Continental Drifters / Nineteen Ninety-Three
Nineteen Ninety-Three
Fans der Continental Drifters müssen etwas umdenken. Hier kommt die neue Platte, die gleichzeitig ihre älteste ist. Wie das? Als die Band, noch ohne Susan Cowsill und der ex-Bangles-Sängerin Vicki Peterson, sich Ende 1991 gründete und in Los Angeles ansässig war, spielte sie reinen Roots-Rock und hatte im "Raji's Club" sowas wie eine ständige Aufführungsgelegenheit.
Nachdem Peter Holsapple Vicki Peterson heiratete und Susan auch noch als Sängerin dazukam, nahm die Musik der Continental Drifters eine etwas (oder doch stärkere?) andere Ausrichtung. Die meisten siedelten nach New Orleans um (nicht alle machten diesen Schritt und stiegen zumindest zeitweise aus), und fischten fortan mehr mehr im Roots-Pop Bereich. Ich persönlich fand die CDs alle etwas fade. Wahrlich nicht schlecht, aber vom Hocker gehauen haben sie mich auch nicht.
Nun also wird nach ziemlich genau 10 Jahren die Platte, die in L.A. 1993 in ursprünglicher Besetzung eingespielt und nie veröffentlicht wurde, nachgereicht. Ursprünglich, ja das trifft auch auf die Musik zu. Roots/Americana-Stoff vom Feinsten, ob das von vertrackten Rhythmen lebende "The Mississippi", das hinreißende "Dallas" (was für eine geile Stimme, was für ein geiler Refrain, - was für ein Song!), oder auch das schon vom späteren "Debüt" bekannte "Invisible Boyfriend", das hier soviel zwingender rüberkommt - das hier ist der echte, man möchte sagen unverfälschte Stoff. Mal countrylastig, mal rockig, mal balladesk, die konnten - "Nineteen Ninety-Three" - ja alles!
Das Songwriting, die Arrangements, die Atmosphäre, die Instrumentierung - es gibt keinen Schwachpunkt. Bemerkenswert die stimmliche Ausdrucksstärke, man hatte ja gleich drei gleichwertig gute Lead-Sänger. Auch in dieser Hinsicht konnte die Band aus dem vollen schöpfen. Das ganze Alt. Country/Roots-Spektrum wird so lässig wie perfekt vor dem Zuhörer ausgebreitet, es entsteht keinen Moment Langeweile, im Gegenteil: Wenn das Werk durchgelaufen ist, drückt irgendeine Geisterhand auf die Repeat-Taste.
Die Produktion ist erstklassig, der Klang gekonnt warm gehalten, wie es sich für Musik dieser Stilrichtung gehört. Das 10-seitige Booklet ist, wie bei "Blue Rose" gewohnt, sehr aufwendig und erzählt die Geschichte der Platte und der Situation der Band in dieser Phase aus Sicht der damaligen Mitglieder. Eine absolut runde, gelungende und empfehlenswerte Sache!
Roots-Fans - zugreifen!
Spielzeit: 53:54, Medium: CD, Blue Rose Records, 2003
1:The Mississippi 2:Dallas 3:Side Steppin' the fire 4:Invisible Boyfriend 5:Here I am 6:Match made in Heaven 7:No one cares 8:Mr. Everything 9:I didn't want to lie 10:Karen A. 11:Green 12:New York 13:Let it ride
Manni Hüther, 04.06.2003