Novalis / Bumerang
Bumerang Spielzeit: 36:34
Medium: CD
Label: MiG Music (Ahorn Records), 2012 (1984)
Stil: Pop, Rock


Review vom 26.10.2012


Steve Braun
Auaaa, das hat weh getan!!! Die LP, die mich als Fan der 70er-Novalis 'verletzt' hatte, kehrt anno 2012 als Bumerang in Form einer CD zurück. Musste das sein, MiG Music? Ausgerechnet die "Bumerang", das wohl einzige Novalis-Album, das man mit Fug und Recht als überflüssig bezeichnen muss??
»Der einzige echte Tiefpunkt, an den ich mich persönlich erinnern kann, war der Zwang zur Veröffentlichung der LP "Bumerang", die ich heute auch als schlicht 'schlecht' empfinde« meinte Drummer Hartwig Biereichel in einem spektakulären Interview anlässlich der Neuauflage des Klassikers Flossenengel in diesem Sommer. Manchmal heilt die Zeit auch tiefe Wunden, möchte ich da gerne dagegensetzen, denn sooo schlecht finde ich "Bumerang" heute gar nicht mehr. Man kann sagen, ich habe meinen Frieden mit der 1984er Langrille gefunden. Kübelweise ist seitdem musikalischer Sondermüll aus deutschen Landen auf den Markt gekommen. Das härtet nicht nur ab, sondern lässt "Bumerang" auch deutlich milder beurteilen.
Novalis befand sich vor den Aufnahmen zu "Bumerang" im Auflösungsprozess. Originalbassist Heino Schünzel war bereits 1981 ausgestiegen und durch Heinz Fröhling (Ex-Schicke, Führs, Fröhling) adäquat ersetzt worden. Dieser hatte aber schon nach zwei Jahren wieder das Weite gesucht. Nun zog es auch den Frontmann und das 'Aushängeschild' Fred Mühlböck zurück in seine österreichische Heimat. Die Plattenfirma war gerade gewechselt worden, aber bei Phonogram sollte nur noch "Nach uns die Flut" (1985) erscheinen [oder war etwa 'Nach uns die Sintflut' gemeint?].
In diese ohnehin unruhige Phase stolperte ein Rechtsstreit mit dem alten Label, Achim Reichels Ahorn Records, der für zusätzliche Turbulenzen sorgte. Laut Gerichtsurteil war noch ein Album für Ahorn abzuliefern. Wahrlich alles andere als gute Bedingungen für zufriedenstellende Plattenaufnahmen...
Lange Rede - kurzer Sinn: Mit etwas Abstand ist zu konstatieren, dass mit "Talisman" und vor allem dem bärenstarken Titelsong zwei richtig tolle Momente auf "Bumerang" zu finden sind, die jedes Album der Spätphase bereichert hätten!
Überraschenderweise schneiden ausgerechnet Lutz Rahns Instrumentals, die bei 'umstrittenen' Alben wie Augenblicke immer zu den Glanzpunkten zählten, nicht so gut ab. "Über Stock und Stein" ist wirklich nicht schlecht, aber als nahezu hundertprozentiger Abklatsch des Alan Parsons Projects muss es kritisch beäugt werden. Zudem ist mir die Nummer mit ihren elektronischen Drums und Handclaps eindeutig zu 'synthetisch'. "Espresso" kommt - vor allem wegen Detlef Jobs starker Gitarrenarbeit - recht gut daher, aber auch hier ist ein Aufguss des absteigenden Astes des Duos Parsons/Woolfson zu konstatieren. Nimmt man jetzt noch Mühlböcks richtig gelungenes Instrumental "Wien" dazu, ist die Positivseite von "Bumerang" doch recht ordentlich gefüllt!
Dazu darf man noch das teilweise sensationelle Agieren des Interimsbassisten 'Thissy' Thiers rechnen, der früher bei den deutschen Rocklegenden Rattles und Randy Pie aktiv war. Diese herzhaft-knurrigen Läufe - wie bei "Spazieren am Morgen" auch mal auf dem Fretless - sind ein echter Hochgenuss!
Der Rest ist - gelinde gesagt - furchtbar, was zuvorderst Fred Mühlböcks 'Seelenstriptease' geschuldet scheint. Früher hatte man sich noch angesichts von Texten wie "Ich hab noch nicht gelernt zu lieben" peinlich berührt bis verschämt abgewendet, denn wer will schon derart tief in die Gefühlswelt eines wildfremden Menschen schauen?!? Bei "Nimm meine Hand" und "Setz' dich zu mir" kann man nun direkt an Mühlböcks Seelenqualen teilhaben, wenn man es denn aushalten kann - mir gelingt das jedenfalls nicht.
Die Neue Deutsche Welle ist bereits abgesoffen, möchte man ihm bei "Horoskop" zurufen. Aber wenigstens rockt das ordentlich, denn der Gipfel der Peinlichkeit wird mit "Torero der Nacht" erklommen. Novalis rutscht hier musikalisch in den schleimigen Untiefen von Howard Chippendale & Co. aus - da rettet auch ein (pseudo-)kritischer Text nichts mehr, dessen Aussage doch ziemlich zahnlos ist.
Wenn man mit 28 Jahren Abstand zu "Bumerang" Bilanz zieht, überwiegt zwar der Schatten das Licht, aber so grottig, wie man die Scheibe in Erinnerung hatte, ist sie beileibe nicht. Damals hatte wohl das, was man als 'enttäuschte Liebe' bezeichnen mag, die Sinne etwas eingetrübt.
"Bumerang" ist zwar garantiert kein Pflichtkauf, kann aber ggf. die persönliche Novalis-Sammlung sinnvoll ergänzen. Nun warten wir die Neuauflage von "Neumond" (1982), "Sterntaucher" (1983) und "Nach uns die Flut" (1985) ab, die MiG für das kommende Jahr plant.
Line-up:
Fred Mühlböck (vocals, saxophone, flute, guitars)
Detlef Job (guitar)
Lutz Rahn (keyboards, Moog-bass - #5-7,9)
Hartwig Biereichel (drums)
Thissy Thiers (bass - #1-4,8,10)
Tracklist
01:Nimm meine Hand (4:35)
02:Setz' dich zu mir (3:27)
03:Spazieren am Morgen (3:50)
04:Torero (4:15)
05:Über Stock und Stein (3:50)
06:Bumerang (4:27)
07:Wien (3:36)
08:Horoskop (3:37)
09:Espresso (3:11)
10:Talisman (3:46)
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