Humble Pie / Rock On
Rock On Spielzeit: 38:51
Medium: CD
Label: A & M Records, 1971
Stil: Rock


Review vom 22.12.2009


Markus Kerren
Noch bevor Humble Pie überhaupt einen einzigen Song veröffentlicht hatte, eilte ihnen bereits der Ruf einer 'Supergroup' voraus. Glücklich war die Truppe damit nicht unbedingt, womit sie auch durchaus Recht behalten sollte. Steve Marriott (Small Faces) und Peter Frampton (The Herd) waren ihrer alten Bands überdrüssig geworden und beschlossen in den ersten Monaten des Jahres 1969, gemeinsame Sache zu machen, neue Wege zu gehen und damit ein so weites Feld zu beschreiten, dass der Himmel nur der Anfang sein sollte. 'Gefunden' hatte man den damals blutjungen Schlagzeuger Jerry Shirley und schließlich wurde zur Vervollständigung noch der Bassist (und Sänger) Greg Ridley von den damals schwer angesagten Spooky Tooth (um Mike Harrison und Gary 'Dream Weaver' Wright) abgeworben.
Direkt mit der ersten Single "Natural Born Boogie" gelang dann auch gleich ein Hit. Dieser Track war allerdings ein relativ langweiliger Schatten im Vergleich zu den ersten beiden hochkreativen Alben "As Safe As Yesterday" und "Town And Country" (beide 1969 veröffentlicht), die jedoch erfolgsmäßig weit weniger gut abschnitten. Was vor allem auch mit ihrem damaligen Label, dem von
Ex-Rolling Stones-Manager Andrew Loog Oldham betriebenen Immediate Records zu tun hatte, das von Anfang an nicht allzu viel für die Band tat und nach "Town And Country" schlicht und ergreifend pleite war.
Nach einem größtenteils akustischen, daher im Vergleich zu den Vorgängern eher unspektakulären Album ("Humble Pie", 1970) auf A & M Records fand man bei diesem Label für die nächsten Jahre aber zumindest ein festes Zuhause. Und dann entstand im Januar 1971 die Scheibe "Rock On", die im Vergleich zu den noch experimentelleren und Stil suchenden Vorgängern deutlich, der Titel sagt es bereits, rockiger ausfiel und der Truppe in den USA, wenn auch nicht das große Geld, dann aber zumindest einen großen Namen einbrachte. Übrigens ließ es sich selbst der Vater des englischen Blues, Alexis Korner höchstpersönlich, nicht nehmen, einige Gesangsspuren beizusteuern
Den Opener stellt das Peter Frampton-Paradestück "Shine On" dar, dem es auf seltsame Weise gelingt, sowohl arschtight, als auch sehr locker und luftig rüber zu kommen. Die Soul Sisters Claudia Lennear, Doris Troy und P.P. Arnold liefern mit ihren Background Vocals einen himmlischen Job ab und unterstützen einen vor dem Mikro losgelösten Frampton engelsgleich. Nach so einem Einstand wollte sich natürlich auch ein Steve Marriott nicht lumpen lassen und lieferte mit "Sour Grain" einen Rock-Stampfer vor dem Herrn ab. Der Mann ist, hat man ihn mal eine längere Zeit nicht mehr gehört, immer wieder eine reine Offenbarung, wenn es um Frontmann-Qualitäten, Stimme und Feeling geht. Erst zwei Songs in diesem Album, hat die Scheibe schon gewonnen. Und zwar mit fliegenden Fahnen!
Mit beschwingtem Honky Tonk-Piano geht es in die akustische Marriott-Frampton Co-Komposition (die eine Seltenheit in der Bandgeschichte darstellen) "79th And Sunset". Die Zügel sind hier eher angezogen, was den Song aber zu keinem schlechten macht, da Gesangsmelodien, die Instrumentierung, Framptons Gitarren-Solo und B.J. Coles Pedal Steel auch diesen Track in einen Überflieger mutieren ließen. Darauf folgt mit "Stone Cold Fever" ein waschechter Rocker, bei dem man fast Angst hat, dass sich Marriott die Lunge aus dem Hals singt. Auch die coole Harp stammt von dem kleingewachsenen Engländer. Mittendrin wird in einen neuen, geradezu jazzigen Part umgeschwenkt, bei dem Frampton erneut mit seinen Solo-Künsten punkten kann. Es entsteht ein geradezu jammiger Teil, bevor die Musiker wieder und zurück zum eigentlichen Song finden.
Nach dem fulminant bluesigen "Rollin' Stone" (wieder mit starker Harp) folgt mit "A Song For Jenny" eine wunderschöne Ballade, die Marriotts damaliger Frau gewidmet war, die er auf den langen Tourneen offensichtlich sehr vermisste. Sehr emotionale Strophen (Akustik-Gitarre und Pedal Steel) wechseln sich mit einem bombastischeren Refrain ab, bei dem die Soul Sisters einmal mehr ihre Visiten-Karte abgeben. Herrlich! Peter Frampton legt danach mit einem weiteren Rocker nach. Ehrlich gesagt bin ich noch nie ein großer Freund von seiner späteren Solo-Karriere gewesen, aber was der Mann in seiner Zeit bei Humble Pie (vielleicht auch gerade wegen der gesunden Rivalität mit Marriott) abgeliefert hat, damit hat er sich einen Platz in meinem Herzen erspielt, ersungen und verdient.
Dann der große Auftritt von Greg Ridley, der bei "Big George" die Lead Vocals übernahm. Klasse Kontrast beim Gesang, der die Spannung des Albums auf durchgehend hohem Level hält. Musikalisch ein Midtempo-Rocker im stampfenden, marschierenden Stil, ähnlich dem großartigen "Sour Grain". Und hier kommt dann auch das grandiose Saxophon von Bobby Keys (The Rolling Stones, Ex- Joe Cocker, Ex-Leon Russell) ins Spiel. "Strange Days" erscheint mir immer ein bisschen so, als wenn es noch ein unfertiger Song gewesen wäre, ein angejazzter Jam im Studio, eventuell um das Album zu füllen. Sicherlich nicht der stärkste Track der Scheibe, ist er aber trotzdem sehr interessant und versprüht einmal mehr eine vollkommen andere Atmosphäre, die "Rock On" letztendlich durchaus bereichert.
Ich bin jedes mal wieder überrascht, wenn ich feststelle, dass ich mich mit "Red Neck Jump" bereits beim Rausschmeißer des Albums befinde, so sehr scheint die Zeit zu verfliegen. Es herrscht eine gewisse 'Live im Studio'-Atmosphäre und die Nummer ist eine lockere Boogie-Doo-Wop-Geschichte, die zum Abschluss noch mal so richtig Laune macht.
Leider war "Rock On" das letzte Studio-Album von Humble Pie mit Peter Frampton an Bord und somit im Prinzip der Anfang vom sprichwörtlichen Ende. Hatte die Musik sehr stark von der Reibung der Kollegen Marriott und Frampton profitiert, so war die Magie nach Peters Weggang irgendwie nicht mehr so vorhanden, wie zuvor. Frampton versuchte dann in den nächsten Jahren erfolglos, solistisch auf die Beine zu kommen, bis ihm 1976 vollkommen überraschend mit "Frampton Comes Alive" das bis heute meistverkaufteste Live-Album aller Zeiten gelang. Steve Marriott, Greg Ridley und Jerry Shirley machten mit dem Gitarristen Dave 'Clem' Clempson (Ex-Bakerloo, Ex- Colosseum) noch ein paar Jahre weiter, bis Humble Pie 1975 schließlich zum ersten Mal zu Grabe getragen wurde.
Wie dem auch sei, "Rock On" ist die Moment-Aufnahme einer Band im Studio, die sich auf ihrem absoluten Höhepunkt befand. Ein heute zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratener Meilenstein der Rock-Geschichte.
Line-up:
Steve Marriott (guitars, keyboards, harp, vocals)
Peter Frampton (guitars, keyboards, vocals)
Greg Ridley (bass, guitar, vocals)
Jerry Shirley (drums, keyboards)

Mit:
B.J. Cole (pedal steel)
Bobby Keys (saxophone)
Alexis Korner (additional vocals)
Doris Troy (background vocals)
Claudia Lennear (background vocals)
P.P. Arnold (background vocals)
Tracklist
01:Shine On
02:Sour Grain
03:79th And Sunset
04:Stone Cold Fever
05:Rollin' Stone
06:A Song For Jenny
07:The Light
08:Big George
09:Strange Days
10:Red Neck Jump
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