Derek & The Dominos / Layla And Other Assorted Love Songs
Layla And Other Assorted Love Songs Spielzeit: 76:43
Medium: CD
Label: Universal (Polydor), 2011 (1970)
Stil: Blues Rock


Review vom 08.12.2011

    
Markus Kerren
War es Vorhersehung oder bloß Zufall? Eine glückliche Fügung oder standen einfach nur die Sterne in der richtigen Konstellation? Im Prinzip brauchen wir uns damit heute nicht mehr groß zu beschäftigen, höchstens darf weiterhin darüber spekuliert werden, was noch alles möglich gewesen wäre, wenn das Gespann Derek & The Dominos und Duane Allman weiterhin zusammen gearbeitet hätte. Was direkt zu der weiteren Überlegung führt, ob wahre, unumstößliche und unauslöschbare Götter-Alben wie das hier zu besprechende "Layla And Other Assorted Love Songs" überhaupt wiederholbar gewesen wären.
Im Jahr 1970 war Eric Clapton ein seelisches Wrack. Er hatte die Schnauze bis ganz oben hin gestrichen voll davon, in irgendwelchen Super-Groups zu spielen und als 'Gott' verehrt zu werden. Er befand sich in der Anfangsphase eines sich rasant steigernden Drogen-Problems und zu allem Überfluss war er zum Sterben unglücklich in die Frau seines besten Freundes (George Harrsion) verliebt.
Der junge, aufstrebende wie geniale Gitarrist Duane Allman hatte gerade seine Allman Brothers Band so richtig auf Hochtouren und erste Erfolge gebracht, war seelisch aufgrund einer größtenteils Problem beladenen Kindheit und Jugend aber auch nicht gerade in bester Verfassung. Was er allerdings - womit sich eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Clapton der damaligen Zeit feststellen lässt - durch die Einnahme pulverisierter 'Glücksbringer' meistens sehr gut kaschieren konnte.
Wie dem auch sei, Allman kannte natürlich die Musik von Clapton und hatte einen Heidenrespekt vor ihm. Und - ihr werdet es erraten - Clapton kannte die Musik der Allman Brothers und hatte einen Heidenrespekt vor Duane. Eines Abends, als sich Erics neue Truppe Derek & The Dominos gerade in den Criteria Studios in Miami mit den ersten Songs für ihr Debütalbum eher abmühte (es lief einfach nicht rund), schlug der Produzent Tom Dowd (der davor für die Allmans die Knöpfchen gedreht hatte und sie daher bestens kannte) vor, mal einen Abstecher zum Konzert der Brothers ganz in der Nähe zu machen, einfach nur, um die Köpfe frei zu kriegen.
Als Duane Allman von der Bühne aus plötzlich den faszinierten Clapton im Fotograben erblickte, war er so vom Donner gerührt und nervös, dass er den Rest der Show mit dem Rücken zum Publikum spielte. Auf jeden Fall schaffte es Tom Dowd aber, die beiden Bands nach dem Gig miteinander bekannt zu machen und Clapton lud die ganze Entourage spontan ein, mit zurück ins Studio zu kommen.
Logischerweise war dort erstmal Feiern angesagt, aber irgendwann fragte Clapton den guten Duane dann, ob er nicht ein bisschen mitjammen wolle. Klar wollte der. Und als Tom Dowd hinter der Konsole nach ein paar Minuten bemerkte, dass das Aufnahmeband bei "Key To The Highway" nicht mitlief (weshalb der Song auf dem Album erst mittendrin anfängt), bekam er einen Tobsuchtsanfall. Halb so wild, denn die 'geretteten' gut acht Minuten dieser spontanen Nummer sind immer noch eine Offenbarung.
Nachdem dieser Big Bill Broonzy-Blues ausgeklungen war, standen alle erstmal nur mit einem fetten Grinsen im Gesicht in der Gegend rum, bis Clapton gar nicht erst fragte, sondern ohne Widerspruch zu dulden darauf bestand, dass Allman bei dem kompletten Album mit von der Partie sein sollte. War nicht ganz so einfach, da die Allman Brothers für die nächsten Abende bereits gebucht waren. Aber Duane versprach zurückzukommen.
In seiner Abwesenheit, aber immerhin von unbändiger neuer Inspiration gepackt, wurden in den nächsten Tagen "I Looked Away", "Bell Bottom Blues" und "Keep On Growing" als Quartett eingespielt. Während das Erstgenannte noch als lockere Blues Rock-Nummer durchgeht, die aber schon auf das ganz starke Vocal-Gespann Clapton/Whitlock hinweist, offenbart Eric bei "Bell Bottom Blues" zum ersten Mal auf diesem Album die Abgründe seiner Seele.
Nicht nur 'Slowhands' Gitarre gibt das Innenleben des Engländers preis, auch, oder vor allem der Gesang lässt seelische Unausgeglichenheiten nicht nur erahnen, sondern sie zweifelsohne zur Gewissheit werden. Jim Gordon am Schlagzeug und Carl Radle am Bass (beide u. a. Ex-Joe Cocker sowie Ex-Delaney & Bonnie) bilden ein geniales Rhythmus-Gespann, das traumwandlerisch zwischen Power und tonnenweise Feeling hin und her springt. Dazu die starke Tasten-Arbeit sowie die souligen bzw. gospeligen Gesangseinlagen von Bobby Whitlock machen (nicht nur) dieses Stück zu einer brodelnden Pandora's Box der Gefühle.
Duane Allman war schließlich wieder eingetroffen und machte sich direkt bei dem Blues "Nobody Knows You When You're Down And Out" bemerkbar. Es gibt mittlerweile wohl genaue Quellen, aber lange Zeit war nicht klar, wer von den beiden Ausnahme-Musikern ab diesem Zeitpunkt bei den Songs gerade 'normale' und wer Slide-Gitarre spielte. Fest steht nur, dass die beiden Gitarristen einander in höchstem Maße genial ergänzten. Ach so, klar ist auch, dass sich größere Häufchen von pulverisiertem Kokain wie Heroin in jedermanns unmittelbarer Reichweite auftürmten, sodass den Marathon-Sessions und guten Gefühlen nichts im Wege stand (was jetzt aber in KEINSTER Weise als Anregung verstanden werden soll).
"Tell The Truth" wurde Monate davor (logischerweise zu viert) zwar schon mal aufgenommen und als Single veröffentlicht, bereits kurz danach aber von der Band wieder zurück gezogen, da für nicht gut genug befunden. Die hier enthaltene, langsamere Version mit Allman lässt hingegen keine Wünsche übrig. Da gibt es innerhalb eines Songs so viele Schauplätze, dass man vor Verzückung fast gar nicht nachkommt. Die beiden Gitarren befinden sich in einem ständigen Gefecht, die kreativen Funken sprühen nur so nach allen Seiten und auch Whitlock liefert sich mit Clapton vor dem Mikro ein regelrechtes Duell. Die beiden schaffen es zunächst den Eindruck zu erwecken, als würden sie gegeneinander singen, bevor dann die eigentliche Idee und Genialität des Ganzen erst klar wird.
Alle beteiligten Musiker waren glühende Verehrer von Jimi Hendrix und beschlossen deshalb - völlig ahnungslos, dass ihr Idol wenige Tage zuvor in London verstorben war - dessen Song "Little Wing" aufzunehmen. Wesentlich epischer als das Original ausgelegt, handelt es sich bei diesem Titel um eines der absoluten Glanzstücke der Scheibe und er ist mit weitem Abstand meine Lieblings-Version dieser Nummer, die vor Feeling, Dramatik und überragendem Gitarren-Spiel nur so zu bersten scheint. Vielleicht hat Bobby Whitlock mit seinen genialen Background Vocals hier sein Glanzstück des Albums geliefert. Clapton und Allman wechseln sich einander sowohl bei wie auch während der Soli mit dem Bottleneck ab und letzten Endes blieben nur verbrannte (Seelen-) Erde, qualmende Verstärker und ausgepumpte, aber glückliche Musiker zurück.
Mit "I Am Yours" ist ein einziges, kurzes Stück mit von der Partie, das von dem ansonsten 150 %igen Material etwas ab-, aber auch nicht wirklich unangenehm auffällt. "It's Too Late" ist dagegen ein richtig geiler Chuck Willis-Coversong, der mit Country-Touch trotz der ebenfalls sehr angeschlagenen Gefühlslage etwas 'leichter', als viele der anderen Songs kommt.
So tief wie bei "Have You Ever Loved A Woman" hat sich Clapton wohl weder zuvor, noch danach wieder in seine Seele reinschauen lassen ... dieser am Boden zerstörte Gesang, dazu die Gitarrenarbeit der beiden Helden ... das muss man hören, da ist eigentlich jedes Wort zuviel. Eine weitere - und ebenfalls eine der besten - Übernummer hört auf den Namen "Anyday". Die (Slide-) Gitarren haben die Oberhand, aber auch die 'schwere' Hammond von Bobby Whitlock ist ein ganz wichtiges Puzzle-Teil zu diesem Klassiker. Jesses Gott, ich kriege auch nach 25 Jahren und dem gefühlt 357sten Hördurchlauf immer noch Gänsehaut.
Dieses Review hat schon lange seine Grenzen gesprengt und deshalb will ich den fantastischen Groove-Rocker "Keep On Growing" wie auch die Bobby Whitlock-Solonummer "Torn Tree In The Garden" hier nur noch ganz kurz erwähnen. Den Song "Layla" hatte Clapton eigentlich als Slow Blues für eine Akustik-Gitarre geschrieben. Dann hatte Allman aber plötzlich die Idee für dieses Anfangsriff (die Tonfolge war zwar 'geklaut', aber wesentlich flotter gespielt und daher wieder eigenständig) und war zusätzlich der Meinung, dass die Nummer wesentlich mehr Geschwindigkeit bräuchte. Gesagt, getan.
Die Anekdote hierzu: Der Schelm Jim Gordon versuchte, das Studio in Abwesenheit (und auf Kosten) der anderen Bandmitglieder für ein geplantes Soloalbum zu benutzen. Nach einer Sauftour kamen aber Clapton und Allman eines Nachts nichts ahnend wieder ins Studio zurück und erwischten Gordon dabei, als der gerade dabei war, eine wunderschöne Pianomelodie einzuspielen. Ob das folgende Gefecht wörtlich oder körperlich ausgetragen wurde, ist bis heute ungeklärt. Sicher dagegen ist, dass eben diese Pianomelodie für den zweiten Part des Songs "Layla" - mit zuzüglich massenhaften wie genialen Gitarren-Overdubs versehen - verwendet wurde.
"Layla And Other Assorted Love Songs" von Derek & The Dominos ist ein ganz dicker und unübersehbarer Meilenstein der Musikgeschichte, der nach seiner Veröffentlichung lächerlicherweise in der Presse gar nicht gut weg kam und sich auch nicht sonderlich verkaufte. Dies änderte sich erst ein paar Jahre später und auch für mich ist die ehemalige Doppel-LP seit Jahrzehnten ein Inselalbum und gehört zu meinen Top 5 aller Zeiten.
Ihr persoenliches Leben führte die Protagonisten - manche früher, manche später - in der Folgezeit trotz der Erschaffung dieses wahnsinnig intensiven Meisterwerks allerdings eher in dunkle Regionen. Duane Allman verstarb ca. ein Jahr später nach einem Motorrad-Unfall und auch Carl Radle ist schon lange nicht mehr unter uns. Jim Gordon fing Ende der Siebziger an, fremde Stimmen in seinem Kopf zu hören. 1984 erschoss er seine Mutter und ist aufgrund dessen bis heute hinter Gittern.
Clapton legte nur Monate nach Abschluss der Aufnahmen erstmal eine - von sporadischen Ausnahmen abgesehen - vierjährige Musikanten-Pause ein, in der er sich auf Experimente bzgl. aller möglichen und unmöglichen Reaktionen des menschlichen Körpers auf das Teufelszeug Heroin spezialisierte. Und schließlich ist da noch Bobby Whitlock, der durchgängig bis heute als Musiker tätig ist, wenig beachtete Soloalben herausbrachte und zumindest in den Neunzigern so aussah, als hätte er schon mindestens zwei Jahrzehnte im Grab verbracht und wäre bloß wieder zurückgekommen, weil es ihm dort zu langweilig war.
Trotzdem ist diesen fünf Musikern damals ein Album geglückt, das bis heute in Bezug auf Einspielung, Songwriting (doch doch), Einzigartigkeit, Authentizität, Feeling, Sound und Originalität nur noch ganz, ganz selten - wenn überhaupt - übertroffen worden ist.
Eric Clapton war weder davor, noch danach wieder so gut wie auf diesem Werk!

Line-up:
Eric Clapton (lead & background vocals, guitars)
Bobby Whitlock (keyboards, piano, background vocals, acoustic guitar & lead vocals - #13)
Carl Radle (bass)
Jim Gordon (drums & percussion, piano - #12)

With:
Duane Allman (guitars)
Tracklist
01:I Looked Away
02:Bell Bottom Blues
03:Keep On Growing
04:Nobody Knows You When You're Down And Out
05:I Am Yours
06:Anyday
07:Key To The Highway
08:Tell The Truth
09:Why Does Love Got To Be So Sad
10:Have You Ever Loved A Woman
11:Little Wing
12:It's Too Late
13:Layla
14:Torn Tree In The Garden
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