Gene Clark / No Other
No Other Spielzeit: 74:56
Medium: CD
Label: Warner Music Group, 2003 (1974)
Stil: Country Rock


Review vom 06.12.2007


Markus Kerren
Eine unbestrittene Tatsache dürfte wohl sein, dass Gene Clark eine der tragischen Figuren in der Rockgeschichte war. Der Mitbegründer und ursprüngliche Frontmann der Byrds war nicht nur deren bester Sänger, sondern (wenn man sich die ersten beiden Alben "Mr.Tambourine Man" und "Turn Turn Turn" mal genauer ansieht und -hört) auch der beste Songwriter der Band. Dazu ein bodenständiger und ruhiger, fast verschlossener junger Mann. Die komplette Antithese also zu Roger (damals noch Jim) McGuinn und David Crosby, mit deren gruppeninternen Intrigen und Machtspielchen er so überhaupt nichts anfangen konnte, was ihn oft zum Opfer der beiden werden ließ.
Dies, gepaart mit starker Flugangst, weiteren inneren Dämonen und der seit seiner Jugendzeit bestehenden Alkoholabhängigkeit veranlassten ihn dazu, die Band kurz vor einer Tour zu verlassen. Es folgte ein Album mit den Gosdin Brothers, zwei sehr zu empfehlende Alben mit Doug Dillard unter dem Banner Dillard & Clark und im Jahr 1971 schließlich sein Solo-Debüt "Gene Clark (White Light)". Künstlerisch gesehen waren das alles hervorragende Geschichten, nur leider interessierte sich kaum jemand dafür.
Mit "Roadmaster" (1972) folgte ein weiteres (damals nur in den USA veröffentlichtes) Werk, bis uns das Jahr 1973 schließlich die Reunion aller Byrds-Originalmitglieder und ein enttäuschendes Album ("The Byrds") brachte, auf dem die beiden Clark-Songs bezeichnenderweise die Höhepunkte waren. Die Kritiken waren gelinde gesagt lau und die Truppe löste sich sang- und klanglos wieder auf, ohne auch nur einmal wieder gemeinsam auf der Bühne gestanden zu haben.
Dennoch wurde Gene Clark ein Vertrag von Asylum Records angeboten und er machte sich an die Aufnahmen zu seinem nächsten Album, das auf den Namen "No Other" getauft werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt bereits vollkommen desillusioniert was seine Karriere betraf, warf er hier aber nochmal alles in eine Waagschale. Heraus kam ein Klassiker, bei dem man eigentlich fast nichts mehr hätte besser machen können und der nach 33 Jahren auch heute noch so fantastisch und frisch klingt wie damals.
Mit einem für die Früh- und Mittsiebziger so typischen Country Rock-Song startet "No Other" mit flottem Tempo. Was den Opener "Life's Greatest Fool" aber außergewöhnlich macht, sind die tollen Melodien, die versammelten Studio-Asse L.A.'s, Gene Clarks sehr emotionaler und dominierender Gesang, sowie die im Refrain hinzukommenden Background Vocals von Cindy Bullens, Claudia Lennear (Ex-Joe Cocker) und Ronnie Barron, die dem Stück einen kräftigen Gospel-Anstrich verpassen. Aber auch dezente psychedelische Einflüsse wurden für die LP verarbeitet, wie man zum Beispiel bei "Silver Raven" und dem Titelsong feststellen kann. Gerade beim Letztgenannten bauen neben einer schwerelos erscheinenden Gitarre, besonders das E-Piano und Joe Lalas Percussions eine dichte und dennoch abgehobene Atmosphäre auf, über der Gene Clarks Stimme thront.
Wie es sich für einen echten Klassiker gehört, ist auf diesem Album jeder einzelne Titel ein Kunstwerk für sich. Gegenüber dem "White Light"-Longplayer wurde hier fast schon pompös von Thomas Jefferson Kaye produziert, immer und immer wieder noch ein Instrument addiert. Dennoch wirkt "No Other" eigentlich nie überladen, sondern gibt dem Hörer vielmehr ein ums andere Mal wieder die Chance, neue Kleinigkeiten für sich zu entdecken.
Textlich war Clark damals sehr poetisch zu Gange. Die Schönheit der Lyrics, die meist nachdenklich ("Life's Greatest Fool", "The True One"), traurig ("No Other") oder gar tragisch ("From A Silver Phial", "Some Misunderstanding") sind, rundet das Bild vollends ab und der Protagonist brilliert bei allen Stimmungen mit Vocals, die vor Feeling nur so bersten.
Mir fällt es sehr schwer, hier einzelne Songs besonders hervorzuheben, muss aber gestehen, dass "Lady Of The North" schon immer einen ganz großen Platz in meinem Herzen eingenommen hat, da es einfach nur phänomenal gesungen ist. Mit diesem Sammelsurium aus wunderschönen Songs, einer Mischung aus Country Rock, Psychedelic und dem Soul/Gospel hat Gene Clark ein Meisterstück und das Album seines Lebens abgeliefert. Ein Songzyklus, so stimmig in sich selbst als auch genial, wie er einem Künstler oft nur ein einziges Mal in seiner Karriere gelingt (andere Beispiele hierzu: Die (gewissermaßen 'ungefilterten') Rolling Stones mit "Exile On Main Street" oder
Eric (Derek & The Dominoes) Clapton mit "Layla And Other Assorted Love Songs").
Auf der mir vorliegenden, remasterten Ausgabe der CD aus dem Jahr 2003 sind neben den acht Songs des Original-Albums noch sieben Bonus-Tracks vertreten. Zum einen das Outtake "Train Leaves Here This Morning" in Neueinspielung, das im Original auf "The Fantastic Expeditions Of Dillard & Clark" erschien, sowie sechs der Albumsongs als 'Work In Progress', sprich musikalisch fast nur mit dem Grundgerüst ausgestattet und ohne Background Vocals. Sehr interessant ist, dass sich die Titel in diesen Versionen zwar anders und natürlich mehr basisorientiert anhören, aber deswegen keineswegs ihre Klasse, noch ihren Zauber und Charme verlieren. Qualität setzt sich eben immer durch, egal wie viele Instrumente bei einer Aufnahme involviert sind!
Alle beteiligten Parteien sowie die Presse waren vom Ergebnis begeistert. Dann kam aber die schwierige Charakter-Seite Gene Clarks wieder zum Vorschein. Er weigerte sich nicht nur Promotion für "No Other" zu machen, sondern boykottierte seinen ganzen Stolz u.a. damit, nicht im geringsten auch nur an eine Tour zu denken, die den Longplayer unterstützt hätte. Was heute nicht funktioniert, klappte damals im computerlosen Zeitalter erst Recht nicht. Gene Clarks bedeutendstes Werk blieb wie Blei in den Regalen liegen und floppte katastrophal, während die Massen damit beschäftigt waren, sich die wesentlich leichtfüßigeren und oberflächlicheren Platten (obwohl, nix gegen "Desperado") der Eagles gleich mehrfach in den Schrank zu stellen.
Gene Clark hat sich vom Misserfolg dieses Albums und seiner Enttäuschung darüber nie, zumindest künstlerisch nicht mehr erholt. In dem auf "No Other" enthaltenen Track "Some Misunderstanding" singt er die Zeile »... but doesn't it feel good to be alive?«
Tragischerweise verneinte er diese Frage für sich selbst Anfang des Jahres 1991 und setzte seinem Leben freiwillig ein Ende.
Gene Clark hat dennoch, nicht nur mit diesem Album, ein sehr reichhaltiges Vermächtnis hinterlassen. "No Other" ist eine Platte für die Insel, ein Longplayer für die Ewigkeit! Und ich nehme diese Gelegenheit gerne einmal wahr, um mich vor dem Maestro zu verbeugen und mit Überzeugung zu sagen: »Indeed, Gene, there's NO OTHER like you!!«
Rest in peace, Gene! Wir vermissen dich!!
Tracklist
01:Life's Greatest Fool
02:Silver Raven
03:No Other
04:Strength Of Strings
05:From A Silver Phial
06:Some Misunderstanding
07:The True One
08:Lady Of The North
09:Train Leaves Here This Morning
10:Life's Greatest Fool (Alternate Version)
11:Silver Raven (Alternate Version)
12:No Other (Alternate Version)
13:Some Misunderstanding (Alternate Version)
14:From A Silver Phial (Alternate Version)
15:Lady Of The North (Alternate Version)
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