Morblus
90% Blues 10% Funky 101% Pure Morblus - Live
90% Blues 10% Funky 101% Pure Morblus - Live Spielzeit: 64:34
Medium: CD
Label: Azzurra Music, 1997
Stil: Blues & More


Review vom 24.02.2012


Jürgen Hauß
Da hatte ich mir gerade die neue CD der Italo-Blueser von Morblus zwecks Erstellen eines Reviews vorgenommen, schon musste ich mir aufgrund einer diesbezüglichen Anfrage bei der RockTimes-Redaktion sagen lassen, dass sich bereits ein Redakteur mit der Scheibe beschäftige. Das ist das Leid der Gastschreiber, aber das geht auch so in Ordnung. Vorliegend umso mehr, als der geschätzte 'Joe' Brookes aus gegebenem Anlass geradezu prädestiniert ist, sich der auf der Homepage der Band als »die heiß ersehnte neue Live CD "Live At The Camploy Theatre" angekündigten Scheibe zu widmen.
Bei meinen Recherchen zu der 'neuen' CD war ich auf eine noch ältere Veröffentlichung von Morblus gestoßen, der vorliegenden CD "90% Blues 10% Funky - 101% Pure Morblus", die mich ähnlich begeistert, wie das sonstige Material der Band, so dass ich mich mit einem Review hierüber entschädige.
Über die Band - üblicherweise in einer Viererbesetzung - ist andernorts bereits genug geschrieben, so dass ich darauf verweisen möchte. Bemerkenswert ist übrigens, dass ihr Musik-Konserven-mäßiger Output überwiegend aus Live-Dokumentationen besteht. Für die vorliegende CD hat sich die Band ihren Namen um den Zusatz Funky Blues Band ergänzt, womit das Thema vorgegeben ist. Morblus haben sich für das hier dokumentierte Konzert mit einem Bläser-Ensemble verstärkt, das auf der Band-Homepage als Boomer Horns benannt ist. Da ich mir nicht die CD gekauft, sondern lediglich die Musik (legal!) aus dem Internet heruntergeladen habe (leider auch ohne 'Electronic Booklet'), fehlen mir jegliche ergänzende Informationen zu den anwesenden Musikern; auch im Internet habe ich keine näheren Angaben entdecken können. Das geht leider soweit, dass ich beim abschließenden Line-up sogar auf Nennung des Drummers verzichten muss; den Bassisten kann ich nur angeben, weil dieser beim Schluss-Song namentlich vorgestellt wird (Gleiches gilt zwar auch für den Drummer, doch dessen Namen kann ich auch nach mehrmaligem Hören nicht verstehen).
Ein Blick auf die Tracklist verrät jedenfalls auf den ersten Blick, dass das Repertoire (zumindest weit überwiegend) offensichtlich aus Cover-Versionen bekannter Blues-Klassiker besteht. Das ist für sich genommen ja nicht schändlich, wenn die Neueinspielungen nicht nur eine 1:1-Kopie des Originals sind. Und derartige Doubletten vermag ich hier nicht zu entdecken, zu eigenständig sind die Morblus-Interpretationen - gerade halt wegen des funkigen Ansatzes.
"The Boomers" ist aufgrund seiner nur geringen Länge nicht mehr als ein Intro für das, was noch kommen wird, macht aber gleichwohl deutlich, wohin die Reise geht. Blues-Songs, denen durch gewaltiges Gebläse Soul und Funk eingehaucht werden, so dass sie - wenn nicht auch das Original entsprechend intoniert wurde - in völlig neuem Gewande daher kommen. Dies gilt praktisch durchgängig, so dass es fast überflüssig ist, auf die folgenden Songs im Einzelnen näher einzugehen.
Bei "Hideaway" sind es aber nicht allein die Bläser, die den Ton angeben. Auch das Keyboard - mangels näherer Informationen gehe ich davon aus, dass es sich um den Standard-mäßigen Tastenmann der Band Daniele Scala handelt - legt Klangteppiche aus, dass es eine wahre Freude ist. Bei dem instrumentalen Freddie King-Klassiker waren allerdings die Bläser seinerzeit deutlich zurückhaltender. Ähnlich angelegt ist auch "Come With Me", doch die markante Stimme des Namensgebers der Band, Roberto Morbioli - von dem auch die Komposition stammt - im Stile eines David Clayton-Thomas, gibt dem Song eine ganz andere Note.
Überhaupt klingt die CD über weite Strecken stark nach Blood, Sweat & Tears und ihrem charismatischen, soeben genannten Lead-Sänger (wobei ich wieder einmal feststelle, dass über beide bislang keine eigenständigen Beiträge auf RockTimes erschienen sind - das sollte sich ändern!), aber das ist auch kein wirkliches Wunder bei dem thematischen und instrumentellen Ansatz der vorliegenden CD.
"Got My Mojo Working", den Muddy Waters-Klassiker, habe ich bislang noch nie so funkig interpretiert gehört, daher: warum auch nicht? Wirklich starker Rhythmus, der hier fast schon pointilistisch daher kommt. Beim folgenden "Ain't Nobody's Business" wird demgegenüber deutlich das Tempo vermindert, der Song bekommt mehr 'Soul' als 'Funk' und bietet damit eine gute Abwechslung. Und mit dem Einsatz einer Bluesharp wird er sogar richtig zum 'Blueser'. Unter der Vielzahl bekannter Interpretationen habe ich selten 'so viel Gefühl' vernommen - große Klasse!
Und wieder mehr als einen Gang zugelegt: "Caldonia" der uralte Jump-Blues von Louis Jordan, der ihn seinerzeit auch mit viel Blech- und Holzgebläse untermalte. Auch hier hüpft die Musik flott daher und bewegt einen unwillkürlich mit. Zwischendurch wieder einmal sehr intensiv ergänzt durch die tolle 'Schweineorgel'. In dem Tempo bleibt es mit "Funkin' Up", mit dem es - nomen est omen - wirklich funkig zugeht. Dieser Instrumental-Track - eine weitere Eigenkompositionen von Morbioli - lebt aus dem Zwiegespräch zwischen den Bläsern und wiederum der Orgel.
"You Gonna Miss Me" mit einem Wahnsinns-Intro auf der Schweineorgel, das stark an
Jon Lords "Back At The Chicken Shack" erinnert, das er mit The Hoochie Coochie Men auf
Live At The Basement eingespielt hat (eigentlich müsste man die Assoziation umgekehrt formulieren, denn die zitierte Aufnahme ist jüngeren Datums). Anschließend kommt wieder das bewährte Funk-Konzept zum Einsatz. Es handelt sich übrigens um eine Komposition von Roberto Morbioli gemeinsam mit einem anderen bekannten Italo-Blueser: Rudy Rotta.
"The Stumble" shuffelt unter hervorgehobenem Einsatz eines Pianos flott daher, aber auch die Solo-Gitarre kommt zum Vorschein - und natürlich auch die Bläser-Sektion, dafür ist der
Peter Green-Klassiker (aus der Bluesbreakers-Phase bei John Mayall) selbstverständlich aber rein instrumental arrangiert.
Den Schlusspunkt bildet "Mustang Sally" - bekannt in erster Linie durch Wilson Pickett, obwohl die Original-Einspielung gar nicht von ihm, sondern von Mack Rice stammt. Dementsprechend soulig kommt das Ganze herüber. Immerhin gibt das Stück dem Schlagzeuger und dem Bassisten nacheinander einmal Gelegenheit, ihr Können solistisch zu präsentieren - verdient haben es beide allemal, da sie ansonsten den Hauptprotagonisten Roberto Morbioli und Daniele Scala - sowie natürlich den Boomer Horns den Rücken freihalten.
Mein Resumee? Meines Erachtens stimmt die titelprägende Gleichung nicht ganz. Der Funk-Anteil an der Scheibe ist angesichts des permanenten starken Gebläses sicherlich deutlich höher als mit 10% zu bewerten. Dennoch (oder auch gerade deshalb): Das Ergebnis stimmt! Es ist eine geniale Darbietung, die über einen üblichen Morblus-Auftritt hinausgeht. Und daher ist die Titelgebung "90% Blues 10% Funky 101% Pure Morblus - Live" sicherlich nicht vermessen, sondern (mehr als) angemessen! Wer also Blues mit viel Blech- und Holz-Gebläse mag, für den ist die Scheibe voll zu empfehlen!

Übrigens: Auch ich musste mich verdammt konzentrieren, um dem Bandnamen nicht automatisch mindestens ein 'e' zuzufügen, denn auch für mich gilt: Morblus - please: More Blues! Gerne auch funkig!
Line-up:
Roberto Morbioli (guitar, vocals)
Daniele Scala (Hammond organ, keyboard)
Luca Zulian (bass)
? (drums)
Tracklist
01:The Boomers (1:24)
02:Hideaway (4:46)
03:Come With Me (6:35)
04:Got My Mojo Working (6:27)
05:Ain't Nobody's Business (8:32)
06:Caldonia (8:30)
07:Funkin' Up (7:34)
08:You Gonna Miss Me (6:23)
09:The Stumble (4:06)
10:Mustang Sally (9:30)
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