Charles Mingus / The 1962 Town Hall Concert
The 1962 Town Hall Concert Spielzeit: 78:16
Medium: CD
Label: United Artists/Phoenix Records/STF Records, 2013 (1962)
Stil: Jazz


Review vom 21.04.2013


Wolfgang Giese
Ich habe ihn selbst noch kennengelernt, als nörgeligen Querkopf, der sich über seine Musiker und ihm nicht genehme Umstände mokierte, diesen am 22.4.1922 geborenen und am 5.1.1979 verstorbenen Jazz-Bassisten und Komponisten: Charles Mingus.
Dieses Album wurde seinerzeit, als es auf LP-Länge gestutzt nicht in kompletter Fassung bei United Artists erschien, regelrecht verrissen. Tatsächlich soll es seinerzeit recht chaotisch zugegangen sein, angefangen von der Planung über die Ausführung während des Konzerts bis zum vorgelegten Produkt, das teilweise mit falschen Titeln bestückt war und - wie besagt - nur Auszüge des Ganzen enthielt.
Beeindruckend ist zunächst einmal jedoch diese Ansammlung hochkarätiger Musiker. Allein das müsste jedenfalls ein hervorragendes Ergebnis zur Folge haben. Dieses als großorchestrales Werk geplante Ereignis sollte den Namen "Epitaph" tragen. Nur einige Teile dessen wurden dann als "Town Hall Concert" veröffentlicht. Später gab es auf Blue Note Records unter dem Titel "The Complete Town Hall Concert" dann alles komplett zu hören. Nun hat man bei dieser Veröffentlichung, wieder unter den originalen Namen, noch die Studioversion von "Peggy's Blue Skylight" hinzugefügt - aufgenommen im November 1961 und veröffentlicht auf der Platte "Oh Yeah".
Egal wie es auch immer war, es ist nicht 1962 und ich sitze nicht in der Town Hall in New York, sondern bei mir zu Hause im Jahre 2013. Ungeachtet dessen, was sich damals im Einzelnen ereignete, lasse ich die Musik nun auf mich einwirken. Und das ist ein teils verstörendes, aber auch faszinierendes Erlebnis - aber nie ein Flop, der sich vor meinen Ohren ausbreitet.
Angelehnt an "Also sprach Zarathustra" - so klingt es jedenfalls - gibt es eine Einleitung, mit Worten von Mingus, der eine kleine Geschichte erzählt. Unter anderen spricht er von »freedom for our brothers and sisters«. Das Ganze klingt wie eine Mischung zwischen archaischem Worksong, Gospel und afrikanischen Elementen. Hinter einer Wand von Blech- und Holzbläsern, mit anschwellender Wucht und abebbenden Elementen, quillt gleich beim zweiten Teil von "Freedom" der Blues aus den Boxen. Der nicht so oft in Erscheinung tretende Gitarrist Les Spann gibt einige schroffe Riffs dazu - alles zusammen ergibt eine spannende Mischung, die von Publikum offensichtlich auch entsprechend gut beklatscht wird.
Aber auch 'frei' wird es ab und zu, wenn sich zum Beispiel bei "Epitaph Part 1" das Arrangement aufzulösen scheint, um letztlich in einen Dialog zwischen Saxofon und Bass zu münden, bis dann der Rest des Ensembles die Beiden mit elegant zurückhaltender Präsenz stört. Sicher hört man trotz der Bemühungen der Tontechniker, dass die Abmischung seinerzeit auch wohl Schwierigkeiten wegen der schlechten technischen Bedingungen bereitete. Wen aber die nicht immer perfekte Staffelung einzelner Instrumente nicht stört, wird zumindest auf teils ungewöhnliche Arrangements treffen, die unter anderen auch orientalische Elemente mit einbezogen. Man lausche diesbezüglich nur einmal "Epitaph Part 2", bei dem der Gitarrist erneut einige Sprenkel hineinwirft und damit einen gewissen Gegenpart bildet.
Insgesamt betrachtet erinnert mich einiges an Duke Ellington und beeindruckend ist für mich auf jeden Fall das Zusammenwirken dieser Menge an Musikern, deren Zusammenspiel dann auch wieder starke Ähnlichkeiten zu Arrangements des Exzentrikers Sun Ra aufweisen. Noch einmal wird "Epitaph Part 1" hervorgeholt, um hier als Zugabe zu fungieren. Schön, dass man Eric Dolphy noch einmal als Solisten bewundern kann. Den Beifall hat man hier dann wohl weggeschnitten oder hatte das Publikum den Saal schon verlassen? Warum nun die Studioversion von "Peggy's Blue Skylight" als Bonus beschert wurde, bleibt mir unergründlich. Wer sich für Charles Mingus interessiert, hat die Platte "Oh Yeah" ohnehin - also ein 'Appetithäppchen' hierfür?
Line-up:
Charles Mingus (bass)
Snooky Young (trumpet)
Ernie Royal (trumpet)
Richard Williams (trumpet)
Clark Terry (trumpet)
Eddie Armour (trumpet)
Lonnie Hillyer (trumpet)
Rolf Ericson (trumpet)
Quentin Jackson (trombone)
Britt Woodman (trombone)
Jimmy Cleveland (trombone)
Willie Dennis (trombone)
Eddie Bert (trombone)
Paul Faulise (trombone)
Eric Dolphy (alto sax)
Charles McPherson (alto sax)
Charlie Mariano (alto sax)
Buddy Collette (alto sax)
Romeo Penque (oboe)
Zoot Sims (tenor sax)
George Berg (tenor sax)
Jerome Richardson (baritone sax)
Pepper Adams (baritone sax)
Danny Bank (contrabass clarinet)
Jaki Byard (piano)
Toshiko Akiyoshi (piano)
Les Spann (guitar)
Milt Hinton (bass)
Dannie Richmond (drums)
Warren Smith (vibes, percussion)
Grady Tate (percussion)
Melba Liston (arranger)
Bob Hammer (arranger)
Gene Roland (arranger)
Jimmy Knepper (trombone - #13)
Booker Ervin (tenor sax - #13)
Rahsaan Roland Kirk (tenor sax, manzello, stritch - #13)
Doug Watkins (bass - #13)
Tracklist
01:Freedom - Part One (3:47)
02:Freedom - Part Two [aka Clark In The Dark] (3:14)
03:Osmotin' (2:50)
04:Epitaph - Part One (7:03)
05:Peggy's Blue Skylight (5:21)
06:Epitaph - Part Two (5:10)
07:My Search (8:09)
08:Portrait (4:34)
09:Duke's Choice [aka Don't Come Back] (5:12)
10:Please Don't Come Back From The Moon (7:24)
11:In A Mellotone [aka Finale] (8:21) [Duke Ellington]
12:Epitaph - Part One [alternate take] (7:23)
13:Peggy's Blue Skylight (9:43)
(All compositions by Charles Mingus unless otherwise noted)
Externe Links: