Joe Cocker / Cry Me A River
Live At Rockpalast
Cry Me A River - Live At Rockpalast Spielzeit: 129 Minuten
Medium: DVD
Technische Daten:
Sound: Dolby Surround 5.1
Bild: 4:3 Screen Format
Sprache: Englisch
Region Code: 0
FSK: Ohne Altersbeschränkung
Label: Eagle Vision, 2008 (1980)
Stil: Classic Rock


Review vom 16.09.2008


Markus Kerren
Wenn man es mal genau betrachtet, dann waren die Siebziger persönlich kein wirklich gutes Jahrzehnt für Joe Cocker. Nach zwei sehr starken Alben zum Ausklang der sechziger Jahre ("With A Little Help From My Friends" und "Joe Cocker!") war der Anfang vom Ende die "Mad Dogs & Englishmen"-Tour, zu der er von Managern und der Plattenfirma gezwungen wurde, obwohl er von einer gerade erst abgeschlossenen Tour körperlich bereits total am Ende war. Diese "Mad Dogs & Englishmen"-Tour warf zwar ein grandioses Live-Album und einen hochinteressanten wie musikalisch und historisch wertvollen Film ab, ließ den guten Joe am Ende aber vollkommen pleite und am Ende seiner Kräfte auf dem Fußboden vor der Haustür von Rita Coolidge (für die
Leon Russell den Song "Delta Lady" komponiert hatte) zurück.
Im Studio lieferte er für den Rest des Jahrzehnts zwar immer noch sehr starke Arbeit (als Höhepunkte sind sicherlich die Alben "Something To Say" und "Stingray" zu nennen) ab, aber den Joe Cocker-Konzertbesuchern der damaligen Zeit konnte nicht verborgen bleiben, dass der gute Joe am Abgrund taumelte, sich gewissermaßen zwischen Himmel und Hölle befand. Der einzige Grund, der ihn am Leben hielt, schien zu sein, dass er noch nicht wusste, in welche Richtung (zu den Engelchen oder Teufelchen?) er sich orientieren sollte. Eine sehr bekannte farbige Pop-Sängerin berichtete später traurig von einem Cocker-Konzert, bei dem sie ca. 1975 zugegen war, währenddessen der Sänger sich beim zweiten Song auf der Bühne übergeben musste und während des fünften Songs in den Backstage-Bereich getragen werden musste. Aus, die Maus!
Erst sehr spät, quasi gegen Ende dieses Jahrzehnts kam Joe Cocker (eher mühsam) wieder etwas auf die Beine, ohne sich jedoch wirklich von seinen Dämonen befreit zu haben. Schließlich ließ sich Peter Rüchel, einer der 'Macher' des WDR-Rockpalastes bei einem Konzert Cockers in Düsseldorf im Jahr 1979 blicken und war so angetan von der Intensität des Sängers, dass er ihn auf der Stelle für einen Rockpalast-Auftritt verpflichtete. Dieses Konzert fand dann am 31. Oktober 1980 im Berliner Metropol statt, wobei wir bei der vorliegenden DVD angekommen wären, die das komplette Konzert ungeschnitten repräsentiert.
Ganz der Bluesman lässt Cocker erstmal die Band (inklusive drei Background-Sängerinnen) loslegen, bevor der dann selbst auf der Bühne… äh … auftaucht und den Opener "Cry Me A River" zu Ende singt… oder ringt? Es folgen Songs, die ihn durch seine komplette Karriere führten und auch neue Stücke, die er entweder nie oder später für sein Comeback-Album ("Sheffield Steel", 1982) aufnahm.
Cocker bringt die Songs des Abends mit einer selten gesehenen bzw. gehörten Intensität, was neben seinem Gesang auch viele Großaufnahmen seiner Mimik unter Beweis stellen. Sobald aber ein Instrumental-Teil oder ein Solo im Gange ist, wirkt der in Sheffield geborene Engländer versteinert, verwirrt bzw. sogar fast wie ein Fremdpunkt auf der Bühne, der nur in seiner körperlichen Hülle anwesend ist. Nein, Joe Cocker hatte wirklich überhaupt keinen Bock auf Show, was man auch schön in der Szene erkennen kann, als sich Gitarrist Cliff Goodwin bei einem Solo in Richtung seines Sängers bewegt, um den Leuten auch visuell etwas mehr zu bieten, Cocker sich jedoch umgehend mit fast angewidertem Blick von ihm abwendet.
So seltsam der Gemütszustand des Vokalisten auch anmuten mag, das Konzert an sich ist ergreifend, mitreißend und sehr emotional. Man hat schlicht und ergreifend das Gefühl, als sänge der Mann hier um sein nacktes Leben. Sehr stark kommen die Tracks "Fun Time", "Watching The River Flow" und "I Can't Say No" von Cockers damals aktuellem Album ("Luxury You Can Afford", 1978), während "A Whiter Shade Of Pale" vom selben Werk etwas abfällt und nicht an die Originalversion von Procol Harum heranreichen kann. Dann hatte er mit "So Blue" und "Sweet Forgiveness" zwei Titel am Start, die wohl weder lange vor dieser Zeit, noch danach in seiner Setlist auftauchten, zumindest aber einen interessanten Bonus für die Fans des Meisters darstellen.
Und schließlich hatte er natürlich auch noch seine alten, großen Hits wie "Feelin' Alright", "Delta Lady", "You Are So Beautiful", "The Letter" oder "With A Little Help From My Friends" am Start. Alle dargebracht von einem mental angeschlagenen, ja fast zerbrechlich wirkenden Cocker. Seine Stimme setzt hier und da auch mal aus, was aber nur zu der sowieso schon hochintensiven Atmosphäre beiträgt und heutzutage fast schon zu einem Stilmittel des Unverwüstlichen geworden ist. Man kann eigentlich nicht oft genug erwähnen, was für eine tolle Sache es ist, dass man das komplette Konzert auf dieser DVD belassen hat, ohne unschönere Momente oder gar ganze Songs herauszuschneiden.
Zeitsprung zu den Bonus-Titeln und somit Cockers zweitem Rockpalast-Auftritt am 20. August 1983 beim Open Air auf der Loreley. Hier hat man dann das überwältigende Gefühl, es geradezu mit einem völlig neuen Menschen zu tun zu haben. Cocker tänzelt zu den Songs, sieht frisch aus, spielt auch mal ein Tambourine, spricht mit dem Publikum und ein paar mal sieht man sogar ein Lächeln bei ihm aufblitzen. Von diesem Auftritt gibt es auch noch mal acht Tracks, wobei man beim Zusammenstellen der DVD wohl darauf aus war, bis auf eine Ausnahme ("You Are So Beautiful") keine Song-Überschneidungen zuzulassen. Eine schöne Ergänzung zu dem Berliner Konzert und auch eine Erleichterung, dass es dem Menschen Cocker im Jahr 1983 ganz offensichtlich wieder wesentlich besser ging.
"Cry Me A River" ist als Konzertfilm die ideale Ergänzung zu "Mad Dogs & Englishmen" und eine tolle Momentaufnahme davon, wo Joe Cocker im Jahre 1980 stand. Ich kann diese DVD, die mit mehr als zwei Stunden Spielzeit auch 'value for money' bietet, nur empfehlen, denn hier ist der Engländer noch weit entfernt von seiner poppigeren Phase und wohl so intensiv, wie selten danach wieder.
Tracklist
Metropol (Berlin), 1980:
01:Intro
02:Cry Me A River
03:I Can't Say No
04:Feelin' Alright
05:Look What You've Done
06:Put Out The Light
07:A Whiter Shade Of Pale
08:Delta Lady
09:So Blue
10:Fun Time
11:Just Like Always
12:The Jealous Kind
13:Hitchcock Railway
14:Watching The River Flow
15:Sweet Forgiveness
16:You Are So Beautiful
17:With A Little Help From My Friends
18:Wasted Years
19:I Heard It through The Grapevine
20:The Letter
21:High Time We Went
Loreley, 1983:
22:A Girl Like You
23:Inner City Blues
24:Don't Talk To Me
25:Many Rivers To Cross
26:Threw It Away
27:Seven Days
28:You Are So Beautiful
29:The Moon's A Harsh Mistress
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