Jaco Pastorius / Word Of Mouth
Word Of Mouth Spielzeit: 44:02
Medium: LP
Label: Music On Vinyl (Warner Bros.), 2014 (1981)
Stil: Jazz, Progressive Fusion


Review vom 14.02.2015


Steve Braun
Als John Francis Anthony Pastorius III, genannt Jaco Pastorius, am 21. September 1987 verstarb, verlor die Jazzwelt einen ihrer kreativsten Erneuerer. Mit der Allstar-Truppe Weather Report, einem wahren Konglomerat von Jazz-Reformern, hatte er epochale Alben wie "Black Market" oder "Heavy Weather" hervorgebracht, mit "Jaco Pastorius", "Word Of Mouth" und "Invitation" in höchsten Tönen gelobte Solowerke kreiert und in zahlreichen Kollaborationen so unterschiedliche Künstler wie
Charles Mingus, Joni Mitchell und Ian Hunter kreativ unterstützt. Nicht nur die Jazzwelt lag also Jaco zu Füßen... alle Möglichkeiten waren sperrangelweit geöffnet...
Bizarr wie sein von exzessiven Drogenproblemen und schweren psychischen Störungen geprägtes Leben, war auch Pastorius' Tod. Am 11. September war er während eines Santana-Konzertes im Backstage-Bereich nicht erkannt worden und achtkantig rausgeflogen. Reichlich 'angepisst' hatte er danach versucht, eine Bar zu besuchen, war aber nach einem Tritt gegen die Tür mit dem Türsteher aneinander geraten. Dieser schlug ihm das Gesicht quasi zu 'Brei', worauf Pastorius zunächst ins Koma fiel und Tage später an den Folgen einer schweren Gehirnblutung verstarb. Es war wie so oft im Leben: Genie und Wahnsinn gehen meist Hand in Hand...
Meine persönliche Erstbegegnung mit Jaco Pastorius war Pat Methenys 1976er Album "Bright Size Life" (eines seiner besten überhaupt), bei dem mich die Bassparts schlichtweg umwarfen. Wenig später erschien dann das epochale "Black Market" (zunächst zwar nur mit zwei Pastorius-Beiträgen, darunter aber der Evergreen "Cannon Ball") und der Braun war endgültig am Haken....
"Word Of Mouth" kam 1981 raus und wartete mit einer ganzen Riege von Größen der Fusion- und Jazzszene auf: Wayne Shorter, Herbie Hancock, Michael Brecker und Jack DeJohnette, um jetzt nur mal die bekanntesten zu nennen.
Selbst in der Retrospektive ist das Album noch eine Sensation! Die Musik mäandert zwischen ziemlich freejazzigen Momenten ("Crisis"), reichlich 'retro' angehauchtem Jazz ("3 Views Of A Secret") und geschmeidigem Jazz Rock von der modernen Fusion-Ebene, wie bspw. "John And Mary", das an Großtaten wie Methenys "San Lorenzo" zu erinnern vermag. Bei diesem Stück steuert sein ältester Sohn (und mittlerweile Verwalter des musikalischen Erbes) John F. Pastorius IV sehr coole stimmliche Klangvariationen bei, wie wir sie bspw. von Pedro Aznar bei der Pat Metheny Group kennen. Auch die Harp-Klänge des belgischen Jazzers Toots Thielemans erinnern an diese Formation.
Mit "Liberty Ville" ist zudem einer der absoluten Pastorius-Klassiker auf "Word Of Mouth" verewigt. Hier sorgt eine ganze Brass-Armada von - ich erwähnte es bereits - Superstars für klassisches Jazz-Feeling, Herbie Hancock steuert spritzig-perlende Pianoparts bei, Jacos Fretless entspringen eleganteste Figuren und das Main Theme bekommt so schnell keiner mehr aus dem Ohr. Diese Nummer ist eine Wucht!
Ein besonderes Sahneteilchen ist die ganz erstaunliche Neuinterpretation von Johann Sebastian Bachs "Chromatische Fantasie und Fuge in d-Moll", in der Urfassung ein Werk für Cembalo. Ansatzlos geht sie in eine ganz zauberhafte Version von Blackbird über, die stark an Methenys Stil erinnert und bei der erneut Toots Thielemans mit seiner Harp brillieren kann. Sehr viel experimenteller wird die Ausrichtung im Titelstück, bei dem Pastorius ein virtuoses Bass-Solo sowie ein schwindelerregendes rhythmisches Duell mit Jack DeJohnette abfeuert, das seine Sonderstellung im Jazz anschaulich verdeutlicht. Stanley Clarke hin, Jeff Berlin her - für mich ist Jaco Pastorius der größte Bassist aller Zeiten, weit über die Grenzen des Jazz hinaus!
Anspieltipps? Alles, in voller Länge! Zartbesaitete Neueinsteiger sollten es vielleicht zuerst einmal mit "John And Mary" oder "Blackbird" versuchen, danach sollte der Boden für "Liberty Ville" bereitet sein und hinterher kann man sich dann beherzt an den 'ganz harten Stoff' wie "Crisis" oder das Titelstück wagen...
'Zeitreise' plus 'Tipp' ergibt nach 'Adam Rocktimes'... eine dicke, fett unterstrichene Klassiker-Grafik. "Word Of Mouth" darf in keiner Jazz Rock-Sammlung fehlen. Dieser Fakt bedürfte allerdings keineswegs meiner stümperhaften 'Mundpropaganda' (engl. word of mouth).
Line-up:
Jaco Pastorius (electric and acoustic basses, organ, piano, synthesizers, percussion, vocals, drums - #B/3)
Herbie Hancock (keyboards, synthesizers, piano)
Wayne Shorter, Michael Brecker, Tom Scott (saxophones)
Peter Erskine, Jack DeJohnette (drums)
Don Alias, Robert Thomas Jr. (percussion)
Chuck Findley (trumpet)
John Clark (french horn)
Howard Johnson (tuba)
Toots Thielemans (harmonica)
Hubert Laws (flute)
Paul Horn-Muller, Othello Molineaux (steel pan)
John F. Pastorius IV (vocals - #B/4)
und andere...
Tracklist
Seite A:
01:Crisis (5:17)
02:3 Views Of A Secret (6:06)
03:Liberty City (11:57)

Seite B:
01:Chromatic Fantasy (3:01)
02:Blackbird (2:48)
03:Worth Of Mouth (4:21)
04:John And Mary (10:52)
Externe Links: