Jim Hall / Classic Quartets
Classic Quartets Spielzeit: 78:45
Medium: CD
Label: Essential Jazz Classics, 2014 (1960, 1962)
Stil: Jazz


Review vom 14.05.2014


Wolfgang Giese
Es ist schlichtweg falsch, wenn hier der Eindruck erweckt wird, es handele sich um eine Veröffentlichung des Gitarristen Jim Hall. Denn der vom 4. Dezember 1930 bis 10. Dezember 2013 unter uns weilende Musiker findet sich bei diesen zwei hier auf einer CD zusammengefassten Platten lediglich in der Rolle als Begleiter wieder. Tatsächlich sind hier folgende Veröffentlichungen berücksichtigt worden: "Impromptu" des Pianisten Billy Taylor und "Burnin'" des Organisten Paul Bryant! Die erstgenannte Platte wurde im Mai 1962 in New York und die zweite im August 1960 in Los Angeles aufgenommen.
Überwiegend swingt und bluest es, darüber hinaus vereint Taylor diese Elemente noch mit solchen aus der klassischen Musik. Schnell kann man auch bemerken, dass Hall der Sideman ist, weil die Musik eben stärker auf die Arbeit des Pianisten ausgerichtet ist. Dennoch wird für das eine oder andere Gitarrensolo noch genügend Raum gelassen, damit man sich an diesem besonderen Stil erfreuen kann. Sehr ausdrucksstark im Ganzen ist "Impromptu" mit seinem treibenden Swing und den rhythmischen Wechselspielen.
Aber jeder einzelne Titel hat etwas Besonderes, sowohl hinsichtlich der Kompositionen wie natürlich in den jeweiligen Solobeiträgen. Immer wieder bemerke ich, wie abwechslungs- und ideenreich Taylor war. Beim einen oder anderen Solopart bemerke ich eine Nähe zu frühen Aufnahmen von Nina Simone, die es ebenfalls verstand, Elemente der Klassik und des Jazz zusammenzubringen. Im sanften Walzerrhythmus wiegt sich "Empty Ballroom (Une Salle de Bal Vide)" und mit einem fast schon ein wenig an die Musik von Wes Montgomery erinnernden Hall endet diese Platte mit einem Nachhall voller unterhaltsamer und sehr virtuoser Durchgängigkeit.
Ganz anders als das virtuos gespielte Klavier wirkt da die viel satter aufspielende Orgel von Paul Bryant, der so gar nicht mit dem Kollegen Jimmy Smith zu vergleichen ist. Um sein Ausdrucksspektrum auf dem Piano zu erweitern, stieg er einst auf die Orgel um. Und das hört man auch hinaus, denn der Musiker klingt wirklich mehr wie ein Pianist, der Orgel spielt als jemand, der die Klänge und Möglichkeiten der Orgel von einer anderen Warte aus angeht. Im Gegensatz zum Klavier setzt er hier klanglich auf die volle Breitseite des Sounds und benutzt großflächige Klangmuster in der Gestaltung. Ganz zart wirkt im Gegensatz dazu der Beitrag von Hall, der eher zaghaft, aber nicht minder ausdrucksstark wirkt.
Im Gegensatz zur ersten Platte entfaltet sich hier noch mehr etwas, was in Richtung Unterhaltungsmusik treibt, ohne dass das kommerzielle Element vordergründig und der Jazz nachrangig wäre. Nein, es swingt auch hier durchgehend, nur etwas weniger elegant und ein wenig behäbiger. "They Can't Take That Away From Me", von den Brüdern Gershwin erscheint mir dabei als der am stärksten kommerziell geprägte Song. Die schöne Melodie des Klassikers wird lang und ausführlich getragen und fließt selbst in die Improvisation teilweise ein. Bei der Ballade "The Masquerade Is Over" quietscht die Orgel in hohen Lagen schon fast für die damalige Zeit futuristisch anmutend, wie in damaligen Science-Fiction-Filmen oft anzutreffen. Ja, eine unfreiwillige Komik haftet dem einen oder anderen Moment dadurch ebenfalls an. Nichtsdestotrotz ist das hervorragende Musik, die im letzten Stück dann noch eine recht 'moderne' Färbung erfährt, wenn zu Beginn die Orgel richtig gut verzerrt einsetzt und der Titel, "Burnin'", drückt es dann auch fast aus: Hier brennt die Luft etwas mehr und Bryant lässt dann doch noch einmal etwas mehr 'die Sau raus'.
Des Etikettenschwindels zum Trotz bin ich froh darüber, dass mit diesen beiden Platten zwei schöne Beispiele der Jazzgeschichte wiederveröffentlicht worden sind.
Line-up:
Billy Taylor (piano - #1-8)
Jim Hall (guitar - all tracks)
Bob Cranshaw (bass - #1-8)
Walter Perkins (drums - #1-8)
Paul Bryant (organ - #9-15)
Jimmy Bond (bass - #9-15)
Jimmy Miller (drums - #9-15)
Tracklist
01:Capricious [Taylor] (2:26)
02:Impromptu [Taylor] (9:46)
03:Don't Go Down South [Taylor] (3:53)
04:Muffle Guffle [Taylor] (4:57)
05:Free And Oozy[Taylor] (6:35)
06:Paraphrase [Taylor] (4:49)
07:Empty Ballroom (Une Salle de Bal Vide) [Taylor] (4:28)
08:At La Carrousel [Taylor] (6:17)
09:Still Searchin' [Bryant] (6:44)
10:Love Nest [Harbach / Hirsch] (4:05)
11:Blues At The Summit [Bryant] (6:11)
12:They Can't Take That Away From Me [Gershwin/Gershwin] (3:55)
13:Churchin' [Bryant] (4:06)
14:The Masquerade Is Over [Wrubel /Magidson] (5:51)
15:Burnin' [Bryant] (4:25)
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