Jethro Tull / WarChild
The 40th Anniversary Theatre Edition
WarChild The 40th Anniversary Theatre Edition Spielzeit: 39:28 (CD 1), 78:18 (CD 2), 136:44
(DVD 1), 78:18 (DVD 2)
Medium: 2CD/2DVD
DVD-Technik:
NTSC: Aspect Ratio 16:9, Film Footage 4:3
Sound: div. Soundformate (5.1 Surrond, DTS, DDS, AC DD, LPCM stereo)
FSK: 0
Label: Chrysalis Records, 2014 (1974)
Stil: Progressive Rock, Folk Rock


Review vom 14.12.2014


Steve Braun
Herbst 1974 - auf einem beliebigen Schulhof in Deutschland - aufgeheizte Diskussionen über ein gerade erschienenes Album - echauffiert und leidenschaftlich, wie dies wohl nur jugendliche Musikfreunde tun - das Corpus Delicti: Jethro Tulls "WarChild". Die Erinnerungen sind nur noch vage, aber ich meine mich dunkel zu erinnern, dass es größtenteils verrissen wurde, derart schonungslos und im Brustton altkluger Überzeugung, wie dies wohl nur junge Musikenthusiasten tun.
Im Nachhinein betrachtet, ist "WarChild" in der Tat ein seltsames Album geblieben. Stilistisch keineswegs so kompakt wie die Vorgängeralben, schwingt durchgängig ein musicalhafter Charakter mit. Was daran liegen könnte, dass "WarChild" als Filmmusik zu einem nie realisierten Streifen geplant war, für den übrigens ein gewisser John Cleese als 'humoristischer Berater' vorgesehen war. Wohl deshalb klingen die zehn Stücke leicht zerrissen: Es fehlt die filmische Handlung als verbindende Klammer. Nichtsdestotrotz enthält "WarChild" einige der abgefahrendsten Tull-Sachen der Frühphase - man höre nur noch mal in "Back-Door Angels", "The Third Hoorah" oder "Two Fingers", den Evergreen "Bungle In The Jungle" oder "Skating On The Thin Ice Of The New Day", den herrlichen Vorgriff auf Tulls spätere Folkphase.
Kaum etwas von der Schwerblütigkeit von A Passion Play oder Aqualung ist hier noch zu finden. Herrlich luftig wabern die von David Palmer arrangierten und dirigierten Streicher, fröhlich zwitschern Akkordeon- und krähen Saxofoneinlagen dazwischen. Die gesamte Band präsentiert sich zudem in einer erfrischenden Spielfreude. Ich denke, dass "WarChild" ein sträflich unterbewertetes Album war. Allerdings muss hier angemerkt werden, dass sich Steven Wilsons neuer Stereo Remix (macht der Bursche derzeit auch was anderes als Remixen und -mastern?) auf CD 1 sehr viel transparenter als der Original-Mix des Albums darstellt (erster Extrapunkt!!). Auf DVD 1 sind beide Versionen dankenswerterweise direkt zu vergleichen - man möge sich überzeugen lassen!
Natürlich ist auch dieses 2CD/2DVD-Set im Taschenbuchformat nicht nur ein echter Hingucker, sondern erneut prall mit Musik angefüllt. Herzstück ist selbstredend das eingebundene, vielseitige Taschenbuch (Booklet wäre eine unzulässige Untertreibung!). Andersons Ian hört sich bekanntlich nur zu gerne selbst reden und folglich wird man mit Hintergrundinformationen zu dem zeitlichen Kontext von "WarChild" geradezu überhäuft. Man erfährt nicht nur sehr viel zu den Vorbereitungen und den Aufnahmen zu diesem im Oktober 1974 erschienenen Album, sondern auch alles über die anschließende Welttour, die am 20. April 1975 im Züricher Hallenstadion endete. Der Knaller ist selbstverständlich die Besprechung, Track-by-Track, durch den Meister persönlich. So erfährt man beispielsweise, dass "Skating On The Thin Ice Of The New Day" und "Only Solitaire" bereits im Spätsommer 1972 aufgenommen worden waren, für das Konzeptalbum "A Passion Play" jedoch keine Verwendung zu finden war. Auch das Who-is-Who des alten Vinylcovers wird geklärt. Nach all dieser Lektüre wird der Leser seine Meinung, "WarChild" sei ein Flop gewesen, möglicherweise revidieren müssen.
Don Needham plaudert über das weibliche Streichquartett, das die besagte Tour begleitete, und David Morris gibt seine Erinnerungen an fünfzehn Jahre Tour-Alltag mit Jethro Tull preis. Obendrein sind noch Auszüge aus dem Filmskript abgedruckt - ein wahrer Informations-Overkill rund um "WarChild". Zweiter Extrapunkt!!
Die zweite CD, "The Second Act" betitelt, enthält die Outtakes und alternative Versionen aus den "WarChild"-Sessions. Einige davon - wie "Saturation" und "Glory Row" - erschienen später auf diversen Compilations, "March, The Mad Scientist" dürfte jeder Tull-Fan von der 76er Weihnachts-EP, "Ring Out, Solstice Bells", kennen - wiederum anderes wurde, wie "Good Godmother" oder "Tomorrow Was Today", noch nie auf einen Tonträger gebannt. Alle Titel von "The Second Act" wurden ebenfalls von Steven Wilson noch einmal neu abgemischt.
Die Cremeschnittchen von CD 2 sind allerdings die herrlichen Orchesteraufnahmen mit dem London Philamusica Orchestra, dirigiert von David Palmer, die in der dortigen Conway Hall aufgezeichnet wurden - traumhafte Arrangements, bei denen man weder die (elektrifizierte) Band noch Gesang vermisst. Bis auf "Waltz Of The Angels", das der 2002er Wiederveröffentlichung von "WarChild" beigefügt war, sind all diese Aufnahmen erstmals auf Tonträger zu hören. Dritter Extrapunkt!!
Demgegenüber bieten die beiden DVDs keinen entscheidenden Mehrwert, wenn man natürlich von den Original-Mixes absieht. Das Filmmaterial ist... bescheiden! Unambitionierte Filmsequenzen von einem Foto-Shooting mit anschließender Pressekonferenz in Montreaux - daran sind eigentlich nur Andersons witzige Kommentare beachtenswert. Obendrein hat man noch ein paar Minuten vergrisseltes Filmmaterial dazugepackt, das offensichtlich zu alles anderem als dem dazu 'synchronisierten' "The Third Hoorah" aufgezeichnet wurde und somit eine glatte Beleidigung für Auge und Ohr gleichermaßen darstellt!
Die "40th Anniversary Theatre Edition" von "WarChild" schließt qualitativ nahtlos an die bereits zelebrierten 40sten Geburtstage der zuvor erschienenen Alben an und sollte - wie diese - in keiner Jethro Tull-Sammlung fehlen, sofern diese einen Anspruch auf Relevanz haben soll.
Im kommenden Jahr steht übrigens das Jubiläum zur "Minstrel In The Gallery" an - mit einer der schönsten Suiten der Tull-Historie überhaupt, "Baker St. Muse". Auf dieses Fest darf man sich jetzt schon freuen...
Line-up:
Ian Anderson (lead vocals, flutes, acoustic guitars, saxophones)
Martin Barre (electric guitars, flamenco guitar)
John Evan (piano, organ, synthesizers, accordion)
Jeffrey Hammond (bass)
Barriemore Barlow (drums, percussion)
David Palmer (conductor, orchestral arrangements)
Tracklist
CD 1 "WarChild":
01:WarChild
02:Queen And Country
03:Ladies
04:Back-Door Angels
05:SeaLion
06:Skating Away On The Thin Ice Of The New Day
07:Bungle In The Jungle
08:Only Solitaire
09:The Third Hoorah
10:Two Fingers
CD 2 "The Second Act" Associated Recordings:
01:Paradise Steakhouse
02:Saturation)
03:Good Godmother
04:SeaLion II
05:Quartet
06:WarChild II
07:Tomorrow Was Today
08:Glory Row
09:March, The Mad Scientist
10:Rainbow Blues
11:Pan Dance)

WarChild Orchestral Recordings:
12:The Orchestral WarChild Theme
13:The Third Hoorah
14:Mime Sequence
15:Field Dance
16:Waltz Of The Angels
17:The Beach (Part I)
18:The Beach (Part II)
19:Waltz Of The Angels
20:The Beach
21:Field Dance
DVD 1:
01:WarChild [Steven Wilson Mixes]
02:WarChild [Orginal Album Mixes by Robin Black]
03:War Child [Original Quad Mixes + Bonus]
03:Film Footage (19:20)
DVD 2:
01:The Second Act [Steven Wilson Mixes and the Original Mixes by Robin Black]
Externe Links: