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Cochise / Rolltreppe Rückwärts
(Rare & Live 1979 - 1986)
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Mann, was sind wir lahm geworden! Oder alt? Einfach nur bequem und satt oder (und das ist die Höchststrafe für jedes intelligente Wesen) gleichgültig? Wenn man nur mal ca. 30 Jahre zurück denkt, an Wackersdorf, Mutlangen oder die Frankfurter Startbahn West… Deutschland ging auf die Straße und machte deutlich, dass man sich nicht mit der staatlichen Willkür oder dem vollkommenen Triumph der Kommerzialisierung über den Humanismus einverstanden erklärt. Es gab regelrechte Schlachten zwischen den Protestanten und der Polizei und auch musikalisch wurde scharf in Richtung Bundesregierung geschossen.
Nachdem Ton, Steine, Scherben die politische Bühne zirka Mitte der Siebziger weitestgehend verlassen hatte, war ab dem Jahr 1979 die Dortmunder Combo Cochise zur Stelle, um deren Rolle mehr oder weniger zu übernehmen. Cochise spielten nahezu überall, wo es brannte. In den neun Jahren ihrer Existenz unterstützten die Musiker Aktionen gegen die bereits oben genannten Brandstellen und spielten ebenso bei vielen weiteren politischen Veranstaltungen sowie Hausbesetzungen.
Sage und schreibe um die 1000 Konzerte absolvierte die Gruppe in der Zeit ihres Bestehens und fast noch beeindruckender ist, dass sie trotz vollkommener Medien-Ignoranz mehr als respektable 120.000 Tonträger an den Mann/die Frau bringen konnten. Selbstverständlich hatten die Gesetzeshüter in dieser Zeit ein besonderes Auge auf die Barden aus Westfalen geworfen und machten den Musikern das Leben, auch ohne ersichtlichen Grund, schwer. Eine Tatsache, von der sich die Band jedoch nicht irritieren ließ und ihr Ding unbeirrt durchzog.
Zum 30. Geburtstag der Bandgründung erschien nun bei Sireena Records das Album "Rolltreppe Rückwärts", das 13 rare bzw. Live-Tracks enthält. Etwa eine gute Handvoll, wie zum Beispiel "Das Anarchistenschwein", "Rolltreppe abwärts", "Gestern hamse den Wald gefegt", "Schnee zu Ostern", "Feuer" oder "Letzn Somma warn wa schwimn" gab es zuvor schon in anderen Versionen auf den regulären Studio-Alben zu hören.
Musikalisch bewegte sich die Band zwischen Singer/Songwriter und Deutsch Rock, während es zwischendurch auch gerne immer wieder mal in Richtung (Deutsch) Punk ausuferte. Erwähnenswert ist, dass das Songwriting von (hauptsächlich) Pit Budde qualitativ hochwertig ist und die meisten Nummern nicht nur super ins Ohr gehen, sondern bereits nach sehr wenigen Durchläufen dort auch hängen bleiben und man sich recht schnell gar beim Mitsingen ertappt.
Davon abgesehen ist der Song "Rolltreppe abwärts" deutlich von der Allman Brothers Band beeinflusst und Pit Budde, der Hauptsongwriter der Westfalen, war ohne Zweifel auch ein großer Neil Young-Fan. Nicht nur die Musik von "Morgengraun" stammt nämlich von dem Kanadier, sondern er wird textlich an anderer Stelle auch mit »…ich bin nur ein Träumer und du bist nur ein Traum…" ("…I am just a dreamer and you are just a dream…)« aus dem Young-Track "Like A Hurricane" wörtlich zitiert.
Es ist schlicht und ergreifend unmöglich, die Musik von Cochise getrennt von ihren Texten zu sehen. Die sind sehr politisch und deshalb unweigerlich von der Aktualität her auch auf die Ära gemünzt, in der sie entstanden sind. Und dennoch: Einige Songs, wie zum Beispiel "Im Laufe der Woche", sind mit ihren sozialkritischen Statements so aktuell wie eh und je. Eines der raren Liebeslieder von Cochise hört hingegen auf den Namen "Feuer" und ein weiteres dieser Gattung, sehr punkig und von Bassistin/Flötistin Klara Brandi gesanglich veredelt, ist die Nummer "Du ganz allein".
"Rolltreppe Rückwärts" ist nicht nur eine Zeitreise der besonderen Art, sondern auch eine tolle Ergänzung für die eventuell bereits vorhandene Cochise-Sammlung. Der Sound ist (aufgrund der vielen verschiedenen Quellen) selbstverständlich wechselhaft, aber zu keinem Punkt qualitativ minderwertig, oder gar mies. Sicherlich muss man sich von den doch recht links-politischen Texten angesprochen fühlen, aber wenn dem so ist, dann wird man mit "Rolltreppe Rückwärts" bestens bedient.
Line-up:
Klara Brandi (Bass, Gesang, Flöte) Pit Budde (Gitarre, Gesang) Dorle Ferber (Geige, Gesang) Günter Holtmann (Gitarre, Bass, Gesang) Andreas Held (Schlagzeug) Eckard Freund (Bass, Gitarre) Uwe Bruchhäuser (Keyboards, Gesang) Tom Kühn (Schlagzeug) Martin Buschmann (Keyboards, Saxophon, Gesang) Michael Hager (Oboe) Gert Rickmann-Wunderlich (Schlagzeug) Peter Freiberg (Schlagzeug, Gesang)
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