Procol Harum / A Salty Dog
A Salty Dog Spielzeit: 40:40 (CD 1), 48:23 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Esoteric Recordings (Cherry Red Records), 2015 (1969)
Stil: Rock


Review vom 24.09.2015


Markus Kerren
Als die Band Procol Harum im März 1969 in einem Londoner Studio auflief, um ihr bereits drittes Album nach erst zweijährigem Bestehen aufzunehmen, hatte die sechs Mann starke Combo schon einiges hinter sich. Im Jahr 1967 erschien mit "A Whiter Shade Of Pale" ein bis in die Gegenwart oft im Radio gespielter Klassiker der Rockgeschichte und der bis heute mit Abstand erfolgreichste Song der Band. Aber auch das gleichnamige Debütalbum sowie der Nachfolger "Shine On Brightly" waren alles andere als von schlechten Eltern, ganz zu schweigen von dem zweiten Hit "Homburg", der heutzutage leider etwas in Vergessenheit geraten zu sein scheint.
Mit ihrem dritten Werk, "A Salty Dog", holte die Band dann zur Eroberung der Massen aus. Verbiegen mussten sich die Engländer dafür nicht, wenn die progressiven Elemente der Vorgängeralben auch deutlich zu Gunsten von kürzeren, knackigeren Songs hinten angestellt wurden. Und wohl dem, der dann sogar solch begnadete Stücke wie den Titelsong aus dem Ärmel schüttelt. "A Salty Dog" als Single (knappe zehn Jahre später dann auch von uns Udo auf "Rock Revue" ein- bzw. umgedeutscht) ist ein monumentales Werk, das mir auch heute noch die Nackenhärchen aufrecht stehen lässt.
Wobei wir hier lediglich von der Spitze des Eisbergs reden, denn alleine mit "The Devil Came From Kansas" oder "All This And More" hat die Scheibe noch mindestens zwei weitere absolute Hochkaräter zu bieten. Die Chemie in der Band war zu dieser Zeit noch nahezu intakt, selbst wenn es bereits erste Anzeichen auf einen bevorstehenden Abschied des Gitarristen Robin Trower gab. Der Bassist David Knights - der sich so blind mit dem Drummer B.J. Wilson verstand - war hier noch in der Band, Matthew Fisher (der auch produzierte) an der Orgel, der bereits erwähnte Trower an der Gitarre und schließlich Gary Brooker am Piano, der dazu mit seinem souligen Gesang die Kirsche auf die Torte setzte.
Speziell die Lead Vocals wurden auf dieser Platte aber geradezu brüderlich aufgeteilt. Sechs Mal Brooker, bei drei Tracks ("Boredom", "Wreck Of The Hesperus" sowie "Pilgrim's Progress") stand Matthew Fisher vor dem Mikro und schließlich gibt es bei "Crucifiction Lane" noch einen der damals so seltenen Gesangsauftritte von Robin Trower auf die Ohren. Kann ein Song trauriger sein als "Too Much Between Us"? Wahrheiten gibt es dazu mindestens genau so viele wie Geschmäcker, aber was in dieser Nummer an Feeling steckt, kann an dem sensiblen Hörer kaum spurlos vorbei gehen.
Und wie geil darf denn eine Nummer der Marke "Boredom" sein? Das hört sich an wie ein spontaner Jam, wo sich jeder irgendein Instrument greift, das gerade in der Nähe liegt. Der schon provozierend-lethargische Gesang (und vor allem Text) Fishers wird von einem wahren Potpourri an Musik gekontert, das vor Melodiösität, Lebensfreude und Agilität nur so strotzt. Da klimpert eine Marimba, schrubbt eine Akustische, die Flöte hört sich wie ein brünftiger Singvogel in höchsten Glücksgefühlen an und die Percussion im Hintergrund führt ebenfalls einen Veitstanz auf. Alles das wird dann im Refrain mit den eher abwinkenden Lyrics »All in all, it's just the same, but call me if there's any change« gekontert. Herrlich!
Der einzige Titel, der musikalisch und vor allem soundmäßig in dieser sehr vielfältigen, hochmelodisch-knackigen und mit so viel zusätzlichem Feeling versehenen Produktion eher wie ein Fremdkörper wirkt, ist die Robin Trower/Keith Reid-Nummer "Juicy John Pink", ein eher schroffer (oder besser gesagt purer, unverfälschter) Blues mit lediglich E-Gitarre, Bluesharp, Gesang und jeder Menge Fußstampfen... Auch gut, aus dem Konzept aller anderen Songs aber eher ausbrechend und mit diesen nicht wirklich stimmig.
Dieses neueste Ausgabe von "A Salty Dog" kommt sogar noch mit einer zusätzlichen CD, die hauptsächlich aus Live-Aufnahmen (teilweise für's Radio), aber auch der Single-B-Seite "Long Gone Geek" und weiteren Studio-Outtakes besteht. Diese kommen fast durchgehend in sehr anständiger Soundqualität, sodass man durchaus von einer willkommenen Zugabe sprechen darf. Nicht essentiell, aber schön zu haben.
Klare Ansage also: Wer diesen Klassiker bisher noch nicht besitzt, muss jetzt umgehend zuschlagen!
Line-up:
Gary Brooker (piano, celeste, three-stringed-guitar, bells, harmonica, recorder, wood, lead vocals)
Robin Trower (acoustic-, rhythm- & lead guitars, sleigh tambourine, lead vocals - CD1- #9)
David Knights (bass)
Barrie 'B.J.' Wilson (drums, conga drums, tabla)
Matthew Fisher (organ, marimba, acoustic- & rhythm guitars, piano, recorder, lead vocals - #5,7,10)
Keith Reid (lyrics)
Tracklist
CD 1:
01:A Salty Dog
02:The Milk Of Human Kindness
03.Too Much Between Us
04:The Devil Came From Kansas
05:Boredom
06:Juicy John Pink
07:Wreck Of The Hesperus
08.All This And More
09:Crucifiction Lane
10:Pilgrims Progress
CD 2:
01:Skip Softly (My Moonbeams)
02:Wish Me Well
03:Long Gone Geek
04:Goin' Down Slow
05:Juicy John Pink
06:Crucifiction Lane
07:Skip Softly (My Moonbeams)/Also sprach Zarathustra
08:The Milk Of Human Kindness
09:Juicy John Pink
10:A Salty Dog (mono single mix)
11:Long Gone Geek (single b-side)
12:The Milk Of Human Kindness (take 1 - raw backing track)
Externe Links: