Bob Geldof / The Vegetarians Of Love
The Vegetarians Of Love Spielzeit: 57:35
Medium: CD
Label: Phonogram, 1990
Stil: Pop, Rock


Review vom 18.12.2012

  
Sabine Feickert
Eigentlich schreiben wir ja im Adventskalender über CDs, die uns schon lange begleiten, unsere 'alten Lieben' sozusagen. Eine solche 'alte Liebe' hatte ich auch schon ausgesucht und dann diese Pläne wieder über'n Haufen geworfen zugunsten einer 'neuen Liebe'.
Manchmal im Leben muss erst einiges passieren, müssen sich Wege mehrfach kreuzen, muss die Zeit dafür erst kommen, damit eine Liebe erblühen kann. Gelegentlich ist das auch bei Musik so...
Gekreuzt haben sich 'unsere' Wege mehrfach. "I don't Like Mondays" – das geht mir noch heute beim ersten Weckerklingeln nach dem Wochenende durch den Kopf. Dann alle Jahre wieder "Do They Know It's Christmas?"
Bob Geldof – 'Mister Band Aid' – Macher von 'Live Aid' – toller Typ, der wirklich was bewegt!
Sein politisches Engagement trat in meiner Wahrnehmung vor seine Musik und obwohl er 1987 auf (meinem ersten und letzten) Rock am Ring spielte, spielte er für mich musikalisch sehr lang keine größere Rolle. Dass es nicht nur mir so ergangen ist, zeigten etliche Gespräche in der letzten Zeit »Cooler Typ, aber was der für Musik macht, das weiß ich eigentlich gar nicht...«
Die "Vegetarians Of Love" waren damals total an mir vorbeigegangen – damals!!!
(und das obwohl ich schon damals 'fleischlos glücklich' lebte...)
Über 20 Jahre später war die Zeit dann reif. Durch einen 'Zufall' war ich mal wieder auf ihn aufmerksam geworden – wenige Tage vor seinem Konzert ganz in meiner Nähe. Die Neugier trieb mich auf YouTube, der erste Treffer war "A Gospel Song" und ich war elektrisiert. Nicht nur, dass dieses Video vor schrägem Humor nur so überläuft, auch in der Musik fühlte ich mich auf Anhieb so wohl wie in der allerliebsten Lieblingsjeans. Zwei oder drei weitere Videoclips und die CD war bestellt. Kaum hier angekommen, eroberte sie sich den Stammplatz mit Dauerrotation im Player.
(Der gleiche 'Zufall' ließ mir dann auch noch Konzertkarten für genau jenes Konzert in meiner Nähe 'zufallen' – das konnte kein 'zufälliger Zufall' mehr sein ;-), aber das hier nur ganz am Rande.)
Warum ich ausgerechnet diese CD – sein zweites Solo-Werk ausgewählt habe?
Auch wenn der Album-Titel zur Annahme verleiten könnte, ich wolle der fleischverzehrenden RockTimes-Fraktion damit eins 'auswischen', muss ich diesen unausgesprochenen Vorwurf doch weit zurückweisen. Nein, in meinen Ohren ist sie DIE Scheibe, die man von ihm unbedingt kennen sollte, wenn man mal nicht nur auf das hören möchte, was er zu sagen, sondern zu singen und zu spielen hat.
Mit dem bereits erwähnten "Gospel Song" eröffnet er eine knappe Stunde schönstes rockig-irisches Hörvergnügen. Ich finde, er hat hier seinen Solo-Stil gefunden. Nicht mehr so hart wie bei den Boomtown Rats, aber deutlich markanter und eingängiger als auf seiner ersten Solo-Platte "Deep in the Heart of Nowhere". Streicher und Akkordeon geben seinen Songs eine individuelle Note und einen gewissen Pep. Die Grundstimmung der Scheibe ist 'erwachsener', der jugendliche Ungestüm aus Rats-Zeiten hat sich zumindest oberflächlich gelegt und Nachdenklichkeit, Abgeklärtheit und einer ordentlichen Portion Ironie und Sarkasmus Platz gemacht. Und trotzdem schwingen eine gewisse Leichtigkeit und – ja fast schon - Zärtlichkeit aus den Boxen. Die Songs variieren von ruhig und gefühlvoll wie "A Rose At Night" bis zum beschwingten (und ziemlich irischen) "The Great Song Of Indifference".
Kleine Alltagsszenen wie in "No Small Wonder", in dem tatsächlich nicht der kleinste Hauch eines Wunders, sondern ein ziemlich trostloser Abend im Mittelpunkt steht, haben ihren Platz genauso gefunden wie "Big Romantic Stuff", der allerdings aus dem Radio dudelt, während sich vor den Lautsprechern Ernüchterung breit macht:

»It's not the getting old she mind's it's the meaningless of being
She thinks about all this while Jean sings about la vie
And accordions and violins take her back in time
When the only explanation was a kiss and love and life«
Mir fällt es schwer, auf dieser Platte echte Highlights auszudeuten, sind hier doch zwölf echte Schätzchen versammelt. Da ist der (hab ich den schon erwähnt?) göttliche "A Gospel Song", der mit seinen kratzigen Streichern eine wohlige Gänsehaut über den Rücken rieseln lässt, der "Great Song Of Indifference", der die zynisch-gelassene 'heut kann mich die ganze Welt mal kreuzweise'-Stimmung herbeizaubert und mich so weit vom Alltag wegdriften lässt, wie die total relaxten "Thinking Voyager 2 Type Things". "Love Or Something" – diese Frage lässt in Bezug auf die besprochene Platte nur eine Antwort zu, nämlich gemeinsam mit dem Chor einzustimmen in sein »This is love« das »Or something else« überhören wir geflissentlich.
Und damit sich niemand mehr mit der Frage quälen muss »Did they never tell you 'bout it baby« ("Big Romantic Stuff"), hab ich Euch jetzt allen davon erzählt, dass Bob Geldof mit seiner "Vegetarians Of Love" eine Scheibe gemacht hat, die keine Schonkost und "No Small Wonder" ist, sondern ein ausgesprochen delikates musikalisches Fünf-Gänge-Menü!
Line-up:
Bob Geldof (acoustic and electric guitar, lead vocals, backing vocals)
Pete Briquette (bass, keyboard)
Phil Palmer (acoustic and electric guitars)
Geoff Richardson (viola, electric and acoustic guitar, clarinet, saxophone, recorders, penny whistles, ukulele, assorted kitchen utensils)
Steve Fletcher (piano, organ)
Alun Dunn (accordion, organ)
Rupert Hine (piano, keyboards, percussion, backing vocals)
Bob Loveday (violin, penny whistle, bass)
Occasional Vegetarians:
Gerry Moffet (electric guitar)
Paul Carrack (organ)
Geoff Dugmore (drums, percussion)
Kevin Godley (backing vocals)
Cameron Jenkins (saxophone on "Love Or Something")
Gordon Bonnar (guitar on "The Chains Of Pain")
Dave Stewart (guitar on "Love Or Something")
Tracklist
01:A Gospel Song
02:Love or Something
03:The Great Song of Indifference
04:Thinking Voyager 2 Type Things
05:Big Romantic Stuff
06:Crucified Me
07:The Chains Of Pain
08:A Rose At Night
09:No Small Wonder
10:Walking Back To Happiness
11:Let It Go
12:The End Of The World
Externe Links: