Keef Hartley Band / The Battle Of North West Six
The Battle Of North West Six (Original DERAM LP-Cover) Spielzeit: 42:06
Medium: CD
Label: One Way, 1992 (Original: Deram 1969)
Stil: Blues/Jazz Rock


Review vom 20.11.2008


Manni Hüther
Ende der Sechziger entwickelte sich ein Genre, das man bis heute als Jazz Rock bezeichnet und dessen musikalische Protagonisten zu Beginn - und damit im Gegensatz zu heute - relativ stark blueslastig waren. Auf der anderen Seite des Atlantik waren dies Blood, Sweat & Tears sowie Chicago [Transit Authority]), in Europa Colosseum, IF und eben auch die Keef Hartley Band.
Als Hartley als 24-Jähriger seine Band 1968 gründete, hatte er schon eine Menge Erfahrung. Einmal als Ringo Starr-Nachfolger bei Rory Storm & The Hurricanes, etwas später bei den Artwoods, deren Keyboarder Jon Lord hieß.
1967 trommelte er bei John Mayall (der ihn nach kurzer Zeit feuerte und danach direkt wieder zurückholte). Die textliche Aussage der ersten Platte der Keef Hartley Band ("Halfbreed") dreht sich um das Telefongespräch mit Mayall, als ihm der europäische Blues-Pionier dann im Frühjahr 1968 endgültig den Stuhl vor Tür setzte.
Offensichtlich als Marketing-Gag gedacht, schlüpfte Keef Hartley in die Figur eines Indianerhäuptlings, komplett mit allem (pseudo)-Kopfschmuck und trat so auch bei der Mutter aller Festivals im August 1969 in Woodstock auf.
Die hier vorliegende CD war die zweite LP der Band, die, wenn man sich mal kurz das Line-up ansieht, unschwer als regelrechte Big Band anzusehen ist. Anhand der Besetzungsliste könnte man annehmen, dass hier das Blech im Vordergrund steht.
Nun, dem ist nicht so, sondern es handelt sich zum großen Teil um eine Heterogenität aus Stilen und Klangfarben, wie es nicht nur im Entstehungsjahr ungewöhnlich war.
Eine satte Basslinie von Gary Thain (später bis zum frühen Tod 1975 bei Uriah Heep) eröffnet das Werk, direkt gefolgt von Keefs Drums. Die dann übernehmenden Gitarren von Miller Anderson und Spit James drücken dem Song ihren Stempel auf. Als Sahnehäubchen die unaufdringlichen Bläser - was für eine Klasse und wie der Songtitel impliziert - das hat trotz der nur vierminütigen Spielzeit eindeutigen Jam-Charakter.
Manche Titel versprühen den einnehmenden Charme, für den auch der Komponist Erik Satie bekannt war und ist und dem auch die Übersee-Konkurrenz Blood, Sweat & Tears gerne mal fröhnte, wobei "Hickory" auf jede Platte der Amerikaner gepasst und dort eine gute Figur gemacht hätte. Sehr gefühlvolle, kleine Werke, nie hektisch mit feinen Flötenklängen und gut strukturiertem Blech, das geschmackvoller Weise in den Hintergrund gemischt ist.
Aber die Band konnte auch anders und diese Titel sind reinste Blues- und Jazz Rock-Wunderwerke, deren treibender Sprengsatz immer die unglaublich kompakten Gitarren sind. So eindringlich, so mitreissend, so R&B-lastig und so unnachahmlich wie die Soli von Miller Anderson ("Me And My Woman") respektive Spit James ("Don't Be Afraid") - das hat man bis heute selten gehört. In jeweils knapp über vier Minuten Musik, die den Zuhörer so gefangen nehmen, dass man meint, die Titel dauern mindestens doppelt so lange. Dagegen waren vergleichsweise Savoy Brown - die ja zu gleicher Zeit agierten - im Gitarrenkonzept doch um mehr als nur eine Nuance statischer.
Die Profis der Keef Hartley Band konnten ihr Anliegen eben auf den Punkt bringen, eine Fähigkeit, die im Stil, den sie spielen, oftmals vermisst wird. Wieviel 'Luft' und 'sich-im-Kreis-drehen' kennt man gerade im Bereich dieses Genres? Hier wird mal exemplarisch gezeigt, wie man es auch machen kann und beim Ergebnis kann man nur anerkennend den Daumen heben!
"Not Foolish, Not Wise" driftet nach dem rockenden Anfang immer mehr in die Art Jazz Rock ab, für den auch Colosseum Pate standen - allerdings hatte die Keef Hartley Band keinen Chris Farlowe, dessen Stimme ein Instrument für sich ist. Welche Empathie der gesamten Band in Bezug auf das Ganze! Hervorzuheben sind wiedermal die Trompeten und Saxofone, die gleichzeitig die Gehörgänge umspielen. Wen das kalt lässt, kann sicher mit dieser Art Musik nichts anfangen.
Die heutzutage hyper, - damals noch unbekannte Saxophonistin Barbara Thompson (u.a. zeitweise auch bei der Avantgarde des United Jazz And Rock Ensemble) veredelt den mit über sieben Minuten längsten Track hier ("Tadpole") mit ihrem bekannten Stil und das war damals schon reinste Kunst!
Auf dem letzten Titel dieser herausragenden Platte ("Believe In You") hört man den gerade aus John Mayall's Bluesbreakers ausgestiegenen und kurz vor seinem im Nachhinein als fast überirdisch groß zu nennenden Einfluß auf den Gitarrensound der Rolling Stones zu nennenden Mick Taylor, der da als 19-jähriger seinen Klang einbringt. Zum Zeitpunkt dieses Tracks hatte Keef Hartley aber schon eine Richtungsänderung vorgenommen, so dass Taylor nicht wirklich zeigen konnte, wessen er fähig war. Das hat er dann zwei Monate später bei den 'Vagabunden' (was 'Rolling Stones' ja in der Umgangssprache bedeutet) für alle Ewigkeit zeigen können.
Der Klang der CD ist absolut in Ordnung, nichts klingt muffig! Dass man gerade solche Musik auch mal aufdrehen sollte und es dann auch richtig ankommt, versteht sich von selbst.
Das Fazit lautet: Wer mit den hier vergleichsweise angesprochenen Jazz Rock-Combos symphatisiert und solche Töne zumindest zeitweise gerne mal hört, der muss sich diese Platte zulegen - schon alleine wegen der unglaublichen Gitarrensoli ...
 
The Battle Of North West Six (CD-Cover)
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Line-up:
Keef Hartley (drums. percussion)
Miller Anderson (vocal, guitars)
Henry Lowther (trumpet, flügelhorn, violin)
Jim Jewell (tenor saxophone)
Gary Thain (bass guitar)
Gäste:
Spit James (guitar)
Mick Weaver (organ, piano, percussion)
Mike Davis (trumpet)
Harry Beckett (trumpet, flügelhorn)
Lynn Dobson (tenor saxophone, flute)
Chris Mercer (tenor saxophone)
Barbara Thompson (baritone saxophone, flute)
Ray Warleigh (flute)
Mick Taylor (guitar)
Tracklist
01:The Dansette Kid/Hartley Jam For Bread
02:Don't Give Up
03:Me And my Woman
04:Hickory
05:Don't Be Afraid
06:Not Foolish, Not Wise
07:Waiting Around
08:Tadpole
09:Poor Mabel (You're Just Like Me)
10:Believe In You
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