Lucifer's Friend
Lucifer's Friend
Aus der Frühzeit des Rock stammt dieses Schätzchen. Als der 'Philips'-Konzern nicht nur Kassettenrekorder baute, sondern auch gleich die Vorlagen zum Kopieren produzierte. Ja richtig, der holländische Elektronik-Riese unterhielt ja auch ein Plattenlabel. Im Klassikbereich wegen der Anbindung an das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam selbst heutzutage noch, aber das ist eine andere Geschichte.
Aus der gerade so richtig aus den Startlöchern kommenden Rockbewegung hatte 'Philips' so einige Hochkaräter unter Vertrag und konkurrierte direkt mit seiner eigens gegründeten, 'progessiven' 'Vertigo'-Tochter. Mit diesem Quintett hatten die 'A&R'-Leute (auch DAS gab's mal) aus Eindhoven ein richtig glückliches Händchen. Eine deutsche Band, die neben professioneller Spielweise auch wegen dem Engländer John Lawton gesanglich eben nicht als solche zu erkennen war. Nix mit 'Sänk ju' oder 'Sis is Klessig-Rog'-Akzent-Gegurke, das man leider üblicherweise bei meinen Landsleuten so vernahm (und bis heute vernimmt!)
Led Zeppelin meets Uriah Heep meets Black Sabbath könnte die Kurzformel lauten. Bemerkenswert: Aufgenommen 1970, als der gerade so richtig an Höhe gewinnende und seine ekstatischen Eigengeräusche abgebende Zeppelin durch das Universum schwirrte und die sich nach einer Charles Dickens-Figur benannten Heeps als auch die Doom-Erfinder um Ozzy ihre ersten Gehversuche gerade hinter sich hatten. Von Klau kann keine Rede sein!
Im Gegenteil - konnte man doch Uriah Heep auf späteren Platten dabei ertappen, die Machart des Openers "Ride The Sky" direkt zu klonen. Vielleicht war es folgerichtig, dass Lawton dann auch ein paar Jahre später bei dieser Truppe angeheuert hatte. Besser als auf diesem Debüt von Lucifer's Friend war er aber nie. Hier passte einfach alles.
"Everybody's Clown", von einer groovenden Basslinie, zielsicher platzierten Riffs und schweren Hammond-Klängen angetrieben zeigt bis heute eine Spielfreude und Klasse, daß es eine wahre Freude ist. Das Wah-Wah-Pedal war eine einigermaßen neue Technik, die hier perfekt eingesetzt wurde. Was für ein Hammer-Song!
Ebenso gänsehauterregend ist dann "Keep Goin'", das einen Drive entwickelt, der nicht nur vor über 35 Jahren Grinsfalten in's Gesicht zeichnete, das ist immer so, wenn man diesen Track hört. Zeitlos also, inklusive saftiger Gitarrensoli, was auch auf jeden (!) der anderen Songs zutrifft. Ich jedenfalls kann mich seit dem Erscheinen der Platte nicht an dieser stilsicheren Musik satt hören. Hier hechelte keiner durch das nächste x-beliebige Medley, wie es ja auch zu jener Zeit bei manchen so gang und gäbe war.
Ähnlich Led Zep kann man den Musikern aus Hamburg eine atemberaubende Spielsicherheit bescheinigen, das Setzen von 'Duftmarken' im Sound gelingt ihnen ebenso gut. Vergleichbar auch diese gekonnte 'heavyiness', obwohl Lucifer's Friend natürlich viel mehr keyboardlastig war und ohne einen gnadenlos zuschlagenden John Bonham auskommen mußte. Manche der Gitarrensoli erinnern sicherlich an den Stil des Tony Iommy von der ersten Black Sabbath-Platte. Wer war zuerst da? Die Henne oder das Ei? Diese Frage ist durchaus berechtigt, kann aber auch hier nicht entschieden werden...
Das Endergebnis zeigt einfach eine Menge Parallelen auf. Im Jahr 1970 war dies nichts weniger als ein in Vinyl gepresstes Statement, wie man es kaum besser abgeben konnte. Die Band stand eindeutig auf 'Augenhöhe' mit all ihren Konkurrenten und auch produktionstechnisch war dies eine Großtat, die man nicht nur kennen, sondern auch im Regal stehen haben sollte.
Spätere Werke trugen dann leider entweder den Stempel 'skurril' - etwa der Nachfolger "Where The Groupies Killed The Blues" oder drifteten in den End-Siebzigern in Musikrichtungen ab, die man nicht glaubwürdig vertreten konnte. Einzig die 74-er LP "Banquet" mit den beiden über 11 Minuten langen Tracks "Spanish Galleon" und "Sorrow" konnte noch mal voll überzeugen, wenn auch weniger 'hard&heavy' als auf dem Debüt.
Die Bonustracks stammen stammen nicht aus der Anfangsphase und haben fast nichts mehr mit dem Sound der '70-er Platte zu tun. Eigentlich sind sie sogar fehl am Platz...aber Bonustracks sind ja scheinbar ein Verkaufsargument. Nichts hindert den Hörer, ab Track 9 abzuschalten, oder wenn er diese Songs hört, sich zu wundern...
Dieser zwingende Rock - dieses eindringliche Klanggemälde - in Gestalt der acht Titel des Lucifer's Friend-Debüts lebt zum Glück weiter und scheint zumindest an Einfluß unsterblich. Wenn ich mir beispielsweise die vom Kollegen Olli so gepriesenen Siena Root anhöre, wird klar: Auch die haben sich nach Jahrzehnten intensiv mit dem Erstlingswerk von Lucifer's Friend auseinandergesetzt.
Hervorragende Platten beweisen eben, dass das Potential [sic!] nachfolgender Generationen auch in der (gekonnten) Verwertung liegt. Das ist nicht abschätzig gemeint, sondern macht Spaß zu hören, daß jemand diese Fahne wieder hoch hält! Es geht aber nun mal nichts über das berauschende Element eines zum Zeitpunkt dieser Review mehr als 35 Jahre alten Originals, da sind wir uns doch alle einig, oder?


Spielzeit: 59:02, Medium: CD, Repertoire Records, 1990 (Erstveröffentlichung auf Philips 1970)
1:Ride The Sky (2:56) 2:Everybody's Clown (6:12) 3:Keep Goin' (5:27) 4:Toxic Shadows (7:01) 5:Free Baby (5:28) 6:Baby, You're A Liar (3:56) 7:In The Time Of Job When Mammon Was A Yippie (4:05) 8:Lucifer's Friend (6:12)
Bonustracks: 9:Rock'n'Roll Singer (4:21) 10:Satyr's Dance (3:18) 11:Horla (2:53) 12:Our World Is A Rock'n'Roll Band (3:21) 13:Alpenrosen (3:53)
Manni Hüther, 07.04.2006
Externe Links:

Lucifer's Friend bei Wikipedia
Anmerkung: Die erste Platte wurde im Gegensatz zu den späteren Werken natürlich nicht bei Vertigo (wie bei Wikipedia beschrieben), sondern bei der Konzernmutter Philips veröffentlicht. Ich besitze noch die Original-LP und das ist unzweideutig!