Rancid / ... And Out Come The Wolves
... And Out Come The Wolves Spielzeit: 49:47
Medium: CD
Label: Epitaph, 1995
Stil: Punk Rock


Review vom 08.12.2010


Moritz Alves
Rezensionen zu Klassikeralben verlangen geradezu danach, mit einer persönlichen Note gespickt zu werden, denn normalerweise besteht zwischen Musik-Fan und Meilenstein eine ganz besondere Verbindung, die dessen Musikgeschmack entscheidend prägt. Gerade, wenn man in noch jungen Jahren mit einem Klassikeralbum in Kontakt kommt, ist dies der Fall - so geschehen in meinem Fall und Rancids "... And Out Come The Wolves", das vor mittlerweile 15 Jahren veröffentlich wurde und zum damaligen Zeitpunkt auch in mein Leben getreten ist.
Im Jahr 1995 waren meine eigenständigen musikalischen Gehversuche noch eher zaghaft. Als damals 12-jähriger Pöks hatte ich neben der Rhythm & Blues-Musik meiner Eltern und ersten Kontakten zu obligatorischen Bands wie den Ärzten, den Toten Hosen, The Offspring und Green Day nur wenige tiefgreifende Erfahrungen mit Rockmusik im Allgemeinen und Punk Rock im Speziellen machen können. Doch als ich "... And Out Come The Wolves" erstmalig in irgendeiner Werbung erblickte, stach die Scheibe aufgrund ihres unglaublichen Coverartwoks sofort ins Auge und musste folglich einfach (und ungehört) unterm Weihnachtsbaum landen! - Der zutätowierte Punk, der seinen Irokesen-Kopf in den Schoß legt (übrigens Rancid-Gitarrist Lars Frederiksen höchstpersönlich), erregte von Beginn an meine Aufmerksamkeit und weckte meine Neugierde - dieses Album musste wilden und rauen Punk von der Straße beinhalten!
Nun, "... And Out Come The Wolves" lag dann auch wirklich Weihnachten '95 unterm Baum und sollte mich daraufhin nie wieder loslassen. Erschien es zu einer Zeit, da die Punkszene in Kalifornien zu explodieren drohte (allseits bekannte Bands wie Green Day, The Offspring oder Bad Religion legten im Zuge des sogenannten 'Punk Revivals' bärenstarke Alben vor), konnten Rancid, deren musikalisches Können und diversifizierter Sound (mit Einflüssen aus Street Punk/Oi!, Ska und Dub) weit über andere Bands hinaus ging, mit "...And Out Come The Wolves" einen echten Treffer landen. Selbst meinen Vater, der grundsätzlich eher ein Kritiker wilder Punk-Sounds gewesen ist, begeisterten Tracks wie "Maxwell Murder", "Journey To The End Of The East Bay" oder "Time Bomb".
Das frische, aggressive Klanggewand solcher Songs war damals aus keiner Indie-Disco mehr wegzudenken, und zu den über die Jahre zu echten Punk Rock-Klassikern gewachsenen Singles "Roots Radicals", "Ruby Soho" und (natürlich) "Time Bomb" haben einfach alle gepogt, die irgendwas auf sich hielten: "... And Out Come The Wolves" schlug jedenfalls ein wie eine Bombe, ja, besteht ausschließlich aus unglaublich guten Punk Rock-Songs, die an Ehrlichkeit und Authentizität kaum zu übertreffen sind und zudem durch ausgefeiltes Songwriting bestechen.
Die 19 hier versammelten Titel werden angetrieben von Schlagwerker Brett Reed (seit 2006 durch Branden Steineckert ersetzt) und dem herausragenden, unglaublich virtuosen, aber jederzeit songdienlichen Bassspiel Matt Freemans (einem der besten Tieftöner im Punk Rock-, ja, sogar im ganzen Rockbereich). Sie erzählen Geschichten aus dem Leben und von der Straße ("Olympia WA.", "Ruby Soho", "Daly City Train", "Journey To The End Of The East Bay", "Old Friend", "The War's End" usw.) und kreieren dadurch einen grundehrlichen Punk Rock-Vibe. Immer präsent sind dabei die dreckig-nöligen Stimmen von Tim Armstrong und Lars Frederiksen, die sich mit dem Gesang abwechseln und ihre Texte äußerst glaubwürdig rüberbringen.
"Roots Radicals" beispielsweise ist als Tribut an den Roots Reggae zu sehen, ein politisch radikaler Musikstil, dem sich Rancid seit jeher verbunden fühlen: In diesem Song blicken die Musiker auf ihre Teenager-Jahre zurück, wo Armstrong und Freeman noch beim Rancid-Vorgänger Operation Ivy rockten und maßgeblich von dieser Musik beeinflusst worden sind. Der Songtitel "Roots Radicals" und das Refrain-Bruchstück »You know I'm a radical« sind dabei als direkte Verweise auf Jimmy Cliffs Song "Roots Radical" zu sehen, außerdem wird mit Desmond Dekker einer der einflussreichsten Roots Reggae-Musiker überhaupt im Text erwähnt.
Ein weiteres Namedropping erfolgt schließlich bei "The War's End", wo Rancid den englischen Protest-Songwriter Billy Bragg unterbringen.
Auf musikalischer Ebene begeistert gleich zu Anfang das furiose Bass-Solo bei "Maxwell Murder", das bis heute unerreicht ist. Außerdem ziehen mich die abgedämpften Intro-Akkorde von "Roots Radicals" genauso in ihren Bann wie die simple Leadgitarren-Figur von "Olympia WA.", der lässige Ska-Rhythmus von "Daly City Train" sowie die äußerst tanzbaren Granaten "Old Friend" und "Time Bomb" (inkl. Orgelsolo von Vic Ruggiero (The Slackers)). Nicht zuletzt nimmt mir die saustarke Bass-Figur von "Journey To The End Of The East Bay" genauso den Atem wie der räudige Punk Rock bei "She's Automatic" und "Disorder And Disarray"; schlussendlich packt mich "Avenues And Alleyways" mit seinem Gang Vocal-Refrain.
Fazit: "... And Out Come The Wolves" ist heute DAS Klassiker- und Referenzwerk von Rancid, das in keiner gut sortierten Punk-Sammlung fehlen darf! Jeder, der in Sachen Punk was auf sich hält, hat dieses Album zu besitzen und den Jungs dafür danken, ehrlich-authentischen, Siebziger-beeinflussten Punk (inklusive Iro, Spikes und Batikjeans) über die Jahre am Leben erhalten zu haben. Hier stimmt vom Albumcover über die hingeschmierten, kaum leserlichen Lyrics im Booklet bis hin zum Image der Combo einfach alles. Rancid gelten seit mittlerweile 15 Jahren als eine der allerbesten und populärsten Punk Rock-Bands der Welt, und konnten mit "... And Out Come The Wolves" den Grundstein dafür legen.
Anmerkungen:
Minor Threat Das Covermotiv ist als Verbeugung vor Minor Threat, den Urvätern des US-Hardcore Punks zu sehen. Deren selbstbetitelte EP (1981) zeigt Alec MacKaye, den Bruder von Bandkopf und Straight Edge-Begründer Ian MacKaye in einer ähnlichen Pose.
Der Albumtitel hingegen ist einem Jim Carroll-Gedicht entnommen und kann in dessen "Basketball Diaries" nachgelesen werden.
Line-up:
Tim Armstrong (guitar, vocals)
Lars Frederiksen (guitar, vocals)
Matt Freeman (bass, backing vocals)
Brett Reed (drums)

Bashiri Johnson (additional percussion)
Paul Jackson (Hammond organ)
Vic Ruggiero (organ solo - #04)
DJ Disk (scratching - #07)
Tracklist
01:Maxwell Murder (1:25)
02:The 11th Hour (2:29)
03:Roots Radicals (2:47)
04:Time Bomb (2:24)
05:Olympia WA. (3:31)
06:Lock, Step & Gone (2:25)
07:Junkie Man (3:05)
08:Listed M.I.A. (2:23)
09:Ruby Soho (2:37)
10:Daly City Train (3:22)
11:Journey To The End Of The East Bay (3:11)
12:She's Automatic (1:35)
13:Old Friend (2:54)
14:Disorder And Disarray (2:49)
15:The War's End (1:54)
16:You Don't Care Nothin' (2:28)
17:As Wicked (2:41)
18:Avenues & Alleyways (3:12)
19:The Way I Feel (2:35)
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