Emerson, Lake & Palmer / Then And Now
(Live 1974/1997-1998)
Then And Now Gesamtspielzeit: 126:22
Medium: Do-CD
Label: Sanctuary, 2006 (1974-1998)
Stil: Progressive


Review vom 15.04.2008


Wolfgang Merx
Zuerst etwas zur CD-Ausgabe:
Die Tracks des Albums finden sich auf drei verschiedenen Ausgaben. Es gibt das Original von Sanctuary (2 CDs) mit dem oben abgebildeten Cover, dann das Ganze nochmals als Doppel-CD ("ELP Gold") von Dejavu Retro Gold mit anderer Trackreihenfolge und zu guter Letzt noch als Einzel-CD ("Lucky Man") von Noble Price mit einigen Songs von 1997/1998. Der Sound ist bei allen Ausgaben glasklar und sowohl in den Höhen und den Tiefen gut abgemischt.
Dieses Livealbum verschafft hauptsächlich einen Überblick über die Konzerte der vorerst letzten ELP-Tour von 1997/1998. Die ersten drei Tracks ("Toccata" (2. Hälfte), "Take A Pebble" (Improvisationen und Schluss) und Teile von "Karn Evil 9") stammen allerdings vom "California Jam 1974". Deren Soundqualität ist bescheiden, zumal diese kurzen Ausschnitte nur bedingt die Power des Auftritts wiedergeben.
Interessant sind die 97/98er-Aufnahmen. Greg Lakes Stimme hat sich im Vergleich zu den 70ern stark verändert, dennoch meistert er alle Stücke ohne Fehler. Carl Palmers Schlagzeugspiel ist grundsolide und brillant wie immer. Nun aber der Knackpunkt: Keith Emerson.
Überraschend gut ist seine Wahl der Keyboardsounds ausgefallen. Im Gegensatz zu
Rick Wakeman, dem Keyboarder der Progressive Rock-Gruppe Yes, also einem Kollegen Emersons, der in den 90ern eher käsige Sounds hervorgebracht hat, nutzt Emerson mehr klassische Sounds, die dennoch im modernen Gewand daherkommen, aber nicht billig wirken.
Vor allem fällt natürlich die Hammondorgel positiv auf. Den Moog-Synthesizer hört man nicht heraus, da man nie genau weiß, ob Emerson ihn, oder einen Digitalsynthesizer einsetzt. Die Pianosounds sind meistens elektrisch, was nicht weiter stört. Die Songauswahl ist überraschend vielseitig ausgefallen, da auch viele Tracks gespielt wurden, die vorher selten oder nie im Programm waren. Da wären "A Time And A Place" und "Bitches Crystal" von "Tarkus" (1971) an der Spitze, da hier die Songs klar besser als in den Studioversionen sind. "From the Beginning" von "Trilogy" (1972) wurde im Sound so gut verändert, dass man das Alter des Songs nicht bemerkt. "Touch and Go" (vom 86er "Emerson, Lake & Powell"-Album) zeigt, dass der gefürchtete AOR ('Adult-Oriented Rock', also 'Rock für Erwachsene') auch gut sein kann.
Dann gibt es noch einige ELP-Standards wie "Karn Evil 9 (First Impression Part 2)" (als Opener), "Hoedown" (mit schönen "Aquatarkus"-Zitaten), "Tiger In A Spotlight", "Knife Edge", "Lucky Man" (endlich in einer gescheiten Version) und die Emerson-Solo-Single "Honky Tonk Train Blues". Ein weiteres Emerson-Solo ist der dritte und letzte Satz seines Klavierkonzerts, von ihm "Toccata Con Fuoco" betitelt, was jedoch nicht sehr herausragt. "Take A Pebble" wird in einer sehr kurzen Version gespielt, die an die Jazzimprovisationen des Songs während der Tourneen in den 70ern anschließen will, was aber nicht gut gelingt, da der Titel Zeit zum Entfalten braucht.
Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss - und so geht die Show mit der vermeintlich altbekannten Tour de force, "Fanfare For The Common Man/Rondo", dem Ende entgegen. Einige werden denken, dass Emerson hier wiedermal ein bisschen rumklimpert und seine Bach-Zitate abspielt, aber weit gefehlt: Zwar spielt er wieder Bach, aber dafür lässt er es richtig krachen. So nutzt er die Technik und holt alles aus ihr raus. Dazu sticht er wohl in bekannter Manier auf die Hammond ein und lässt den Synthezier fiepen, dass die Boxen (fast) platzen. Palmer gibt zwischendurch ein Solo zum Besten, bei dem er seine Feinheit am Becken und seine pure Kraft an den Toms und den Gongs zeigen kann. Wenn schließlich nach 22 Minuten eigentlich alles Solistische raus ist, gibt es mit dem 'Old Medley' "21st Century Schizoid Man/America" nochmals eine Fortsetzung. (Die beiden Songs stammen von den Bands, bei denen Lake und Emerson vor ELP waren. "21st Century Schizoid Man" ist von
King Crimson, wo Lake zuvor war, und "America" stammt von The Nice, bei denen Emerson startete.)
Insgesamt ist die Performance des spielfreudigen Trios sehr kraftvoll und nahezu fehlerfrei, aber noch lange nicht so gut wie in den 70ern. Aber dafür hat das Publikum sein Vergnügen. Ein Konzertfeeling kommt dennoch nicht auf, da alle Songs ein- und ausgeblendet werden. Hätte man die Stücke von 1974 weggelassen und die neuen Nummern mit dem Material von "Live In Poland 1997" kombiniert, wäre sicherlich ein besseres Album dabei herausgekommen, aber auch so kann man sich ELP in den späten 90ern gut anhören.
Am Ende ist meine Meinung gespalten. Die Klassiker kommen zu kurz, auch wenn die selten gespielten Songs sehr gut dargeboten werden. Die Spielfreude des Trios ist nicht zu überhören, aber die Schnitte des Konzerts in einzelne Songs machen dies zunichte.
Somit ist dieses Album nur etwas für Fans. Einsteiger sollten besser zu "Welcome Back My Friends To The Show That Never Ends" von 1974 greifen.
Tracklist
CD 1:
01:Toccata
02:Take A Pebble (Excerpts)
03:Karn Evil 9
04:A Time And A Place
05:Piano Concerto No. 1: Third Movement
06:From The Beginning
CD 2:
01:Karn Evil 9 (First Impression, Part 2)
02:Tiger In A Spotlight
03:Hoedown
04:Touch And Go
05:Knife Edge
06:Bitches Crystal
07:Honky Tonk Train Blues
08:Take A Pebble
09:Lucky Man
10:Fanfare For The Common Man/Rondo
11:21st Century Schizoid Man/America
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