Dream Theater / Images And Words
Images And Words Spielzeit: 57:09
Medium: CD
Label: Atco Records, 1992
Stil: Progressive Metal


Review vom 08.12.2012

  
Boris Theobald
»Sounds like Iron Maiden playing Yes!«
Das war der erste Eindruck meines Ami-Freundes Hank beim Hören von "Images And Words" - ich erinnere mich gut! Kurze Zeit später war er großer Fan... So unterschiedlich kann die Perspektive sein. Denn ich hörte da keine Kombination von Einflüssen, sondern von Anfang an einen eigenen Stil: Progressive Metal!
Klar, für mich kam "Images And Words" ganz zu Beginn und war mit eines der ersten Alben, die mich nachhaltig prägten. Doch natürlich hatte Hank Recht! Das wurde mir aber erst nach und nach besser bewusst, als ich mich auf die große Suche nach den Ursprüngen begab. Dream Theater haben kombiniert. Aber sie haben damit auch etwas Neues geschaffen. Das Debütalbum "When Dream And Day Unite" wirkt rückblickend betrachtet beinahe wie ein Warmlaufen für Nummer zwei. Und "Images And Words" bleibt auch im 20. Jubeljahr seiner Veröffentlichung das Magnum Opus der Band. Es hat dieses Pionierhafte einer Gruppe junger Genies - eines dieser Werke, das gleichzeitig reif klingt und frisch.
Von Sänger Charlie Dominici hatte man sich zuvor getrennt - der Altersunterschied und die stilistische Ausrichtung standen zwischen ihm und den anderen. Man wollte einen, der weniger typisch nach Metal klang. Unter den rund 300 Bewerbern war auch der seit Jahren im
Fates Warning-Ruhestand befindliche John Arch! Der große Name wäre aber eine inkonsequente Wahl gewesen. Eine andere, warme und extrem wandelbare Stimme fiel auf und überzeugte. Es war die des Kanadiers Kevin James LaBrie, Sänger einer Band namens Winter's Rose. 1991 war er übrigens schon als Background-Gast auf Fates Warnings "Parallels" ("Life In Still Water") zu hören. Und weil die Band bereits einen Kevin hatte, wurde LaBries zweiter Vorname ab sofort zum einzigen.
Das 'Dream Team' Dream Theater war erst jetzt wirklich komplett - und auch mit der neuen Plattenfirma Warner hat's gepasst. "Images And Words" bescherte dem Progressive Metal plötzlich eine Weltbühne - er lief sogar auf MTV! Schuld war dieser eine Song, der dem Best of der Band einmal den Namen "Greatest Hit... and 21 other pretty cool songs" einbringen sollte: "Pull Me Under". Was für ein Türöffner! Und er bringt die Formel des 'Traumtheaters' auf den Punkt: Ein bestechend eingängiges, aber doch irgendwie mysteriöses Riff, ein straighter Chorus... und trotzdem ist die Chose komplex, vertüftelt und technisch anspruchsvoll. Und so edel produziert, dass dieser Prog Metal eine großartige und zeitlose atmosphärische Strahlkraft besitzt.
"Images And Words" lullt einen ein mit seinen dramatischen Drehbüchern ein. Man versinkt in märchenhaft-surrealen Stimmungen und erlebt - nein: fühlt eine DER kreativen Sternstunden der Prog-Geschichte. "Learning To Live" oder "Metropolis - Part I" stehen längst auf einer Ebene mit Stücken wie "Song For America" von Kansas oder "Xanadu" von Rush. "Another Day" mit seinem Saxofonsolo ist eine der hinreißendsten Powerballaden aller Zeiten. Und selbst die zweieinhalbminütige, zum Heulen schöne Keyboard-Gefühlsstudie "Wait For Sleep" wechselt binnen fünf Takten von 5/8 über 4/8 zu 6/8. Was für ein wunderbarer Wahnsinn!
"Wait For Sleep" ist (trotz Gesangs) praktisch das Solo-Stück Kevin Moores, der auf dem kompletten Album Song für Song den Prog Metal mit seinem Tastenspiel neu definiert (auf dem Nachfolger "Awake" sollte er es ein weiteres Mal tun!). Bestes Beispiel ist schon der Opener "Pull Me Under", wo er gefühlt so etwas wie Lead- und Rhythmus-Keyboard zur gleichen Zeit spielt. John Petrucci, John Myung und Mike Portnoy - gute Bekannte aus gemeinsamen Zeiten am Bostoner Berklee College of Music, machen eines der atemberaubendsten, tightesten Ensembles ever komplett. Die Symbiose aus Handwerk und Gefühl ist legendär. Technisch wagten sie später noch mehr - eingängiger als hier wurde die Musik aber nie.
Beim Mitlesen der Lyrics verfällt man der großen Poesie über Seelenschmerz und Sinnsuche:

»She stares at the ceiling / And tries not to think
And pictures the chain / She's been trying to link again
But the feeling is gone
And water can't cover her memory / And ashes can't answer her pain
God give me the power to take breath from a breeze
And call life from a cold metal frame«

("Wait For Sleep")
Danke für so etwas!
Und mittendrin, wohl auch dank der besonderen Intonation des singenden Kanadiers, pulen sich einige richtig schöne 'Misheard Lyrics' heraus, wie 'You can feel the witch coming home' oder 'Death is the first dancing turtle'. Wehe dem, der es erst ein mal im Kopf hat!
Aber im Ernst: Das (Wieder-)Hören von "Images And Words" erzeugt diese Momente, in denen mir als Prog Metal-Fan der pure Gedanke an die Existenz jedweder anderen Musik auf der Erde ziemlich exotisch vorkommt. Es ist und bleibt das Dream Theater-Album - nicht nur, weil es mein erstes war. Es war das Album, mit dem sie nach Japan auf Tour gingen - jenes, das sie zu (den bis heute wohl einzigen) Weltstars des Progressive Metal gemacht hat. Und noch mehr: "Images And Words" hat den Prog Metal salonfähig gemacht. Dream Theater? Hat jeder schon mal gehört. Dream Theater? Hören auch Leute, die sonst wenig Metal mögen. Dieses Album machte aus zahllosen anderen jungen Musikern und ihren Bands das, was sie heute sind - und zugleich macht es ihnen bis heute das Leben schwer. Denn seit "Images And Words" ist es bedeutend schwerer geworden, mit einem Album die Prog-Welt zu verändern.
»The way your heart sounds makes all the difference
It's what decides if you'll endure the pain that we all feel
The way your heart beats makes all the difference
In lerning to live
Spread before you is your soul
So forever hold the dreams within your hearts
Through nature's inflexible grace
I'm learning to live«

("Learning To Live")
Line-up:
James LaBrie (lead & background vocals)
Kevin Moore (keyboards)
John Myung (bass)
John Petrucci (guitars)
Mike Portnoy (drums & percussion)
Tracklist
01:Pull Me Under (8:11)
02:Another Day (4:22)
03:Take The Time (8:21)
04:Surrounded (5:28)
05:Metropolis - Part I, "The Miracle And The Sleeper" (9:30)
06:Under A Glass Moon (7:02)
07:Wait For Sleep (2:31)
08:Learning To Live (11:30)
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