John Hiatt / Paper Thin
The 1989 Canadian Broadcast
Paper Thin - The 1989 Canadian Broadcast Spielzeit: 78:11
Medium: CD
Label: All Access, 2012
Stil: Rock


Review vom 08.06.2012


Steve Braun
1986 stand John Hiatt kurz davor, seine Karriere als Musiker an den berühmten Nagel zu hängen. Sieben erfolglose Alben und zunächst bei Epic, dann bei MCA rausgeflogen, setzte ihn jetzt auch noch Geffen wegen Erfolglosigkeit vor die Tür. Diese frustrierte Reaktion ist schon verständlich, wenn die eigenen Songs von Größen wie Bob Dylan, Nick Lowe oder Rosanne Cash gecovert werden, aber unter dem eigenen Namen beim Publikum gnadenlos durchfallen. Wie gut, dass enge Freunde und Berater John Hiatt zu einem letzten Versuch bewegen konnten...
Für "Bring The Family" ging der Liedermacher aus dem Mittleren Westen mit einer All-Star-Formation, bestehend aus Ry Cooder (lead guitar), Nick Lowe (bass) und Jim Keltner (drums), ins Studio. In nur vier (!!) Tagen wurde diese Scheibe im Februar 1987 eingespielt und überzeugte A&M Records derart, dass sie Hiatt spontan unter Vertrag nahmen. Als dann im Mai "Bring The Family" erschien, bedeutete dies endlich den ersehnten (und hoch verdienten) Durchbruch, auch wenn die Top-100 der Billboard-Albumcharts knapp verfehlt wurde. "Slow Turning" schaffte das dann, wohl auch, weil mit dem Titelsong der einzige Top-10-Hit der gesamten Karriere des Songwriters darauf zu finden war.
Bis nach Deutschland hatte sich der Name John Hiatt auch dann noch nicht herumgesprochen. Wenn man sich überlegt, welcher Bullshit in den Achtzigern hierzulande Erfolg hatte, könnte einem noch heute der Kragen platzen. Naja, die anspruchsvollen Texte des Barden hätten ohnehin das Fassungsvermögen so manchen Dosenkopfes überstrapaziert: »Da Da Da - Aha«...
Mit dem Erfolg von "Bring The Family" und "Slow Turning" im Rücken tourte Hiatt mit seinen Goners, kein Geringerer als Slide-Gott Sonny Landreth war damals ein Teil von ihnen, 1988/1989 sehr erfolgreich durch Nordamerika. Am 19. Januar 1989 stoppte der Tross in Ottawas Barrymore's Music Hall, vor einem enthusiastischen Publikum. Das Konzert wurde für eine Radioübertragung aufgezeichnet und liegt nun auf einer prall gefüllten CD vor.
Betrachtet man die Setlist könnte man meinen, John Hiatt habe seinerzeit mit seiner musikalischen Vergangenheit endgültig gebrochen: Kein Song aus Epic-, MCA- oder Geffen-Zeiten ist zu hören. Ein Neustart also...
Ein musikalisches Chamäleon war der Meister schon damals. Ob Roots-, Blues- oder Country-Inspiriertes, Shuffle, Rock'n'Roll oder zu Tränen rührende Balladen - alles floss (und fließt) ihm locker aus der 'Feder'. Besonders tief packen mich die bitterbösen Songs wie "Paper Thin" und "(Like) Your Dad Did", zu denen ich schon immer eine tief persönliche Beziehung hatte. Zu den intensiv vorgetragenen, unter die sprichwörtliche Haut gehenden Balladen "Is Anybody There?" und "Have A Little Faith In Me" schießt heute noch genauso das 'Wasser' in die Augen, wie beim ersten Hören vor mehr als zwanzig Jahren. Was ist dieser Mann für ein Magier der Worte!!
Mit den damals brandneuen Songs "Drive South", "Ride Along" und vor allem "Tennessee Plates" fehlen auch die satten Abrocker nicht. Neben dem eindringlichen Gesang Hiatts setzt (selbstredend!) der andere Großmeister, Sonny Landreth, die Glanzpunkte und beweist dabei, dass er einer der größten Slide-Gitarristen aller Zeiten ist. Wie er beispielsweise in "Tip Of My Tongue" agiert, ist aller Ehren wert. Landreth 'covert' hier den typischen, an hawaiianische Musik erinnernden Ry Cooder-Sound. Aber auch ohne den Bottleneck ist sein Spiel wie seine Soli ein Hochgenuss.
Vom Sound her hat "Paper Thin - The 1989 Canadian Broadcast" oberstes Bootleg-Niveau, da werden nur die üblichen Verdächtigen, die Puristen-Fraktion, meckern können! Die Ausstattung der CD ist zwar spartanisch, dafür ist sie allerdings zu einem recht günstigen Preis im Handel. Ärgerlich war nur, dass mein Player im Auto den Datenträger nicht 'lesen' konnte. Hoffentlich ist dies ein Einzelfall gewesen.
Fazit: John Hiatt live in den vielleicht besten Jahren seiner Karriere - da sollte und kann man unbesorgt zugreifen!
Line-up:
John Hiatt (vocals, guitar, piano)
Sonny Landreth (lead & slide guitar)
Dave Ranson (bass)
Kenneth Blevins (drums)
Tracklist
01:Memphis In The Meantime (7:51)
02:Drive South (4:50)
03:Thank You Girl (5:21)
04:Tip Of My Tongue (6:17)
05:Tennessee Plates (4:09)
06:Alone In The Dark (5:46)
07:Ride Along (3:59)
08:Is Anybody There?
09:Paper Thin (4:55)
10:Thing Called Love (6:39)
11:Have A Little Faith In Me (3:49)
12:Icy Blue Heart (4:28)
13:It'll Come To You (5:12)
14:Your Dad Did (8:25)
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