Deep Purple / Original Album Classics
 Original Album Classics Spielzeit: 46:51 (CD 1), 49:26 (CD 2), 62:21 (CD 3)
Medium: CD-Box
Label: Sony Music, 2011 (1990-1996)
Stil: Hard Rock


Review vom 25.10.2011


Holger Ott
Da die Fans von Deep Purple bis zum Sommer 2012 auf ein neues Studioalbum warten müssen, versorgt uns die Plattenfirma Sony Music rechtzeitig zum Weihnachtsfest mit einer 3-CD-Box aus der Serie "Original Album Classics". Darin enthalten sind die Studio-CDs der Jahre 1990 bis 1996, also nicht gerade aus der Glanzzeit der Band mit den Titeln "Slaves And Masters", "The Battle Rages On" und "Purpendicular". Nach mehr als fünfzehn Jahren, seit dem Erscheinen der oben genannten Tonkonserven, werde ich meine Sinnesorgane über die CD-Box schweifen lassen, obwohl mir die Scheiben hinlänglich bekannt sind.
Beschäftigen wir uns zuerst mit dem "Slaves And Masters" Album von 1990. Zugeordnet wird es unter den Fans von Deep Purple der sogenannten Mark V Besetzung, in der Sänger
Joe Lynn Turner die wesentlichste Rolle spielt. Angeheuert für den plötzlich ausgeschiedenen Ian Gillan, der wieder einmal im Streit mit Blackmore die Band verlassen hat, wird Turner von den Fans nur als Notnagel angesehen. Seine Stimme ist leider nicht so ausdrucksstark wie die von Gillan und reicht auch bei Weitem nicht an David Coverdale heran, der ja bekanntlich sein Können ebenfalls für einige Jahre zum Besten geben durfte. Relikt dieser Epoche ist das Album "Slaves And Masters", das durch den Titel vermuten lässt, dass es sich darauf um Songs aus der zweiten Reihe handelt. Würden Jon Lord und Ritchie Blackmore nicht in den meisten Songs mit ihrer Genialität und ihrem unverkennbaren Spiel glänzen, hätte die Scheibe eine Glatte 6- und einen Eintrag ins Klassenbuch verdient. Selbst Drummer und Gründungsmitglied Ian Paice scheint beim Spielen gedanklich mehr in der guten alten Zeit zu schwelgen, ist sein Trommeln einfach nur langweilig, und das über die ganze Scheibe. Bei objektivem Betrachten sind alle drei CDs der Box nur gut, um die Lücke in einer Sammlerreihe zu füllen. Da es in der Box noch nicht einmal ein informatives Booklet gibt, ist sie bestens dazu geeignet, um einem eingefleischten Deep Purple-Fan zu Weihnachten eine kleine Aufmerksamkeit zu machen und ihn damit zu ärgern.
Schon der Opener "King Of Dreams" klingt wie alles andere, nur nicht wie die Kultband der 70er Jahre. Zum Glück holt Blackmore zum Ende des Songs mit seiner Gitarre alles raus und rettet das Stück. Die gleiche Aufgabe hat im folgenden Titel "The Cut Runs Deep" Jon Lord mit seiner Hammond-Orgel. Back to the Roots geht es auf "Fire In The Basement", bei dem sich die Band anhört wie zu Beginn ihrer Laufbahn. Getragen vom Klang der 70er weckt das Stück wenigstens einige schöne Erinnerungen. Endlich richtig groovend geht die Post bei "Truth Hurts" ab. Paice legt sich zum ersten und leider einzigen Mal richtig ins Zeug und treibt seine Leute nach vorne. Lediglich Joe Lynn Turner bleibt dabei stimmlich auf der Strecke. Zu weich ist sein Organ und will nicht so recht dazu passen. Nach diesem letzten Aufbäumen geht es von nun an nur noch bergab. Der Rest der CD ist langweilig und ich erspare mir, weiter darauf einzugehen und halte meinen Unmut im Zaum. Ab und zu wird bei Live-Auftritten von Deep Purple als Auszug aus der CD "Slaves And Masters" das Stück "Love Conquers All" gespielt, welches weit im Klassikbereich angesiedelt ist und ein Filetstück für Jon Lord darstellt. Dessen Nachfolger Don Airey versucht sich gelegentlich ebenfalls an dem Stück und beide zogen und ziehen bei den Shows damit das Feeling einer Rockband völlig in den Keller.
Fazit der CD bzw. dieses Teils der 3-CD-Box ist: abhaken, ins Regal einsortieren und vielleicht mal nach zwanzig Jahren wieder herausholen. Aber ich gebe mich nicht geschlagen und möchte noch ein paar Worte über "The Battle Rages On" und "Purpendicular" zu verlieren. "The Battle Rages On" ist dem Titel zufolge eindeutig auf den permanenten Machtkampf zwischen Gillan und Blackmore ausgelegt und der letzte Versuch einer musikalischen Zusammenarbeit. Die CD klingt frischer als ihr Vorgänger. Ian Paice spielt wieder seine typischen kurzen Wirbel und man merkt sofort, dass er bei der Sache ist. Keine Schlaftablettenmusik und einige Stücke, wie z.B. "Anya", knüpfen an vergangene Höhenflüge an. Blackmore hält sich in fast allen Stücken auffällig zurück und überlässt Gillan und Lord eindeutig das Feld. Man hat das Gefühl, dass die Band wieder da ist, obwohl Statistiken das Gegenteil beweisen. Die Chartplatzierungen belegen, dass durch die ständigen Besetzungswechsel die Luft aus der Band raus ist. Mangelndes Interesse der Fans an Live-Konzerten beweist diese Vermutung und die Wege von Gillan und Blackmore trennen sich zu letzten Mal und ein Kapitel der Musikgeschichte wird geschlossen. Mindestens ein gleichwertiger Ersatz muss schnellstens her und für die Konzerte wird Joe Satriani angeheuert, um erst einmal Luft zu haben und einen perfekten Gitarristen zu finden.
Mit dem Album "Purpendicular" gibt Steve Morse seinen Einstand und bewährt sich herausragend. Nicht nur sein Gitarrenspiel überzeugt, sondern auch seine Fähigkeit, sich als Komponist in die Band einzubringen. In den folgenden Jahren wurden noch so manche Highlights von ihm auf den CDs verewigt und durch seine ruhige und ausgeglichene Art fügt er sich bestens in die Band ein. "Purpendicular" knüpft musikalisch an seinen Vorgänger an. Die Stücke sind zum Teil schnell und treibend gespielt und unter den zwölf Tracks befindet sich so manche Überraschung. Die Band experimentiert sehr viel und Morse beweist, dass er nicht nur mit dem elektrischen Brett wunderbar klar kommt. Auf "The Aviator" und "A Touch Away" greift er schon mal zur Akustik-Gitarre und eine Mandoline erscheint ebenfalls im Hintergrund. Selbst Jon Lord lässt sich dazu hinreißen, seinem Keyboard ungewohnte Klänge wie auf "Loosen My Strings" zu entlocken. Meisterstück der ganzen CD aber ist die Ballade "Sometimes I Feel Like Screaming", bei der Steve Morse sein ganzes Können unter Beweis stellt und sich mit diesem Stück einen bis heute andauernden Platz in der Band geschaffen hat.
Die drei CDs umfassende Box spiegelt den Umbruch von den alten Deep Purple der 70er und 80er Jahre mit ihren überlangen Live-Stücken zur neuen Band wider. Moderner und mehr dem Mainstream angepasst, zum Leid der alten Fans aber auf der Suche nach den Nachkommen einer aussterbenden Spezies, den Classic Hard Rock-Fans. In den Konzertsälen trifft sich inzwischen die Jugend, der es egal zu sein scheint, wer die Gitarre zupft. Sie wollen nur gute Live-Musik und dafür sind Deep Purple prädestiniert, wie die ausverkauften Hallen während der letzten Tour belegen.
Slaves And Masters   The Battle Rages On   Purpendicular
Line-up:
Joe Lynn Turner (vocals - CD 1)
Ian Gillan (vocals - CD 2,3)
Jon Lord (keyboards)
Ritchie Blackmore (guitar - CD 1,2)
Steve Morse (guitar - CD 3)
Ian Paice (drums)
Roger Glover (bass)
Tracklist
CD 1 - Slaves and Masters (1990):
01:King Of Dreams (5:30)
02:The Cut Runs Deep (5:42)
03:Fire In The Basement (4:43)
04:Truth Hurts (5:45)
05:Breakfast In Bed (5:14)
06:Love Conquers All (3:47)
07:Fortuneteller (5:16)
08:Too Much Is Not Enough (4:19)
09:Wicked Ways (6:35)
CD 2 - The Battle Rages On (1993):
01:The Battle Rages On (5:48)
02:Lick It Up (3:50)
03:Anya (6:28)
04:Talk About Love (4:05)
05:Time To Kill (5:44)
06:Ramshackle Man (5:32)
07:A Twist In The Tale (4:12)
08:Nasty Plece Of Work (4:34)
09:Solitaire (4:35)
10:One Man's Meat (4:38)
CD 3 - Purpendicular (1996):
01:Vavoom: Ted The Mechanic (4:17)
03:Soon Forgotten (4:47)
04:Sometimes I Feel Like Screaming (7:31)
05:Cascades: I'm Not Your Lover (4:43)
06:The Aviator (5:20)
07:Rosa's Cantina (5:12)
08:A Castle Full Of Rascals (5:11)
09:A Tough Away (4:36)
10:Hey Cisco (5:52)
11:Somebody Stole My Guitar (4:09)
12:The Purpendicular Waltz (4:43)
 
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