The Lovin' Spoonful / Original Album Classics
Original Album Classics Spielzeit: 214:11
Medium: 5-CD
Label: Sony Music, 2012 (1965, 1966, 1967, 1969)
Stil: Rock, Folk, Blues, Country


Review vom 16.04.2012


Steve Braun
Eine hochinteressante Band ist hier und heute erstmals für RockTimes zu besprechen: The Lovin' Spoonful. Die vierköpfige Band wurde Ende 1964 von John Benson Sebastian und Zalman 'Zal' Yanovsky gegründet. Der Name war einer Textzeile des "Coffee Blues" von Mississippi John Hurt entliehen. Sie hatten ihre musikalischen Wurzeln in der damals in New York City hoch angesehenen Folkszene von Greenwich Village. Sebastian war der Sohn eines viel beachteten Harp-Players und kam infolge dessen bereits in Kindheit und Jugendzeit mit zahlreichen Blues-Größen in Kontakt. Aufgrund der hohen Musikalität des Vierers kam man innerhalb kürzester Zeit an einen Plattenvertrag und veröffentlichte zwischen 1965 und 1969 fünf Alben, die nun hier in dieser Box der Sony Musik-Reihe "Original Album Classics" vorliegen - wie gewohnt spartanisch und im Original-Sound.
Do You Believe in Magic Mit "Do You Believe In Magic" lancierte The Lovin' Spoonful 1965 ihr Debütalbum und mit dem Titelsong sogleich den ersten Hit. Da ich bislang nur die Evergreens der Band kannte, bin ich überrascht, wie 'amerikanisch' diese Scheibe klingt. Während aus Britannien seinerzeit zumeist nur zuckersüßer Beat zu hören war, sind die Lovin' Spoonful eindeutig vom Blues und Country inspiriert worden. Beim entspannten Rocker "Do You Believe..." schimmert in der 'Gitarrenarbeit' sogar etwas Westcoast-Feeling durch - eine Stilrichtung, die sich erst Jahre später manifestieren sollte. Mit "Blues In The Bottle" und "Wild About My Lovin'" bedient man sich beim uralten Country Blues. Wenn der exzellente Sänger John Benson Sebastian bei Slow-Bluesern wie "Sportin' Life" und "Night Owl Blues" zur Harp greift, kann man die Magie, die in seinen Begegnungen mit Lightnin' Hopkins und Mississippi John Hurt gelegen haben mögen, förmlich mit Fingern greifen. Auch Country- und Surf-Klänge sind in die knackig-kurzen Songs verwoben. Einzig das süßliche "Younger Girl", das mir übrigens in der Demo-Version besser gefällt, und der ruppig-derbe Blues "On The Road Again" (nein, nicht dieser Klassiker!!) fallen etwas ab.
Abgerundet wird "Do You Believe In Magic" mit dem Outtake "Alley Oop" (hier ist erstmals britischer Beat zu hören) und einigen alternativen Takes. Fazit: Ein unerwartet erstklassiger Einstieg in dieses Boxset!
Daydream Der Nachfolger hieß "Daydream" und erschien ein Jahr später. Erneut brachte man den Titelsong gleich zum Einstieg und diesen sollte eigentlich auch jeder kennen. Auffällig ist, dass fast alle Songs aus Sebastians Feder stammen, während man beim Vorgänger noch relativ viele Traditionals und Fremdkompositionen verwendet hatte. Das Songmaterial erscheint, auch wenn sich stilistisch wenig geändert hatte, insgesamt runder und schlüssiger. Trotzdem will sich der ungeschliffene Charme von "Do You Believe..." erst mit dem Rausschmeißer "Big Noise From Speonk", einem bluesigen Instrumental, einstellen. Nicht nur bei "There She Is" sind jetzt Anleihen beim Beat genommen worden. Auf die Habenseite gehört aber immer noch die Mehrzahl der Songs. Die zauberhafte Ballade "Didn't Want To Have To Do It" gehört ebenso dazu wie der (diesmal einzige) Slow Blues "Day Blues" und immer wenn sich der Country- oder Surf-Musik bedient wird, weiß dieses zweite Album der Lovin' Spoonful zu überzeugen.
Das Bonusmaterial überzeugt einmal mehr. Diesmal sind zwei alternative Takes vom ersten Album, der "Fishin' Blues" und die Long-Version des "Night Owl Blues" dazu gepackt worden. Bei der Demo-Version des Singlehits "Daydream" kann man obendrein noch einem Dialog zwischen der Band und dem Produzenten lauschen. Fazit: Punktabzug, aber immer noch ein überzeugendes Album.
Hums Of... 1966 hatten die Lovin' Spoonful offensichtlich einen guten Lauf: Nach "Daydream" erschienen noch der Soundtrack zum Woody Allen-Film "What's Up Tiger Lily?" und das hier zu besprechende "Hums Of The Lovin' Spoonful" und damit auch als Sahnehäubchen der erste (und einzige) Number-One-Hit: "Summer In The City". Diesen Gassenhauer kann man als Synonym für die Band bezeichnen. Obwohl innerhalb eines Jahres erschienen, glaubt man "Hums Of..." deutlich verbesserte Produktionsbedingungen anzuhören. Die technische Ausrüstung der Studios revolutionierte sich seinerzeit ja geradezu explosionsartig. Zudem experimentierten die Vier deutlich mehr als auf den beiden Vorgängern, mit Akkordeon, Flöte, Fiddle und Maultrommel. Ergebnis ist das bis dato für mich beste Album der Lovin' Spoonful.
Stilistisch bereicherte man sein Portfolio um eine deutliche Prise Folk Rock und man glaubt, den Sound der 'Blumenkinder' vorweg erahnen zu können. Das epochale "Revolver"-Album der Beatles war kurz zuvor erschienen und The Lovin' Spoonful schienen das Gras beim gleichen Dealer erworben zu haben.
An Anspieltipps mangelt es erneut nicht: Ob der zackige Blues "Voodoo In The Basement", die Bluegrass-Nummer "Henry Thomas", das 'hippie-eske' "Full Measure" oder der rumpelige Rocker "4 Eyes". All das wird selbstredend von "Summer In The City" überstrahlt, einem Klassiker, der in die erste Reihe der Musikhistorie gehört! Erneut runden fünf Boni diese Neuauflage ab. Fazit: "Hums Of The Lovin' Spoonful"? No fillers, only killers! Aber es sollte noch besser werden...
Everything Playing Im Jahr darauf lieferten The Lovin' Spoonful mit "You're A Big Boy Now" den zweiten Soundtrack für einen Film Woody Allens ab und in der zweiten Jahreshälfte erschien "Everything Playing". Der Südstaatler Jerry Yester, der bereits bei früheren Aufnahmen der Band Piano gespielt hatte, ersetzte unter kuriosen Umständen Zal Yanovsky. Dieser war zuvor wegen Marihuanabesitzes verhaftet worden und hatte, damit er nicht in seine kanadische Heimat abgeschoben wurde, den Namen seines Dealers verraten. Sowas ging damals gar nicht... Geächtet von der New Yorker Musikszene musste sich Zal dann doch nach Kanada zurückziehen und versuchte sich an einer Solokarriere...
"Everything Playing" kann man durchaus als einen musikalischen Quantensprung bezeichnen. Wie die Beatles arbeiteten nun auch The Lovin' Spoonful mit Streichern (wie im überragenden Opener "She Is Still A Mystery"), Bläsern ("Priscilla Millionaira") oder Hammond ("Try A Little Bit"). Die bluesigen Wurzeln waren zwar durchaus noch wahrnehmbar, fügten sich aber deutlich geglättet in die vom 'Flower Power' inspirierte Musik ein. Einen Nummer-1-Hit wie "Summer In The City" konnte die Band nicht mehr zeitigen, allerdings platzierten sich das angesprochene "She Is...", das mit einem Clavinet virtuos eröffnende "Six O'Clock" und das minimalistische "Money" locker in den Top-40 der Billboard-Charts. Obwohl es schwer ist, aus diesem herausragenden Songzyklus ein Stück herauszubrechen, kann man doch das orchestrale Instrumental "Forever" und das monumentale "Close Your Eyes" als die Highlights der Platte bezeichnen. Hier war die Band weitaus näher der klassischen Musik als dem Rock zuzuordnen, was den 'progressiven' Charakter von "Everything Playing" unterstreicht. Fazit: Das eindeutig beste Album der Lovin' Spoonful.
Revelation: Revolution '69 Nach dieser Platte erfolgte 1968 der Ausstieg von Sänger John Benson Sebastian, der eine (minder erfolgreiche) Solokarriere startete. Seinen Gesangspart übernahm Bassist John Boone, der auf "Everything Playing" bereits "Priscilla Millionaira" gesungen hatte. Man machte als Trio weiter, aber obwohl noch zwei Gründungsmitglieder an Bord waren, nannte man sich nun The Lovin' Spoonful feat. Joe Butler. Das barg natürlich den Keim des ein Jahr später erfolgenden Splits bereits in sich...
"Revelation: Revolution '69" erschien 1969 und trug bereits deutlich psychedelische Züge. John Boone machte seine Sache als Sänger recht gut, jedoch ging ihm völlig Sebastians charismatische Ausdruckskraft ab. Der Titelsong und "Me About You" floppten zwar gnadenlos in den Charts, was aber nicht heißt, dass auf dieser Scheibe kein Hitpotenzial zu verzeichnen wäre: "Never Going Back" oder "Run With You" hatten jedenfalls das notwendige Ohrwurm-Format. Textlich wie musikalisch war The Lovin' Spoonful mit dem Antikriegslied "War Games" (klingt wie der Soundtrack zu einem Online-Game), "The Prophet" und dem Titelsong voll auf der Höhe des Hippie-Zeitgeistes. War man mit dem Vorgänger noch auf experimenteller Suche, so scheinen sie mit "Revelation: Revolution '69" im breiten psychedelischen Mainstream gelandet zu sein, was ich bitte nicht als Kritik verstanden haben will! Nur verfügt Butler, der Sebastian als Hauptsongschreiber abgelöst hatte, offensichtlich nicht über dessen Ideenfundus.
Man kann die gesamte Platte mit Genuss anhören, hat aber immer das Gefühl, das alles schon mal von einer anderen Band viel besser gehört zu haben. Fazit: Musikalisch kann "Revelation: Revolution '69" auf großen Strecken mit "Everything Playing" Schritt halten - Abzüge gibt es allerdings für Gesang und Originalität.
Was blieb von den Lovin' Spoonful? Die Reunion von 1991 brachte keinen kommerziellen Erfolg. Man ist zwar bis heute in den unterschiedlichsten Formationen zusammen, aber zu 'Frischware' hat es nicht mehr ausgereicht. Offensichtlich will man sich mit Greatest-Hits-Shows bei Oldie-Partys finanziell über Wasser halten. Die Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame am 6. März 2000 war allerdings hoch verdient - alle vier Gründungsmitglieder nahmen diese hohe Auszeichnung entgegen.
Mit dieser fünfteiligen CD-Box aus der "Original Album Classics"-Serie kann man ein fast vergessenes Stück Zeitgeschichte aus den Sixties neu aufleben lassen. Für mich war es eine spannende Zeitreise in einen Abschnitt meines Lebens, als ich Musik noch nicht bewusst wahrnehmen konnte.
Line-up:
John Benson Sebastian (CD 1-4 - lead vocals, harp, guitar)
Zalman 'Zal' Yanovsky (lead guitar - CD 1-3)
Jerry Yester (lead guitar - CD 4, 5)
John Stephen Boone (bass, CD5 - lead vocals)
John Campbell Butler (drums)
Tracklist
CD 1 - Do You Believe In Magic:
01:Do You Believe In Magic (2:07)
02:Blues In The Bottle (2:12)
03:Sportin' Life (4:04)
04:My Gal (2:38)
05:You Baby (2:56)
06:Fishin' Blues (2:02)
07:Did You Ever Have To Make Up Your Mind? (1:59)
08:Wild About My Lovin' (2:36)
09:Other Side Of This Life (2:30)
10:Younger Girl (2:20)
11:On The Road Again (1:51)
12:Night Owl Blues (3:05)
Bonus Tracks:
13:Alley Oop (2:17)
14:Younger Girl [Demo Version] (2:39)
15:Blues In The Bottle [Alternate Version] (3:02)
16:Wild About My Lovin' [Alternate Version] (2:36)
17:Other Side Of This Life [Instrumental] (2:31)
CD 2 - Daydream:
01:Daydream (2:21)
02:There She Is (1:58)
03:It's Not Time Now (2:49)
04:Warm Baby (2:03)
05:Day Blues (3:15)
06:Let The Boy Rock And Roll (2:34)
07:Jug Band Music (2:53)
08:Didn't Want To Have To Do It (2:39)
09:You Didn't Have To Be So Nice (2:29)
10:Bald Headed Lena (2:25)
11:Butchie's Tune (2:37)
12:Big Noise From Speonk (2:21)
Bonus Tracks:
13:Fishin' Blues [Alternative Instrumental Version] (2:32)
14:Didn't Want To Have To Do It [Demo Version] (2:49)
15:Jug Band Music [Alternative Instrumental Version] (2:54)
16:Daydream [Demo Version] (3:19)
17:Night Owl Blues [Complete Version] (4:39)
CD 3 - Hums Of The Lovin' Spoonful:
01:Lovin' You (2:29)
02:Bes' Friends (1:54)
03:Voodoo In My Basement (2:29)
04:Darlin' Companion (2:22)
05:Henry Thomas (1:43)
06:Full Measure (2:42)
07:Rain On The Roof (2:13)
08:Coconut Grove (2:43)
09:Nashville Cats (2:35)
10:4 Eyes (2:53)
11:Summer In The City (2:45)
Bonus Tracks:
12:Darlin' Companion [John Sebastian Solo Demo] (2:23)
13:Rain On The Roof [Instrumental Version] (2:17)
14:4 Eyes [Alternate Extended Version] (3:41)
15:Full Measure [Instrumental Version] (2:43)
16:Voodoo In My Basement [Instrumental] (2:40)
17:Darlin' Companion [Alternate Vocal Mix] (2:25)
CD 4 - Everything Playing:
01:She Is Still A Mystery (3:01)
02:Priscilla Millionaira (3:13)
03:Boredom (2:25)
04:Six O'Clock (2:43)
05:Forever (4:23)
06:Younger Generation (2:42)
07:Money (1:55)
08:Old Folks (3:05)
09:Only Pretty, What A Pity (3:03)
10:Try A Little Bit (3:06)
11:Close Your Eyes (2:47)
Bonus Tracks:
12:She Is Still A Mystery [Alternate Version] (3:11)
13:Only Pretty, What A Pity [Alternate Version] (2:57)
14:Try A Little Bit [Alternate Version] (3:01)
CD 5 - Revelation: Revolution '69:
01:Amazing Air (2:56)
02:Never Going Back (2:55)
03:The Prophet (2:51)
04:Only Yesterday (2:48)
05:War Games (7:02)
06:(Til I) Run With You (1:58)
07:Jug Of Wine (2:49)
08:Revelation Revolution '69 (2:26)
09:Me About You (3:52)
10:Words (2:24)
Bonus Tracks:
11:Revelation Revolution '69 [Single Version Alternate Mix] (2:31)
12:Revelation Revolution '69 [Single Version Alternate Mix Vocal] (2:20)
13:Me About You [Single Version Alternate Mix] (2:48)
14:Younger Girl [Alternate Take/Previously Unreleased] (2:39)
 
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