Bob Dylan / Dylan & The Dead
Dylan & The Dead Spielzeit: 44:03
Medium: CD
Label: Columbia Records (Sony Music), 2009 (1989)
Stil: Classic Rock


Review vom 28.05.2009


Markus Kerren
Na also, das wurde aber auch Zeit! Neben dem Debüt-Album (1962) und "The Basement Tapes" (eingespielt 1967, veröffentlicht 1975) mit seiner Lieblings-Truppe The Band war die Live-Scheibe "Dylan & The Dead" nämlich eines der drei offiziellen Alben, die mir von dem mittlerweile 68-jährigen Song-Schmied Bob Dylan noch nie vors Ohr kamen. Und was hat dieses Werk für eine fürchterliche Reputation!! Selten habe ich die Freunde des Meisters so negativ über eine Scheibe urteilen gehört, wie bei dieser. Gerade mal "Self Portrait" (1970) und die plakativ christlichen "Slow Train Comin'" (1979) sowie "Saved" (1980) erfuhren und -fahren ähnliche Abneigung.
Nun wissen ja die RockTimes-Freunde, die sich etwas näher mit dem Mann aus Minnesota (im hohen Norden der USA, direkt an der Grenze zu Kanada) auseinandergesetzt haben, dass die achtziger Jahre trotz der respektablen und phasenweise starken "Shot Of Love" (1981) und "Infidels" (1983) sowie des sehr guten "Oh Mercy" (1989) nicht sehr gut zu Mr. Zimmerman waren. Außerdem hat unser Protagonist zumindest zum Ende eines jeden Jahrzehnts eine Indentitäts-Krise, bzw. beschließt, sich wieder neu erfinden zu müssen. Was im schlimmsten Fall dann, weniger im Studio, sondern viel mehr auf der Bühne zu katastrophenartigen Situationen führen kann.
Mein erstes Dylan-Konzert fand ca. 1991/92 in Stuttgart statt und ich war total gespannt. Bob kam schließlich auf die Bühne gewackelt, die Band legte los und er versuchte sich an der Harmonika, was er aber nach ca. 30 Sekunden mit verkniffenem Gesichtsausdruck wieder abbrach und zum Piano schlenderte, um über die Tasten in den Gig, bzw. den Song zu finden. Auch dieses Vorhaben brach er jedoch nach etwa der gleichen Zeitspanne wieder ab und hing sich schließlich eine Akustik-Gitarre um, bei der er dann erstmal auch blieb. Ein bezeichnender Start für ein Konzert, das mich damals nahezu im Schock-Zustand zurückließ.
Sämtliche Tracks dieser Nacht wurden zerstückelt und in ihre Einzelteile zerlegt, was sogar so weit ging, dass ich außer einem merkwürdigen "Mr. Tambourine Man" und einem äußerst sonderbaren "All Along The Watchtower" keinen einzigen weiteren Song erkannte. Dylan wirkte dazu vollkommen desorientiert und schien sich zeitweise nicht mal bewusst zu sein, dass er gerade auf einer Bühne vor Publikum stand. Ein ziemlich trauriger Abend war das damals. Soviel aber nur mal dazu, wie es unter Umständen bei einem Dylan-Konzert laufen kann.
Auf jeden Fall hatte irgend jemand in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre die großartige Idee, unseren Protagonisten mit The Grateful Dead als Begleit-Band auf eine Konzert-Reise durch die USA zu schicken, die dann im Sommer 1987 auch stattfand. Wobei wir bei der hier zu besprechenden CD angekommen wären. Sieht auf Papier natürlich super aus, aber die Realität ist dann leider doch eine ganz andere. Irgendwie stimmt hier nämlich sehr vieles nicht. Das fängt damit an, dass die Dead ihren typisch swingenden, rollenden Sound abliefern, der aber nicht richtig abheben will und mehr oder weniger vor sich hin plätschert. Und Dylan hat immense Schwierigkeiten damit, sich zu entscheiden, auf welche Weise er seinen Gesang einbringen will. Das Dilemma ist, dass er nicht mit sich eins wird und die Vocals so völlig verloren durch die Songs geistern.
Der nächste Schwachpunkt ist die Song-Auswahl. Ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass kaum jemand die 257. Version von Tracks wie "Knockin' On Heaven's Door" und "All Along The Watchtower" braucht. Okay, es hätte eventuell interessant sein können, wenn die Stücke in irgendeiner besonderen Form bzw. wenigstens überzeugend gebracht worden wären. Aber so…?? Dazu kommen mit "Gotta Serve Somebody" und dem gleichnamigen Titel-Track zwei Stücke des umstrittenen Albums "Slow Train Comin'", ein relativ langweiliges "Queen Jane Approximately" und "Joey" vom Album "Desire". Der Abschuss ist allerdings ein furchtbares "I Want You", bei dem Dylan fast zur Selbst-Parodie verkommt.
Nein, da passt wirklich sehr viel nicht zusammen! Heutzutage wissen wir zwar, dass sowohl Bob Dylan wie auch The Grateful Dead (obwohl sie nur wenige Monate später ihr großes Comeback-Album In The Dark veröffentlichen sollten) nicht unbedingt ihre beste Zeit hatten. Wenn man die wenigen Pluspunkte zusammen zählt, dann findet man zumindest ein paar richtig gute Momente der Rhythmus-Fraktion um Bassist Phil Lesh und die Schlagzeuger Bill Kreutzman und Mickey Hart sowie hier und da mal eine richtig starke Solo-Gitarre von (vermutlich) Jerry Garcia oder (eventuell auch) Bob Weir.
Schlussendlich muss ich also leider zugeben, dass die vielen Unkenrufe zu dieser Live-Scheibe ihre Berechtigung hatten, selbst wenn diese dann doch noch wesentlich dramatischer waren, als es der Silberling letztendlich ist. Aber gut ist er wirklich nicht. Zumindest wenn sich sowohl Dylan wie auch die Dead an ihrer eigenen Vergangenheit messen lassen müssen. Und ganz ehrlich, wenn die hier enthaltenen Aufnahmen zu den besten der gesamten Tour gehören, dann bin ich verdammt froh, keine der eher schlechteren Shows gesehen haben zu müssen.
Und ist es eigentlich Zufall, dass Bob Dylan seither keine einzige aktuelle Live-Scheibe mehr veröffentlicht hat? Keine Frage, "Dylan & The Dead" kann gegen Before The Flood, "Hard Rain", "Live At Budokan" oder selbst die Konzert-Scheibe aus den frühen Achtzigern mit Mick Taylor an der Gitarre in keinster Weise anstinken. Dabei sah es auf Papier so gut aus. Aber wie wir ja wissen, ist Papier auch sehr geduldig…
Line-up:
Bob Dylan (vocals, guitars)
Jerry Garcia (lead guitars)
Mickey Hart (drums & percussion)
Bill Kreutzman (drums & percussion)
Phil Lesh (bass)
Bob Weir (lead- & rhythm guitars)
Brent Mydland (keyboards)
Tracklist
01:Slow Train Coming
02:I Want You
03:Gotta Serve Somebody
04:Queen Jane Approximately
05:Joey
06:All Along The Watchtower
07:Knockin' On Heaven's Door
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