Keith Richards / Talk Is Cheap
Talk Is Cheap Spielzeit: 47:06
Medium: CD
Label: Virgin Records, 1988
Stil: Rock


Review vom 09.12.2008


Markus Kerren
The Rolling Stones in den achtziger Jahren… das ist schon eine Geschichte für sich. Nach den Alben "Emotional Rescue" (1980) und "Tattoo You" (1981) ging man auf eine riesengroße Tour, die die Band u.a. 1981 durch Nordamerika und 1982 durch Europa führte. Ohne lange Umschweife wurde danach das etwas durchwachsene und Disco-beeinflusste Album "Undercover" (1983) aufgenommen. So weit, so gut. Im Anschluss weigerte sich Mick Jagger jedoch, erneut auf Tour zu gehen und zog es vor, sich lieber im Studio für sein erstes Solo-Album ("She's The Boss", 1985) zu verschanzen.
Im Ehrenkodex eines Keith Richards stand eine solche Aktion gleichbedeutend mit Hochverrat. Die Stimmung und Atmosphäre bei den nächsten Treffen, den Aufnahmen für das Stones-Album "Dirty Work" (1986) waren dann so gespannt, dass man die Luft praktisch mit einem Messer hätte zerschneiden können. Die Situation wurde vom näheren Stones-Umfeld gar als »der dritte Weltkrieg« beschrieben. Schön nachvollziehbar auch bei dem Video zum "Dirty Work"-Song "One Hit (To The Body)" mit einem sehr aggressiven und dauerhaft Jagger attackierenden Keith, was den damaligen Zustand der Hass-Liebe zwischen den beiden Songwritern authentisch widerspiegelte.
Das Fass vollkommen zum Überlaufen brachte dann, dass es Jagger erneut vorzog, für sein zweites Solo-Werk ("Primitive Cool", 1987, u.a. mit dem deutlich auf Keith gemünzten Song "Party Doll") ins Studio zu gehen und die Band damit erneut nicht touren konnte. Auch ein Keith Richards war zu diesem Zeitpunkt mit seinem Latein am Ende und hatte nur noch eine letzte Antwort übrig. Nämlich das Album aufzunehmen, das er eigentlich nie machen wollte: Sein eigenes Solo-Album!
Als seinen neuen 'Partner In Crime' hatte er sich dafür den Drummer Steve Jordan auserkoren, mit dem er zuvor bei einem Projekt für Chuck Berry ("Hail Hail Rock'n'Roll") zusammengearbeitet hatte und mit dem er dann alle Tracks von "Talk Is Cheap" komponierte. Zum inneren Kreis, bzw. zu seiner Begleitband The X-pensive Winos (die 'Teuren Säufer') gehörten weiter Charley Drayton am Bass und Waddy Wachtel als zweiter Mann an der Gitarre, sowie Ivan Neville am Piano und den Keyboards. Dazu hatte sich Richards aber noch viele weitere Gäste ins Studio geladen, die sich auch nicht lange bitten ließen.
Mann, war ich aufgeregt, als ich die Platte vor gut 20 Jahren zum ersten Mal in den Fingern hatte. Erwartete ich doch nichts Geringeres als göttliche Rock-Hämmer im Stile von "Happy", "Before They Make Me Run", "Little T & A" oder auch "You Got The Silver". Die Scheibe also mit schweißnassen Fingern aufgelegt, zugehört und erstmal… schwer geschluckt!
Der Opener "Big Enough" brachte nämlich zunächst total ungewohnte Funk-Einflüsse ans Tageslicht. Sicherlich hatte es die auch bereits bei Stones-Nummern wie "Hot Stuff" oder "Fingerprint File" gegeben, aber trotzdem war ich erstmal wie vor den Kopf gestoßen und geradezu enttäuscht. Im Nachhinein kann ich heute sagen, dass "Big Enough" eine total geile, groovige Angelegenheit ist, die die Glieder einfach nur zucken lässt und zum 'mit der Zunge schnalzen' eingespielt wurde. Und danach kommt er ja auch, der erste Rocker der Scheibe, "Take It So Hard".
Ein urtypisches Riff, wie es eigentlich nur von 'Mister Riffhard' himself kommen kann. Dieser Track war dann auch mit seinem eingängigen Refrain und anziehenden Bodenständigkeit die erste Single. "Talk Is Cheap" ist voll gepackt mit Messages an Jagger und wenn man auch fast jeden Text auf dem Album derart auslegen kann, so wird es bei "Struggle" zum ersten Mal offensichtlich.
Ebenfalls ein eher vertrackter Groover, der am Anfang noch gar nicht so richtig ins Ohr will, sich im Laufe der Zeit aber zu einer absoluten Granate entwickelt. Einer der beiden Songs, auf dem der ausgestreckte Mittelfinger in Richtung des (damals noch nicht geadelten) Sir Jagger geht, ist "Could've Stood You Up" ('Ich hätte dich im Stich lassen können… aber ICH hab' das nie getan').
Eine Rock'n'Roll-Nummer im Stil der 50er Jahre, für die er sich die ehemaligen Stones-Haudegen Mick Taylor und (den seit einigen Jahren wieder zurückgekehrten) Bobby Keys am Saxophon ins Studio eingeladen hatte. Weitere Gäste bzw. Bereicherungen für diesen Song sind Chuck Leavell an der Orgel und Johnnie Johnson (Ex-Chuck Berry) am Piano. Purer Rock'n'Roll, bei dem, neben den Gästen, einmal mehr die sehr tighte Band dem Zuhörer ein ehrliches Freudegrinsen ins Gesicht zaubert. Da stimmt alles, auch wenn das einige Nörgler, die Richards' Gesang kritisieren mögen, bis heute anders sehen.
Auch die restlichen Songs von "Talk Is Cheap" lassen das Qualitätslevel kaum sinken. Es gibt mit "How I Wish" und "Whip It Up" noch zwei Keith Richards-Bilderbuch-Rocknummern (mit einer überzeugenden Patti Scialfa an den Background Vocals) der ersten Güte, während von den ruhigeren und Midtempo-Nummern vor allem "Locked Away" (hier sehr geiler Background Gesang von Sarah Dash), "Make No Mistake" und "You Don't Move Me" überzeugen können. Ein weiterer ganz großer Pluspunkt von Keith' erstem Soloalbum ist der ungeheuer warme und erdige Sound, der sein ganz eigenes Leben entwickelt und für den alleine sich dieses Album lohnt.
"Talk Is Cheap" hat mir nicht von Beginn an die Schuhe vor Begeisterung ausgezogen, ist aber über die Jahre in Schwindel erregende Höhen gewachsen und kann bereits jetzt guten Gewissens als Klassiker bezeichnet werden. Falls ihr die Scheibe schon viel zu lange im Schrank verstauben lasst, dann zieht sie mal wieder raus und geht mit einem frischen Ohr an die Sache heran. Falls ihr sie noch gar nicht besitzen solltet, dann gibt's nur eins: Losrennen und besorgen!!
Line-up:
Keith Richards (lead & background vocals, electric & acoustic guitars, percussion)
Steve Jordan (drums, percussion, background vocals, bass #2)
Waddy Wachtel (electric guitars, acoustic & slide guitars)
Charley Drayton (bass, background vocals, drums #2)
Ivan Neville (piano & keyboards #2, 3, 7, 10, 11)

With:
Sarah Dash (background vocals #1, 5, 8)
Patti Scialfa (background vocals #7, 9)
Mick Taylor (guitar #4)
Bobby Keys (baritone & tenor sax #4, 9)
Johnnie Johnson (piano #4)
Chuck Leavell (organ #4)
Bootsy Collins (bass #1)
Bernie Worrell (organ, clavinet #1, 5, 6, 8)
Maceo Parker (alto sax #1)
Stanley 'Bucketwheat' Dural (accordion #6, 8, 10)
Joey Spampinato (bass #4, 8)
Sam Butler (background vocals #8)
Michael Doucet (violin #10)
Tracklist
01:Big Enough
02:Shouldn't Take It So Hard
03:Struggle
04:Could Have Stood You Up
05:Make No Mistake
06:You Don't Move Me
07:How I Wish
08:Rockawhile
09:Whip It Up
10:Locked Away
11:It Means A Lot
Externe Links: