Pavlov's Dog / The Pekin Tapes
The Pekin Tapes Spielzeit: 70:00
Medium: CD
Label: Rockville, 2014
Stil: Progressive Rock


Review vom 16.12.2014


Sabine Feickert
Pavlov's Dog – ja – genau das ist das Tierchen, dem beim hellen Klang eines Glöckchens der Sabber läuft.
Pavlov's Dog – die Band – lässt mit ihrem neuesten Coup den Musikfreunden den Sabber laufen. Die geheimnisumwitterte Truppe rund um die 'Heliumstimme' David Surkamp, der durchaus mal ein Bandmitglied abhanden kommt, hat unseren sehr geschätzten Kollegen Günther gar Sherlock Holmes und Dr. Watson aussenden lassen, zur Suche nach Sigfrid. Zwar wurden die beiden in der Hinsicht nicht fündig, doch vermutlich waren sie es, die in irgendeinem Nachlass zwischen alten Koffern und Klamotten eine Kopie der "Pekin Tapes" ausfindig machten. Die Nullnummer sozusagen, denn diese Aufnahmen wurden bereits 1973, also zwei Jahre vor dem offiziellen Debütalbum "Pampered Menial" eingespielt und zwar im Golden Voice Studio, das 1977 niederbrannte. Die Aufnahmen brachten Pavlov's Dog einen Plattenvertrag mit ABC Records, die die stolze Summe von 650.000 Dollars auf den Tisch legte und die Band erneut ins Studio schickte, um "Pampered Menial" einzuspielen. Die "Pekin Tapes" galten als verschollen...
Als 'Rohdiamant' bezeichnet die Promoterinfo sie und auch wenn man beileibe nicht jedes Wort dieser netten Schreiben beim solchen nehmen darf – hier bin ich mit dieser Aussage absolut einverstanden. Ich fall mal mit der Tür ins Haus – die Aufnahmen sind hammergeil und demjenigen, der sie ausgebuddelt hat, gehört ein Orden am Bande verliehen. Die regulären Pavlov's Dog-Alben sind eine Kategorie für sich, ganz bestimmt nicht jedermanns Sache (auch wenn ich persönlich sie sehr mag). Die "Pekin Tapes" könnten sich breiteren Kreisen erschließen, denn hier wird der doch ziemlich spezielle Falsettgesang nicht ganz so inflationär zelebriert.
Wie bei vielen Bands ganz am Anfang ihres Schaffens, sind sich Pavlov's Dog bei diesen Aufnahmen noch nicht so ganz sicher, wohin der Weg gehen soll und entsprechend breit gefächert ist das musikalische Spektrum, das auf dieser Scheibe vertreten ist. Was aber anderswo ganz leicht den Touch des beliebigen Gemischtwarenladens hat, überzeugt hier durch die ungeheure Bandbreite bei gleichzeitig durchaus schon erkennbarer, sehr kreativer Handschrift. Um den Bassisten Rick Stockton zu bemühen: »Die Aufnahmen zeigen die unverfälschte Tatkraft, die wir hatten und wofür wir berühmt waren, bevor die Plattenindustrie uns in die Hände bekam und bremste. Meiner Meinung nach waren die Pekin Tapes großartig.«
Und ja, das sind sie wirklich. Sowohl die zehn regulären Tracks als auch die vier Boni. "Subway Sue" und "Natchez Trace", die beide auch auf die "Pampered Menial" durften, eröffnen die "Pekin Tapes". Spannend wird es dann erstmals bei "Time", das von David Hamilton gesungen wird. Seine Stimme ist so völlig anders als die von Surkamp, viel weicher, runder sowie (natürlich) tiefer und gibt dem Pavlov-Sound einen deutlich anderen Charakter. Natürlich nicht so viel Wiedererkennungswert, zumal der Song selbst auch noch mit leichtem Jazzeinschlag versehen ist und trotzdem passt das alles in den Kontext. "Stomp Water Magic" schlabbert dann wieder typischer daher, hat aber auch noch so 'nen angejazzten Tick, Chorgesang und irgendwie was total Flottes an sich. Schön aufgebaut, abwechslungsreich und sehr fein dargeboten. "It's All For You" legt fast klassisch los. Weich gespielte Geige und Akustikgitarre betten Steve Scorfinas Stimme in ein sanftes Ambiente. Schön gemacht dann auch der Übergang zu "Song Dance", der ebenfalls auf das Debüt durfte und stilistisch eher in die 'typische' Richtung geht. "Dreams" erinnert mich von der Dynamik her stellenweise ein wenig an Jethro Tull, das aber auch im typischen Pavlov's Dog-Stil.
"Clipper Ship" ist wieder eine der Nummern, bei denen Surkamp das Mikro an David Hamilton abgibt. Viel Piano untermalt dessen erzählenden Gesang, ein paar Geigenakzente und ein dynamischer Songaufbau bringen Spannung rein.
"Preludin & Fellacio in E Minor" von Geiger Richard Nadler aka Si(e)gfrid Carver darf sich hier rein instrumental auf siebeneinhalb Minuten ausbreiten, auf die "Pampered Menial" hielten nur stark verkürzte eineinhalb Minuten als "Preludin" Einzug.
Das Bonusmaterial besteht aus den frühesten auffindbaren Demoaufnahmen aus dem März 1973, neben einer Alternativversion von "Natchez Trace" und "Fast Gun" stecken hier auch noch zwei echte Leckerli: "Brand New Day" und mein absolutes Highlight dieser insgesamt großartigen Platte "I Wish It Would Rain". "Brand New Day" hat so ein charmantes 20er-Jahre Tanzsalonfeeling, ich seh förmlich den Grammophontrichter vor mir. Und noch geiler das E-Gitarrenintro bei "I Wish It Would Rain". Surkamps Gesang, der ganz langsam einsetzt und immer intensiver wird. Sich mit der Gitarre abwechselt, das Piano steigt ein, klimpert zwischenrein. Die Geige wacht nach etwa zweieinhalb Minuten auch auf und fiedelt im Wechsel mit den Vocals beschwingt vor sich hin. Faszinierend, wie hier mit eigentlich relativ einfachen Mitteln, die aber supergekonnt und durchdacht eingesetzt werden, Stimmungen und ganze Szenarien aufgebaut werden. Die leicht kratzige Geige, der leicht kratzige Gesang und das Zusammenspiel der beiden (und aller Instrumente) ist wirklich meisterhaft.
Danke Sherlock Holmes und Dr. Watson, das war ein klasse Fund, der sehr gefühlvoll restauriert und von Rockville veröffentlicht wurde. Ein Album, das auch Leuten gefallen kann, die nicht unbedingt die ganz großen Pavlov's Dog-Fans sind. Und den Fans wird garantiert der Sabber laufen - nicht nur bei der glockenhellen Surkamp-Stimme. Wuff!!!
Line-up:
David Surkamp (vocals, guitar)
David Hamilton (vocals, keyboards)
Doug Rayburn (mellotron, keyboards)
Sigfrid Carver (violin)
Rick Stockton (vocals, bass)
Mike Safron (vocals, drums)
Steve Scorfina (vocals, lead guitar)
Tracklist
01:Subway Sue
02:Natches Trace
03:Time
04:Stomp Water Magic
05:It's All For You
06:Song Dance
07:Dreams
08:Clipper Ship
09:Fast Gun
10:Preludin & Fellacio In E Minor
Bonus Tracks:
11:Brand New Day
12:Natchez Trace
13:Fast Gun
14:I Wish It Would Rain
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