Jeanne Lee - Ran Blake / The Newest Sound Around
The Newest Sound Around Spielzeit: 53:27
Medium: CD
Label: Phoenix Records (RCA), 2013 (1962)
Stil: Jazz


Review vom 23.06.2013


Wolfgang Giese
Die Sängerin Jeanne Lee hatte ich erst recht spät kennengelernt. Und zwar, als sie mit ihrem späteren Ehemann Gunter Hampel auftrat. Insofern sah ich sie schnell in einer 'musikalischen Schublade' untergebracht, atmete diese Musik doch den Geist von Free Jazz und Avantgarde.
Doch das, was mit dieser Platte aus dem Jahre 1962 vorgelegt wird, ist noch anders. Zusammen mit ihrem Studienkollegen, dem Pianisten Ran Blake war das deren beider Plattendebüt, aufgenommen im November und Dezember 1961.
Die Musik scheint stark Balladen-orientiert zu sein, doch sind es nicht solch typische, wie man sie allgemein kennt. Vielmehr wird langsames Tempo genutzt, um einen ganz speziell emotionalen Ausdruck zu schaffen. Darüber hinaus gibt es jeweilige Solotitel der Beiden. Gleich mit "Church On Russell Street" bringt Blake ein starkes Gospelfeeling ein und der Song ist entsprechend arrangiert, nicht, um gleichzeitig wieder aufzubrechen in freies Spiel.
Zweimal ist Jeanne auch ohne Begleitung zu hören, bei den Titeln neun und vierzehn, und hier zeigt sie, dass sie auch allein bestehen kann. Es ist herrlich, welch rhythmisches und swingendes Feeling sie besitzt. Es ist schade, dass es erst Jahre dauern sollte, bis man wieder von ihr auf Platte hörte.
Auf dem Album gibt es viele wunderschöne Momente, die sich im Falle von "Where Flamingos Fly" auf etwas über vier Minuten erstrecken. Hier merkt man der Sängerin an, dass sie sich an ihrem Vorbild Abbey Lincoln zu orientieren scheint. Diese wunderbar gehauchte und langgezogene Stimmung trägt ebenfalls gewisse, tragisch im Ausdruck anmutende Spuren von Billie Holiday: Stimme als Instrument.
Mit dezentem Swing klebt "Season In The Sun" mehr am klassischen Jazzgesang, sehr schön und ganz cool, und damit der Swing dann auch so richtig in Gang kommt, ist bei diesem und dem achten Stück mit George Duvivier noch ein Bassist hinzugezogen worden.
Mit hartem Anschlag scheint Blake die Version von "Summertime" zu zerhacken und bringt gleichzeitig swingende Anteile und ein wenig Gospel mit hinein. Dabei beginnt der Song zunächst ganz zart und gefällig. Doch somit wird diese Interpretation zu den eher ungewöhnlichen dieses Klassikers zählen.
Aber Blake zeigt sich ohnehin als Musiker, der mit Unberechenbarkeit spielt, so unerwartet unterbricht er manchmal eine Stimmung, an die man sich bereits gewöhnt hat. Doch das für mich wohl schönste Stück ist die Interpretation von "Lover Man", bei dem die beiden Akteure dermaßen emotional vortragen, dass es sehr berührt... ob es nun die Pianopassagen sind oder der einfach nur dahinfließende Gesang.
Einheitlich betrachtet, bietet dieses relativ unbekannte Album ausgeprägt eigenständige Interpretationen einiger Standards, vermischt mit eigenen Titeln. In ihrer Einfachheit und eigenwilligen Ausführung besticht die Musik durch eine ganz spezielle Stimmung, und wenn Jeanne auch noch zum Scatten ansetzt, wird diese noch einmal erhöht.
Line-up:
Jeanne Lee (vocals)
Ran Blake (piano)
George Duvivier (bass - #5, 8)
Tracklist
01:Laura [Mercer/Raksin] (5:12)
02:Blue Monk [Monk] (4:48)
03:Church On Russell Street [Blake] (3:13)
04:Where Flamingos Fly [Thea/Courlander/Brooks/Spoliansky] (4:17)
05:Season In The Sun [Wold/Landesman] (2:30)
06:Summertime [Gershwin/Gershwin/Heyward] (4:32)
07:Lover Man [Davis/Ramirez/Sherman] (5:16)
08:Evil Blues [Smith/Smith/Freedman] (3:08)
09:Sometimes I Feel Like A Motherless Child [Traditional] (2:46)
10:When Sunny Gets Blue [Fisher/Segal] (4:54)
11:Love Isn't Everything [McGovern] (1:20)
12:Vanguard [Blake] (3:14)
13:Left Alone [Waldron/Holiday] (2:52)
14:He's Got The Whole World In His Hands [Traditional] (2:06)
15:Straight Ahead [Waldron/Lincoln] (3:12)
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