten Bonusmaterial drauf gepackt. Angekündigt wird das Willie Dixon-Stück "Spoonful", doch was hier zu hören ist, ist auf jeden Fall etwas grundlegend Anderes als der Song, den ich von Willie Dixon oder beispielsweise auch von Cream her kenne. Hier haben die Reissue-Experten offensichtlich etwas verwechselt. Zwar kommt es nach exakt fünf Minuten zu einem regelrechten 'Bruch' zu einem völlig anders klingenden Akustik-Instrumentaltitel. Dieser klingt auch ganz nett, gleichwohl aber nicht nach "Spoonful". Schade, denn gerade auf eine "Spoonful"-Interpretation der Climax Chicago Blues Band hatte ich mich sehr gefreut. Zumal die Band den Titel auch tatsächlich vielmals gespielt hat. So ist er bereits auf dem 1976er Reissue der LP "Tightly Knit" aus dem Jahre 1971 mit drauf.
Es folgen noch drei Live-Aufnahmen aus dem Jahre 1971: "Flight", eine sehr free-jazzige Darbietung eines Songs vom zweiten Album der Band "Plays On", das abschließende "Reap What I've Sowed" und dazwischen nochmals "Seventh Son", bei dem auffällt, dass die Live-Version deutlich kürzer ist als die Studio-Aufnahme, wobei im hinteren Teil erstmals die dritte Strophe des Liedes gesungen wird. Sämtliche Live-Aufnahmen klingen deutlich dumpfer als die Studio-Versionen; hier waren wohl alle Remastering-Versuche, einen transparenteren Klang zu produzieren, erfolglos. Sei's drum, dennoch sind sie ein schönes Zeitdokument.
Nebenbei sei erwähnt, dass Esoteric Records zwischenzeitlich neben den eingangs erwähnten drei Wiederveröffentlichung noch ein Live-Album aus dem Jahr 1973 herausgebracht hat. Zudem gibt es aktuell auf Repertoire Records noch eine Wiederveröffentlichung des Live-Albums "Blues From The Attic", ursprünglich aus dem Jahre 1993. Beide Live-CDs - insbesondere die jüngere - sind deutlich besser im Klang.
Wenn es etwas an dieser Neuveröffentlichung zu kritisieren gibt, dann die Tatsache, dass die drei eingangs genannten Alben jeweils einzeln veröffentlicht wurden und nicht - was durchaus nicht unüblich gewesen wäre - in einer gemeinsamen Box. So werden im üblichen Handel durchaus saftige Preise für jede einzelne CD verlangt. Dennoch sollte man bei Interesse an der Musik darauf verzichten, diese lediglich irgendwo (legal!) herunterzuladen. Abgesehen von damit sicherlich verbundenen Qualitätsverlusten verzichtet man damit insbesondere auf schön gestaltete Booklets mit aktuellen Liner Notes. Apropos Booklet: Die vorliegende Veröffentlichung vermeidet einen Fehler, der einer früheren Wiederveröffentlichung innewohnte. Die Band wird hier zutreffend Climax Chicago Blues Band benannt; eine frühere Wiederveröffentlichung des Albums erfolgte unter dem Namen Climax Blues Band; alleine diese Richtigstellung ist ein Sonderlob wert.
Line-up:
Colin Cooper (saxes, harmonica)
Peter Haycock (guitars)
Derek Holt (bass, vocals)
Humpty Farmer (keyboard)
Arthur Wood (keyboards)
George Ewart Newsome (drums)
Tracklist
01:Country Hat (1:57)
02:Everyday (2:25)
03:Reap What I've Sowed (4:46)
04:Brief Case (4:03)
05:Alright Blue'/Country Hat (Reprise) (4:16)
06:Seventh Son (6:51)
07:Please Don't Help Me (2:57)
08:Morning Noon And Night (2:36)
09:Long Lovin' Man (3:37)
10:Louisiana Blues (5:20)
11:Cut You Loose (5:24)
12:Spoonful (6:38)
13:Flight (7:08)
14:Seventh Son (4:20)
15:Reap What I've Sowed (3:40)
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