Spielzeit: 67:33 Medium: CD Label: Delmark Records, 2005 Stil: Blues Review vom 27.02.2008 Joachim 'Joe' Brookes

Es sei erlaubt mit einem Zitat aus meiner Review Live In Montreux 1986 zu beginnen: »"Right Place, Wrong Time" war 1976 das Otis Rush-Studio-Album. In seiner langen Karriere mit Höhen und Tiefen ist es auch heute noch eines seiner herausragenden Outputs. Bereits 1971 eingespielt, schlummerte es im Archiv der Plattenfirma, um dann 1976 veröffentlicht zu werden.«

Für "All Your Love I Miss Loving: Live At Wise Fools Pub Chicago" gelten identische Vorzeichen, nur noch extremer: Im Januar 1976 im Wise Fools Pub mitgeschnitten, wurde das Konzert erst 2005 vom Label Delmark veröffentlicht.
Weiß der Kuckuck, warum 30 Jahre zu spät, aber besser dieses musikalische Dokument ist jetzt überhaupt käuflich zu erwerben, denn hier stimmt Alles.

Otis Rush in Bestform im Wise Fools Pub, unter anderem, weil er mit seiner damaligen Stamm-Band, einschließlich des imponierenden Keyboarders Alberto Gianquinto, der aus dem Dunstkreis von Santana stammt, auftrat.

Otis Rush live geht momentan nicht besser, als mit "… Live At Wise Fools…" .
Zu verdanken haben wir diesen Zeitzeugen nicht nur dem Label Delmark, denn der Radiosender WXRT hat in den frühen Siebzigern unter dem Titel "Unconcert" einige Gigs mitgeschnitten und gesendet. Auch das Wise Fools ist nicht ganz unschuldig daran, denn die Besitzer boten Rush erst die Gelegenheit dort aufzutreten.

Der Protagonist in ausgelassener Hochform mit einer Band, auf die er sich 100%ig verlassen konnte.
Hinzu kommt noch, dass die Saxofonisten des Pubs, Chris Mason und Rawl Hartman, bei fast der Hälfte der Songs mit von der Partie sind. Das pfeffert den Sound selbstredend zusätzlich. Apropos Sound: Man sitzt direkt an der Bühne, hat man den Silberling erst einmal in Rotation versetzt und kann so die Atmosphäre perfekt aufsaugen.

Was Rushs Live-Alben angeht, ist dieses sein persönliches Highlight und darf in keiner gut sortierten Blues-Sammlung fehlen. Ist das der Fall: Unbedingt notieren!

Selbstverständlich gibt er sein Markenzeichen "All Your Love (I Miss Loving)" zum Besten. Alleine diese knapp fünf Minuten lohnen eine Anschaffung, aber auch sonst ist die Performance des Chicago-Bluesers vom Allerfeinsten. Sein dahin fließendes Gitarrenspiel scheint wie eine nie versickernde Quelle an Ideen zu sein.

Dann haben wir noch den "Gambler's Blues" mit über acht brillanten Minuten. Ein Slow-Song der Extraklasse, der mit der Gebläseabteilung gespielt wird. Oder B.B. Kings "Please Love Me", bei dem Jesse Green (drums) und Bob Stroger (bass) einen klasse Groove hinlegen. Schon bei diesem Opener versteht es Rush, das damalige Publikum und nun die Hörer vor den Boxen zu fesseln. Selbst einige Übersteuerungen in dem einen oder anderen Track machen die CD nur noch sympathischer, weil authentisch.

Ein weiterer Slow-Blues wird mit T-Bone Walkers "Mean Old World" zelebriert. Rush ist fantastisch bei Stimme und diese Setlist ist einfach grandios, denn mit "Woke Up This Morning" gibt es den nächsten King-Titel und später nochmals Futter für die Glücksgefühle, wenn wir bei "Sweet Little Angel" angekommen sind.
Sein "Cold Day In Hell"-Album endet mit dem Uptempo-Rock'n'Roller "Motoring Along" und so auch vorliegende CD. Sind die letzten Töne noch nicht ganz verhallt, fingert man schon an der Repeattaste herum, um dieses hochkarätige Konzert ein weiteres Mal zu starten.

Vergleiche hinken ja bekanntlich immer etwas, aber "All Your Love I Miss Loving: Live At Wise Fools Pub Chicago" ist für Otis Rush das, was für B.B. King Live At The Regal ist: Ein Blues-Album aus der Champions League, das mit 8 von 10 RockTimes-Uhren belohnt wird.

Line-up:
Otis Rush (guitar, vocals)
Bob Levis (rhythm guitar)
Alberto Gianquinto (electric piano)
Bob Stroger (bass)
Jesse Green (drums)
Chris Mason (alto saxophone - #8, 9, 10, 11, 12)
Rawl Hartman (tenor saxophone - #8, 9, 10, 11, 12)