Mike Oldfield / Hergest Ridge
Hergest Ridge Spielzeit: 40:14
Medium: CD
Label: Virgin Records, 1974
Stil: Prog Rock


Review vom 16.12.2011

  
Udo Gröbbels
November Rain
Musik ist immer mit verschiedenen Stimmungen und Situationen verbunden. Die Beach Boys höre ich nun mal am liebsten bei 32 Grad am Grill mit Bierchen in der Hand. Bei "Hergest Ridge" geht es mir ähnlich, denn das Album ist der perfekte Soundtrack für einen nebligen Sonntag im November. Die Atmosphäre der Platte passt einfach zu Wolken und Nebel ohne dabei traurig oder düster zu sein. Überhaupt ist das ganze Album sehr ungewöhnlich, was es auch so anders im Vergleich zu den anderen, wesentlich bekannteren Veröffentlichungen des Engländers macht. Als Konzept und Namensgeber zu "Hergest Ridge" diente immerhin ein Wanderweg um den gleichnamigen Hügel im Westen Englands, was auch alles andere als alltäglich ist.
Going Back To The Country
1974 trat Oldfield die Flucht aufs Land an. Ein Jahr zuvor war sein damals bahnbrechendes Debüt "Tubular Bells" wie eine Bombe eingeschlagen und Mike Oldfield galt als einer der großen musikalischen Visionäre seiner Zeit. Mit völlig neuen Instrumenten und Arrangements war er einer der ersten, der erfolgreich moderne Keyboardklänge in die Musik mit einbettete. Doch nicht nur Lob und jede Menge verkaufte Platten brachten ihm die Röhrenglocken ein (die auch auf "Hergest Ridge" kurz zu hören sind) , sondern auch viel Trubel um seine Person, was dem sehr introvertierten Briten gar nicht passte. Daher zog er sich im Frühjahr 1974 nach Herefordshire zurück, wo er nahe der Grenze zu Wales in einem Landhaus an seinem zweiten Album arbeitete. Unweit seiner Behausung liegt der Hügel "Hergest Ridge", den Oldfield oft erklomm um sich neue Inspirationen zu holen. Der damals gerade mal 20-jährige Musiker war so fasziniert von der Landschaft und vor allem vom knapp 14 km langen Rundweg um eben jenen Hügel, dass er ihn als Namengeber für das Album verwendete.
Die Musik
Im Gegensatz zu "Tubular Bells" klingt "Hergest Ridge" wesentlich relaxter und vor allem erdiger. Durch die Verwendung von sowohl elektronischen als auch klassischen Instrumenten wie Mandoline oder Oboe kann man das ganze schon fast als "Ambient Folk" bezeichnen. Im Prinzip hat das Album auf den beiden Seiten nur ein musikalisches Grundmotiv, das immer wieder variiert wird und dann wieder in seiner ursprünglichen Form auftritt. Die erste Seite der LP ist noch ruhig gehalten und wirkt sehr verträumt. Ab Mitte der B-Seite der LP wird das Thema aber durch ein sehr bombastisches Arrangement mit einigen gewollten Disharmonien aber kräftig durchgeschüttelt, um dann am Ende harmonisch auszuklingen. Mehr kann man zu der Musik eigentlich nicht sagen. Hier heißt es: am besten selber reinhören.
Verschiedene Formate
Das 1974 als LP (Part 1 und 2 je auf einer Seite) veröffentlichte Album erschien bereits zwei Jahre später im Rahmen des 4er-LP-Sets "Boxed" im sogenannten Quadrophonie-Sound. Kurioserweise wurden dabei sogar Spuren der Originalaufnahme entfernt, um die anderen entsprechend besser abmischen zu können. Später hätte man wohl für diese Aktion den Begriff "Remix" verwendet. Im Jahre 2000 erschien eine wieder neu abgemischt Version, aber erst 2010 hatten Fans wirklich Grund zur Freude. Vor knapp einem Jahr nämlich kann das Album endlich als 74er-Original auf CD heraus und das sogar im 5.1-Sound. Nun kann also auch der High-End-Musikfan alle Spuren des Originals im tadellosen Soundgewand genießen.
Ich dagegen favorisiere die einfache Variante der letztjährigen Wiederveröffentlichung. Diese CD enthält den sehr guten 2010er-Mix des Albums plus zwei Bonustracks. Da wäre zum einen die Single B-Seite "In Dulci Jubilo", die man als beschwingte mittelalterliche Instrumentalnummer bezeichnen kann. Passt als Soundtrack auf jedes Ritterturnier. Außerdem gibt es mit "Spanish Tune" eine etwa drei Minuten lange Sequenz aus "Hergest Ridge", die damals für das Radio aus dem Album ausgekoppelt wurde. Ich betone Sequenz, denn das Album ist bis auf den Vinyl-bedingten Seitenwechsel ein Lied am Stück.
Die Scheibe in der letztgenannten Variante ist als CD schon für relativ kleines Geld zu haben und für alle Freunde von Instrumentalmusik mit besonderer Atmosphäre unbedingt zu empfehlen. Am besten schaltet man für 40 Minuten mal das Telefon und die Klingel aus, setzt sich den Kopfhörer auf und legt sich auf die Couch oder in einen gemütlichen Sessel. Dann einfach nur in die Musik abtauchen. Viel Vergnügen.
Line-up:
Mike Oldfield (keyboards, guitar, effects, percussions)
Chilli Charles (marching drums)
Ted Hobart (trumpet)
Sally Oldfield (vocals)
Clodagh Simmons (vocals)
Lindsay Cooper (oboe)
June Whiting (oboe)
Tracklist
01:Hergest Ridge (Part 1)
02:Hergest Ridge (Part 2)

Bonustracks der CD
03:In Dulci Jubilo (B-Seite)
04:Spanish Tune (Promo Single Version)
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