Nazareth / It's 'Snaz
It's 'Snatz
In der Oktoberausgabe vom "Eclipsed" wurden die "50 ultimativen Livealben des Rock" gekürt. Selbstverständlich ging auf den Leserbriefseiten des Magazins ab der Novemberausgabe das zu erwartende kleinkarierte Gezeter und Genörgel los.
In etwa so:
"Warum habt ihr die Livescheibe von DENENDA nicht aufgeführt?"
"Das Livealbum von DIESEN TYPEN dort unter den ersten 50? Lächerlich!"
"Von JENEN habt ihr das zweite Livealbum drin, aber das erste nicht?"

Ja, sind die jetzt alle völlig durchgeknallt?
Aber dass die Kollegen "It's 'Snaz" von Nazareth nicht unter den "besten 50 Livealben des Rock" aufgeführt haben, ist nun wirklich ein Skandal!
Im Mai 1981 wurde die Nazareth-Show in Vancouver mitgeschnitten und als Doppel-LP veröffentlicht. Als besonderes Schmankerl lag dem Album hierzulande noch eine Single bei. Eingeritzt waren zwei Songs. Auf der einen Seite "Morning Dew" und auf der anderen Seite die deutsche Version davon, mit dem etwas überraschenden Titel "Morgentau".
Leider habe ich dieses Juwel translingualer Rockmusik-Globalisierung nicht mehr hier, aber dunkel erinnere ich mich an dieses Textfragment:
"Nun hast du keinen Morgentau mehr, heute!"
Das ganze wurde natürlich vorgetragen von der markanten Reibeisenstimme Dan McCaffertys, inclusive seines harten schottischen Akzents. Kann sein, dass dieses Zitat nicht hundertprozentig korrekt wiedergegeben ist. Jedenfalls beneidet die RockTimes-Crew alle, die noch im Besitz dieser obskuren Single sind.
"It's Saz" war nach meiner Zählung das 13. Album der Hard-Rock-Band. Vielleicht wäre es noch erfolgreicher gewesen, wenn es zwei oder drei Jahre früher erschienen wäre. Unbestritten sind nämlich ein paar richtig harte Stücke in der Set-List, die auch in der damaligen Schwermetallfraktion seismologische Erschütterungen verursacht hätten und vielleicht sogar verursacht haben. Insgesamt befand sich die Heavy Metal- Szene aber genau zum dem Zeitpunkt, als "It's 'Snaz" erschien, in einem gewaltigen Umbruch. Unter dem Trademark "NWOBHM" erschienen urplötzlich haufenweise neue Bands mit neuen Sounds und bisher unbekannter Härte und Aggressivität.
Die traten den etablierten Hardrockern gehörig in die Weichteile und die Fans traten mit.
Doch das mindert die Qualität dieser Live-Scheibe nicht im Geringsten.
Die Highlights:
Gleich mit "Telegram" beginnt das Nazareth- Liveerlebnis. Um die richtige Stimmung zu erzeugen hat man sogar noch ein paar Takte der nervigen Vorkonzertmucke als Intro verwurstet. Das trockene Gitarrenstakkato des Riffs ist legendär. Wenn Dan McCafferty dann mit dem "Singen" beginnt, kommt unweigerlich die Frage auf, ob er schon beim nächsten Song das Handtuch werfen muss oder erst beim übernächsten - und zwar wegen Kehlkopfverfransung.
Über "This Flight Tonight" muss nicht mehr viel gesagt werden. Die Nazareth- Version dieses aus der Feder von Joni Mitchell stammenden Songs gehört auch heute noch zum Standardprogramm vieler Rockdiscos.
"Beggers Day" kann jederzeit Pate stehen, wenn es gilt irgendjemanden erklären zu müssen, was Hardrock eigentlich ist. Das Ding ist treibend, verfügt über einen heißen Gitarrenriff und über ein immer noch modern klingendes Gitarrensolo. Das Ganze überbrät Dan McCafferty zudem noch mit einer röhrenden "Brüllmelodie".
Ein Nazareth- Klassiker ist "Hair Of The Dog". Den Beginn macht das jecke Schlagzeugintro. Meißelt der Trommler da auf so einer Art dumpfer Cowbell herum? Den Höhepunkt bildet aber ganz klar der Gitarrenpart in der Mitte des Songs durch den Einsatz der Voicebox.
"Expect No Mercy" wurde von vielen Hardrockern/Schwermetallern der damaligen Zeit als ihr Fave des Albums tituliert. Es schneidet mit gutem Tempo, schrillen Leadgitarrenparts und einem vorzüglich gebrüllten Ref durch die Luft.
Der absolute Hammer ist die Nazareth-Interpretation von "Shapes Of Things". Von diesem Ding kennt man ja diversen Versionen. Alle mir bekannten sonstigen lehnen sich an die ursprüngliche, doch etwas wie "Trallalla" klingende Strophenmelodie an. Aber bei Nazareth wird die, tja, "Gesangslinie" vom ersten Ton an in die Welt gebölkt. Und das aus vollem Hals und erbarmungslos konsequent.
Die mir vorliegende CD ist schon etwas älter und mit 73:35 Minuten Spielzeit für die damalige Zeit wohl randvoll gepackt worden. Aber der Platz reichte nicht, denn im Gegensatz zur Doppel-LP ist "Let Me Be Your Leader" nicht enthalten.
Einige mag das stören. Aber letztendlich ist dieser Weichspülsong durchaus vernachlässigbar und fehlt dem Gesamtwerk nicht. Das Booklet ist gerade mal vierseitig, bietet außer den Songs keine weiteren Informationen und wäre daher auch zu vernachlässigen. Wenn nicht das Foto mit den beiden schmierigen Dreckspatzen abgedruckt wäre. Mensch, waren wir auch mal so jung?
Spielzeit: 73:35, Medium: CD, Fool Circle LTD, 1981
1:Telegram 2:Razamanaz 3:I Want To Do Everything For You 4:This Flight Tonight 5:Beggars Day 6:Heart's Grown Cold 7:Java Blues 8:Cocain 9:Holiday 10:Dressed To Kill 11:Hair Of The Dog 12:Expect No Mercy 13:Shapes Of Things 14:Love Hurts 15:Tush
Olli "Wahn" Wirtz, 09.12.2004