The Leather Nun / Steel Construction
Steel Construction Spielzeit: 49:51
Medium: CD
Label: Wire Records, 1987
Stil: Industrial


Review vom 28.07.2009


Joachim 'Joe' Brookes
Seit einiger Zeit wird der Musikmarkt ja mit Bands aus den nördlichen Ländern Europas geflutet. Wer sagt denn, dass erst jetzt Starkes aus dieser Region in verschiedenen Genres geboten wird?
Lang, lang ist es her... über die englischen Gruppen Throbbing Gristle und Psychic TV führte der Weg schließlich nach Schweden zur skandinavischen Industrial Kult-Band The Leather Nun.
Psychic TV, aus der kurzlebigen Throbbing Gristle hervorgegangen, standen für aufmüpfigen, keine Grenzen kennenden, harten Industrial-Sound.
The Leather Nun könnte man, bei allem Respekt, als die Mainstream-Variante der Briten ansehen. Man verband Industrial mit Düster-Elementen, simplem Rock und Experimentellem zu einem Gebräu, das die Hörnerven in beste Laune versetzt.
Bereits im Februar 1979 in Göteborg gegründet, hatte man schon einen Label-Vertrag bei Industrial Records unter Dach und Fach.
Im November kam die erste Platte, eine EP mit dem Titel "Slow Death" auf den Markt und es folgten bis 1995 eine ganze Palette an Singles, Maxis und Alben. Letztendlich führte die Pleite der Plattenfirma zur Auflösung der Band. Seit 2005 ist die 'lederne Nonne' wieder am Start, allerdings ohne bisher ein neues Album veröffentlicht zu haben.
Damals war man sich auch nicht zu schade, den Song "Gimme, Gimme, Gimme" ihrer berühmten Kollegen Abba erfolgreich aufs Korn zu nehmen.
Schaut man sich die Leather Nun-Diskografie genauer an, war "Steel Construction" das erste Langeisen der Combo. Es folgten weitere Alben. 1988 wurde "International Heroes" von Kim Fowley (Gene Vincent, The Runaways) produziert. Für "Nun Permanent" (1991) saß kein Geringerer als Mick Ronson (David Bowie) an den Reglern.
Vorliegende Platte hatte man noch eigenhändig (Bengt 'Aron' Aronsson) produziert.
An und für sich war die Band ein Trio ohne Bassist. Folglich holte man sich nach und nach recht viele Tiefton-Zupfer ins Studio. Hier sind es Freddie Wadling, der im zu einem Poster ausfaltbaren Booklet als Gruppenmitglied geführt wird und darüber hinaus noch Michael Krönlein.
Neben Aronsson war es Gitarrist Nils Wohlrabe, der für zusätzliche, streckenweise knallharte Sounds sorgte. Zur Anreicherung wurden der Keyboarder Frederik Adlers und Saxofonist Anders Juhlin angeheuert.
Jonas Almqvists Gesang erinnert an den eines Lou Reed und gerade in den sehr schleppenden, zeitlich verzögerten Tracks kommt die Stimme besonders zum Tragen. Wobei deutlich gemacht werden muss, dass Almqvist keine Reed-Kopie ist. Der kann auch ganz anders: "Let Me Be" mit fast gesprochenen denn gesungenen Worten verstärkt nur das Düsternis erzeugende Ambiente. Stoische Drums, wenige Keyboard-Klänge, eher flach wie ein Teppich und fast nicht wahrzunehmende Gitarren geben Almqvist das perfekte Umfeld für seine schockgefrierende Stimme.
Ob die Gitarren sägen, riffen, ganze Wände aufbauen, solieren oder auch gegen die Keyboards nach Mehrheiten suchen, es ist stets etwas los bei The Leather Nun.
Dass man der Platte den Namen "Steel Construction" gab, war eine Punktlandung. Wenn im Untertitel ergänzend »DESIGNED AND PRODUCED TO SATISFY THE MOST EXTREME DEMANDS« angeführt wird, ist die Umschreibung des gelieferten Stoffes perfekt.
Neben den vielen Dunkelphasen hat die CD aber auch lichte Momente. Zum flotten "Someone Special Like You" kann man glatt das Tanzbein schwingen. Flirrende Keyboards und ein Saxofon machen Druck. Die Gitarren schrammeln um die Wette und darüber der Almqvist mit seinem coolen Gesang.
Der folgende Track reiht sich mit auf der Sonnenseite ein.
Nach einem solchen Warm-up haben die E-Gitarren zunächst einmal das Sagen. Manchmal reichen da zwei Sechssaiter nicht aus. Rolf Sepponen verschärft die Gangart und "Just A Hustler" ist eine symphonische Ballade nach Art des Hauses. Lange zieht der Strichjunge in schwüler Nacht um die Blocks. Der Mann am Mikrofon intoniert den Text wie ein Gebet und dann kommt auch noch die Opernstimme von Timo Nieminen hinzu. Ganz großes Verzögerungstheater der Leather Nun, die, so drückt es die Atmosphäre dieses Tracks aus, in einer Kirche Zuflucht gefunden haben!
Die Gruppe hatte auch eine kleine Punk-Ader und wie das klingt, macht "The Summer's So Short" deutlich. Diese Nummer muss allerdings unter Ausreißer, wenn auch gut dargeboten, verbucht werden.
Wofür die Schweden im Allgemeinen stehen wird mit dem 'Kriminaltango' "Trail Of Pain" untermauert. Die verzerrten Gitarren klingen wie unterschiedlich gestimmte Sägen und der Bass pumpt sich zum abgesperrten Tatort durch.
"Godzilla Is Back" ist eine einzige, mit (echten?) auditiven Filmausschnitten versehene Klang-Collage, die im angesprochenen Industrial-Genre eingebettet ist. Relativ schwere Kost, bei diesem gestählten Outfit.
The Leather Nun war ein klasse Band, die es verstand, dem grenzgängerischen Genre eigene, die Ohren schonende Komponenten abzugewinnen und wirkliche Songs zustande brachte, denen eine erträgliche Härte nicht fehlte.
Vielleicht gibt es ja doch irgendwann nach der Neugründung noch eine Platte.
Line-up:
Jonas Almqvist (vocals)
Bengt 'Aron' Aronsson (guitar)
Nils Wohlrabe (guitar)
Freddie Wadling (bass)
Gert Claesson (drums)

Additional Musicians:
Frederik Adlers (keyboards)
Rolf Sepponen (guitar)
Michael Krönlein (bass)
Anders Juhlin (saxophone)
Pia Utbult (backing vocals)
Caroline Rahm (backing vocals)
Gitte Persson (backing voclas)
Ki Rydberg (backing vocals)
Timo Nieminen (opera vocals)
Tracklist
01:Built Up/Dance Dance Dance (4:41)
02:Someone Special Like You (3:56)
03:Lost And Found (3:56)
04:Ride To Live (3:05)
05:Just A Hustler (6:27)
06:Cool Shoes (4:50)
07:Summer's So Short (3:28)
08:Trail Of Pain (4:28)
09:Godzilla Is Back (2:55)
10:Let Me Be (6:23)
11:I Wish (3:27)
12:Special Agent (2:14)
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