The Perc / Electric Kindergarten, Rarities Vol. 5
Electric Kindergarten, Rarities Vol. 5 Spielzeit: 62:10
Medium: CD
Label: Freiland, 2014 (1993)
Stil: Underground


Review vom 09.02.2014


Ulli Heiser
Es gibt Gelegenheiten - selten, leider - da kann ein kleiner Moment den Tag zum Freund machen. Ein gelungenes Bonmot des Gegenübers, wenn die eigentlich als leer empfundene Zigarettenschachtel doch noch ein Exemplar enthält oder wenn man am Feierabend die Haustür aufschließt und der Kater zur Begrüßung Männchen macht. Seltener geschieht dies beim Lesen eines Booklets. Aber es kann passieren. Die Reihe "Electric Kindergarten Rarities", der Sireena nun mit "Vol. 5" eine weiteres Exemplar spendiert, hat mir die Mundwinkel dermaßen nach oben gezogen, dass meine bessere Hälfte eine von Männern sehr gefürchtete Frage in den Raum stellte: »An was denkst du?«
Wer kennt sie nicht, die Antwort? »Och, an nichts Besonderes.« Im Falle von "Electric Kindergarten Rarities Vol. 5" jedoch war das Grinsen im Gesicht leicht zu erklären. Bei Durchsicht der Titel stieß ich auf "In-A-Gadda-Da-Vida (Long Version)". Dahinter steht 00:39. Wer das jetzt nicht versteht kennt den eisernen Schmetterling nicht und ist entschuldigt und hat sich außerdem sicher verirrt, als er RockTimes ansurfte.
Wer "In-A-Gadda-Da-Vida" aber kennt und jetzt nicht auch der Gesichtsgymnastik frönt, hat wahrscheinlich kurz vorher den Politikteil der Tageszeitung gelesen oder alle Lottozahlen richtig versenkt und bemerkt, dass der Schein noch in der Jackentasche steckt.
Spartanisch und wieder im Pappschuber (zur Aufmachung schrieb ich zu Teil 3:
»Ich hatte es bei Teil 2 schon erwähnt, dass die Optik Archivqualität hat. Beipackzettel mit allen wichtigen Infos. Tom ist da sehr akribisch. Mittlerweile bin ich sogar der Ansicht, dass die auf das Notwendigste beschränkte Packung dem Dokumentationscharakter der Reihe dienlich ist. Ein aufgeblähtes Hochglanzbooklet wäre hier eher nicht angebracht«) kommt die limitierte Auflage in Höhe von 500 Exemplaren. Wie immer also eine absolute Rarität. Aber das Ausgangsmaterial toppt in puncto Rarität vorliegendes Exemplar.
Alle Tracks stammen diesesmal von The Perc Meets The Hidden Gentleman, diesem Zusammenschluss von Tom Redecker aka The Perc und Emilio Winschetti aka The Hidden Gentleman. Deren Album Telegram From The Meantime hatte mich bereits 2008 dermaßen begeistert, dass ich nicht umhin konnte, die »Höchste Kaufempfehlung« auszusprechen.
Zurück zum Ausgangsmaterial. 1993 erschien auf Shack Tunes ein auf 222 Exemplare limitiertes Set, bestehend aus einer Gold-CD, T-Shirt, Songbook, Plektrum, Kopien von Hotelrechnungen und anderen Kuriositäten. Dass diese Box mittlerweile ein teures Sammlerstück ist, dürfte klar sein. Die CD 'zumindest' ist nun Inhalt des "Electric Kindergarten Vol. 5" und somit 499 Mal (meine Version muss ich ja abziehen) verfügbar.
Musikalisch haben wir es mit absoluten Leckerbissen zu tun. Es klingt mal wie Cash, dann wie Morrison und natürlich wie Zappa. Ohne einen Song auf die Seite zu legen, sind aber Tracks wie "The Moon Of Both Sides", "In The Meantime", "Niteride 2000 [Der Raben Mix]", "Sleeping Dog" "Swallow Me Blind [Live]", "Feed Your Heart To Beat" oder "Respect & Devotion In The Hotel Of Empty Souls [Live]" wahre Perlen vor dem Herrn. Psychedelische Strukturen, Endzeit-Stimmungen, hochmelodiöse oder hochdramatische Momente, mal mit voller Keyboardwand, mal mit (wahrscheinlich) Toms altem Casio MT400V, mal wie Temptations (Kategorie "Masterpiece") meets Pink Floyd meets Zappa ...
Solche Nummern gibt es nicht an der Ecke oder im 'Ich bin doch nicht blöd'-Regal. Es gibt sie auch nicht alle Tage und daher möchte ich sie besonders adeln. Die Zeitreise-Grafik träfe zu. Ebenso das Tipp-Pendant. Auch Klassiker käme in Frage, denn "Electric Kindergarten Rarities Vol. 5" hat das Zeug zur Inselplatte. Ich entscheide mich für die Vergessene Perlen-Grafik, denn kaum jemand wird die Musik kennen. Die 222 Besitzer plus x des Originals mal ausgenommen.
Übrigens, die 'lange Version' des Iron Butterfly-Klassikers kommt richtig gut. Zurückgenommen im Tempo und mit herrlichem Minimalkeyboard, möchte man gerne noch einige Minuten länger daran Freude haben. Wie auch an einem weiteren Kuriosum mit dem Namen "Sketches Of Willy". Da wird nämlich "Pictures Of Matchstick Men" (Status Quo) und "Crimson And Clover" (Tommy James And The Shondells) verpotpourriet.
Das komplette Album ist ein Genuss und wieder mal ein Stück deutscher Musikgeschichte aus dem Fundus von Tom Redecker. Mal schauen, was die Fortsetzung bringt. Ich jedenfalls freue ich schon darauf, denn dass der Inhalt dann wieder ganz besonders ist, steht für mich bereits jetzt fest. Daumen steil nach oben ...
Line-up:
Tom (vocals, keyboards, guitar, bass)
Emilio (vocals)
Jockel Schoberth (guitar)
Johannes Lobe (drums)
Rüdiger Klose (drums)
Katrin Achinger (bass)
Henning Gehrke (keyboards, drum machine)
Katja & Sue (backing vocals)
Harry Schröder (bass)
Frank Jelitto (drums)
Erik Hahn (keyboards)
Birdbox (percussion)
Guest:

Angelika Maiworm (voice)
Tracklist
01:DT 64 (1:41)
02:This Moon Of Both Sides [Landmark Vision] (5:25)
03:Teenage Bride [Demo] (2:32)
04:The Miner (4:20)
05:In The Meantime (4:34)
06:Transcaucasion Airmachine Blues [Demo] (2:52)
07:In-A-Gadda-Da-Vida [Long Version] (0:39)
08:Niteride 2000 [Der Raben Mix] (4:58)
09:Sleeping Dog [Demo] (2:07)
10:Swallow Me Blind [Demo] (7:45)
11:Paralyse Man [Demo] (3:32)
12:Nö Sleep Til You (1:50)
13:Sketches Of Willy (2:49)
14:Feed Your Heart To Beat (4:32)
15:Love Means Drug Means F**k [Live] (3:07)
16:Respect & Devotion In The Hotel Of Empty Souls [Live] (9:10)
Externe Links: