REO Speedwagon / Original Album Classics
Original Album Classics Spielzeit:
Live - You Get What You Play For (68:41)
You Can Tune A Piano But You Can't Tuna Fish (33:46)
High Infidelity (34:51)
Good Trouble (37:57)
Wheel's Are Turnin' (39:32)
Medium: CD-Box
Label: Sony Music, 2011 (Columbia/Sony Music 1978 - 1984)
Stil: Rock


Review vom 17.11.2011


Jochen v. Arnim
Uups, they did it again! So oder so ähnlich könnte man das Erscheinen einer weiteren Box aus der "Original Album Classics"-Serie von Sony betiteln. Mittlerweile gibt es an die achtzig Box-Sets alleine im Rock-/Pop-Bereich. Für die bislang dort noch nicht geführten Stadion-Rocker REO Speedwagon aus Illinois wählte man fünf Scheiben aus der Prime Time der Band, den späten Siebzigern bis Mitte der achtziger Jahre, und verpackte die CDs in bewährter Tradition. Die den Original-Hüllen der Vinylscheiben größenmäßig nachempfundenen Papp-Schuber stecken einzeln in einer stabilen Box. Man hat weder die Aufdrucke noch sonst irgendetwas verändert. So liest man auf den Rückseiten dann auch gern etwas von Side One oder Side Two, wenn man überhaupt etwas entziffern kann. Ein Booklet ist auch nicht dabei, aber egal, die historische Dokumentation ist durchaus gewahrt.
Es ist schwer vorstellbar, dass es Menschen gibt, die nicht schon einmal etwas von "Keep On Loving You", "Take It On The Run" oder "Keep The Fire Burnin'" gehört haben, wenngleich sie vielleicht auch nicht den Namen der Interpreten benennen können. Diese Band gründete sich bereits in den späten Sechzigern (1967) und wurde zu einer der erfolgreichsten Formationen des AOR. Erst ab Mitte der achtziger Jahre verblasste der Ruhm zunehmend, aber heute sind sie immer noch bei ausgewählten Festivals und auf Tourneen unterwegs - so gerade jetzt wieder in Nordamerika. Nicht selten sind die Gigs schnell ausverkauft und die Ticketpreise schießen weit über die 100-Dollar-Schwelle hinaus. Zudem haben sie erst vor einigen Jahren nach einer dekadenlangen Pause eine neue Scheibe eingespielt (unberücksichtigt bleibt hierbei mal ihre Weihnachtsplatte vor zwei Jahren). Von den einstigen Gründungsmitgliedern ist heute lediglich noch der Keyboarder Neal Doughty mit von der Partie, alle weiteren damaligen Kollegen hat es im Laufe der Jahre zu anderen Projekten gezogen. Allerdings muss in diesem Zusammenhang Kevin Cronin genannt werden, dessen fast einmalige Stimme seit 1972 mit Unterbrechungen und ab 1976 permanent zum weiteren Erfolg und Weltruhm der Band maßgeblich beitragen hat. Auch Bassist Bruce Hall kam schon 1978 zur Truppe, was ihn zumindest für einen Großteil der vorliegenden CDs in das Line-up bringt, womit wir jetzt auch beim eigentlichen Thema, der CD-Box, angekommen wären.
Live - You Get What You Play ForMit der Berücksichtigung von "Live - You Get What You Play For" für die neue 5-er Box hat man natürlich ganz geschickt die vorausgehenden zehn Jahre Bandgeschichte abgedeckt. Die Aufnahmen entstanden während einer erfolgreichen Tour durch Nordamerika und die Auswahl der Songs für die spätere Pressung in Vinyl wurde mit fantastischen Verkaufszahlen belohnt. Das Doppelalbum läutete somit quasi die Hochzeit des Quintetts ein und sollte der erste Schritt zum Status der zumindest vorübergehend erfolgreichsten Band Amerikas sein. Von kleinen subjektiv gefärbten Ausnahmen mal abgesehen, ist so gut wie jeder Song auf der Scheibe hörenswert und besonders als Reminiszenz an die ganz alten Stadiontage wirklich empfehlenswert. Mit dem Opener "Like You Do" wird der Grundstein für die weiteren zwölf Songs gelegt, zu Beginn der ersten Gitarreneinsätze immer wieder an die alten Outlaws erinnernd. Mein absoluter Favorit und Anspieltipp Nummer 1 ist das fast endlos ausufernd wirkende "Ridin' The Storm Out", das alleine schon wegen seiner Gitarrenarbeit immer zu meinen Lieblingen gehörte. Aber auch das von Kevin Cronins für alle Zeiten typischem Gesang her wegweisende "Lay Me Down" mit seiner fetzigen Piano-Einlage mag mehr als nur gefallen. Neal Doughty ließ für mich übrigens nie einen Zweifel daran, wer denn die Band aus der Wiege gehoben hat. Sein Tastenspiel kommt ständig, aber unaufdringlich, zum Vorschein, und er gibt uns das Boogie-Piano oder die Hammond. Für mich auch immer wieder toll zu hören, sind die Gitarren-Passagen, die lange Jahre von Gary Richrath durchaus dominant eingesetzt worden sind, bevor er die Band Mitte der Neunziger verließ. Von der gesamten Komposition der Stücke aus betrachtet, findet man heute solche Arrangements nur noch schwer. Mit "157 Riverside Avenue" haben sie zudem einen tollen Rock`n'Boogie-Song von ihrem Debüt-Album auf dieser Live-Scheibe. Man kann sich bildhaft vorstellen, wie das Publikum seinerzeit in Wallung geraten sein muss. Mit dem fetzigen "Music Man" wird dann das Ende der Scheibe eingeläutet, nicht ohne noch das ganz grandiose und fast nicht enden wollende "Golden Country" nachzuschieben. Auf der Vinyl-Fassung gibt dazwischen noch "Little Queenie", das man genauso wie "Gary's Guitar Solo" für die CD weggelassen hat. Aber mit knapp 70 Minuten sind wir schon in einem Bereich, wo man durchaus konstatieren darf, dass sich der Kauf, alleine schon dieser Live-Scheibe, absolut lohnt.
You Can Tune A Piano But You Can't Tuna Fish"You Can Tune A Piano But You Can't Tuna Fish", was für ein Titel, und was für ein Cover, das uns lediglich einen Thunfisch-Kopf mit einer Stimmgabel im Maul zeigt! Nicht nur demjenigen, der um die Qualitäten der Band weiß und dem bekannt ist, wer hier über lange Jahre das Ruder in der Hand hielt, erschließen sich bereits in den ersten Sekunden des ersten Tracks, "Roll With The Changes", die maßgeblichen Protagonisten: Gitarre, Keys und Gesang. Das fetzige Dreierspiel wird uns auf weitere Jahre hinaus in eben dieser Zusammensetzung erhalten bleiben. REO Speedwagon schafften es mit dem 1978 erschienenen Album erneut ganz nach oben zu steigen. Gitarrenlastig und rockiger präsentiert sich die Band und haut direkt am Anfang die besten Stücke raus. "Time For Me To Fly" fehlt auch heute selten auf der Setlist bei einem Konzert. Das darauf folgende "Running Blind" wird von einem treibenden Gary Richrath an der Gitarre nach vorne gepeitscht und hat doch so einiges mehr an Speed. Selbst wenn man den Anfang von "Blazin' Your Own Trail Again" zum ersten Mal hört, so weiß man direkt die Stimme Cronins und das Arrangement zuzuordnen. Wenn auch recht verhalten im Tempo, hat der Song nahezu die wichtigsten Komponenten aller Speedwagon-Erzeugnisse der damaligen Zeit. "Lucky For You" bietet uns ein ausgiebiges Duell zwischen den sechs Saiten und den schwarz-weißen Tasten. "Do You Know Where Your Woman Is Tonight" (die ewige Frage…) mutet in Teilen an, wie eine poppige Country-Ballade, bekommt aber durch das Gitarrenspiel dann doch noch die Kurve und geht nicht ganz nahtlos in den Instrumental-Song "The Unidentified Flying Tuna Trot" über. Hier haben wir wieder das gute alte Piano, das dem Stück im Wechselspiel mit einer flinken Gitarre den Stempel aufdrückt. Bei "Say You Love Me Or Say Goodnight" öffnet die Band noch einmal alle Schleusen des fetzigen Stadion-Rock, Blues`N'Boogie mit inbegriffen, bevor nach knapp 34 Minuten schon das ‚Ende der Rille' erreicht ist. Zweifelsohne eine der besten Nummern auf dieser Scheibe und zweifelsohne eine der besten Scheiben der Band, die es durchaus verdient hat, Teil der vorliegenden Zusammenstellung zu sein.
High InfidelityKommen wir mit "High Infidelity" zum mutmaßlichen Sahnestück der Box aus dem Jahre 1980. Ich kann mich an kaum eine Plattensammlung der damaligen Zeit erinnern, in der dieses Album fehlte. Es bietet mit "Keep On Lovin You" oder "Take It On The Run" einige der größten Hits der Band, die sie wie eingangs erwähnt in den AOR-Olymp hoben - und lange Zeit nicht mehr runterließen. Es ist kein Geheimnis, dass REO Speedwagon mit Beginn der Achtziger ihre härteren Einflüsse mehr in den Hintergrund schoben und sich dem Mainstream zuwandten. Die Pop-Komponenten sind natürlich nicht vor der Hand zu weisen, aber der unglaubliche Erfolg gibt ihnen recht. Sollte die Scheibe dem einen oder anderen Leser trotz des Erfolges unbekannt sein, so möchte ich versichern, dass neben den choral anmutenden Backing Vocals und anderen ‚softeren' Elementen bei z. B. "Follow My Heart" immer noch eine ganz starke Gitarre zu hören ist. "Take It On The Run" trifft natürlich den Nagel voll auf den Kopf und bedient als Ballade das Verlangen der Stadionbesucher. Wie gestern sehe ich sie vor mir (und ein paar anderen Besuchern…) auf der Bühne des ersten "Rock-am-Ring" stehen und ihre damaligen Hits zum Besten geben. Das war vor 26 Jahren und die Erinnerung hat nicht viel an Magie verloren, wenn auch der leuchtende Stern des Erfolgs langsam schon verblasste. Ob es sich bei der CD tatsächlich um das beste Album der Band handelt, mag jeder für sich selber entscheiden, das erfolgreichste war es mit seiner monatelangen Platzierung an der Spitze der Billboard-Charts und seinen millionen- und aber-millionen-fachen Verkäufen allemal.
Good Trouble"Good Trouble" stand von Anfang an immer ein wenig im Abseits. Zu gewaltig war der Erfolg des oben besprochenen Krachers "High Infidelity" und auch später gab es Veröffentlichungen, die mehr Ruhm einheimsen konnten. Eine Wertung dieser Platzierung des Albums möchte ich bewusst unterlassen, in die Box musste es allein schon wegen des Welthits "Keep The Fire Burnin'", das hier auch als Opener fungiert. Im weiteren Verlauf der Trackliste wird es von der Grundausrichtung her etwas sanfter und bleibt balladenhaft. Eingängige Refrains haben ja schon immer die Songs von REO Speedwagon gekennzeichnet und auch hier weicht man von der Rezeptur nicht ab. "Every Now And Then" kommt in alter Speedwagon-Manier daher und macht den Track zu einem Anspieltipp. Der Gesang ist einfach einmalig, zu prägnant ist Cronins Stimme. Der Anfang von "I'll Follow You" gleicht seinem Vorgänger vom Arrangement her so sehr, dass man fast von einem nahtlosen Übergang reden kann. Würden nicht Speed aufgenommen und einige peppige Piano-Passagen eingebaut worden sein, so wäre der Song zum Untergang verdammt, kriegt aber gegen Ende doch noch die Kurve. "The Key" hat wieder durchaus Mitsing-Potenzial, verblasst wird der Eindruck für mich jedoch ein wenig von den etwas schnulzig angehauchten Passagen mittendrin. "Back In My Heart Again" droht im Sumpf des Speedwagonschen Einheitsbreis zu versinken, kann jedoch durch kleine Gitarrensoli durchaus wieder punkten. Erst mit "Stillness Of The Night" bekommt die Scheibe wieder Oberwasser und kann den rechten Kurs aufnehmen. Hier haben wir wieder die schönen Gitarrenläufe Richraths und können uns mit der eingängigen Melodie auf AOR-Spurensuche begeben. Der finale Track und Titelsong "Good Trouble" weist mal wieder ein wenig Hammond-Klänge auf und möchte als durchaus typisches Stück der Band angesehen werden.
Wheels Are Turnin'Last but not least hat es "Wheels Are Turnin'" von 1984 in die Box geschafft und das sicherlich auch wegen "Can't Fight This Feeling", das sich irgendwo in der Mitte der Scheibe versteckt und ebenfalls zu den ganz bekannten Songs der Band gehört. Der Opener "I Don't Wanna Know" kommt mit ein paar netten 'Duellen' zwischen Gitarre und Hammond daher und hat eine durchaus eingängige Hookline. Das darauf folgende "One Lonely Night" verschwindet trotz recht guter Komposition dagegen fast in lustlos anmutender Melodie und lässt jegliche Spielfreude der 'Wagoneers' vermissen. Erst mit dem vierten Song, "Rock`N´Roll Star", kommt wieder etwas Speedwagon-Feeling auf, wenn auch der Refrain ein wenig platt klingt. Licht aus, Kerzen und Feuerzeuge an, alle Arme in die Luft und schön mitschwingen, jetzt kommt "Can't Fight This Feeling" - und schaffte es tatsächlich aus dem eher mittelmäßigen Rest der Scheibe auf Platz 1 zu klettern, zu Recht. Mehr muss nicht dazu gesagt werden, der Song ist hinlänglich bekannt. "Gotta Feel More" möchte noch einmal in rockigere Gefilde aufbrechen, schafft es aber nicht so recht, das subjektive Ohr zu überzeugen. "Break His Spell" ist dagegen wieder genau das richtige Material für alle Fans der Band, sicherlich einer der stärkeren Song der Scheibe, wenn auch nicht richtig toll. Der Titelsong der CD fungiert als Rausschmeißer, reißt mich persönlich aber auch nicht vom Hocker. Wir können noch einmal kleine und schöne Wechselspiele zwischen Piano und Gitarre hören, dennoch läuten der Track und auch die gesamte Platte aber den rückschreitenden Erfolg der Stadionrocker deutlich ein.
Von Granate bis Schwächling, die gesamte Bandbreite an Bezeichnungen für die einzelnen Tracks kann in dieser Box vereint werden. Ob es sich immer um die beste Wahl handelt, mag dahingestellt bleiben. Alle Alben mit den richtigen Hits sind enthalten und eine ganz tolle Live-Scheibe wird quasi als Bonus obendrein gegeben. ‚Value for money?' mag der anglophone Zeitgenosse fragen und diese Frage kann man ruhigen Gewissens mit einem klaren Ja beantworten. Als Zeitzeugnis für die hohe Phase des Stadion-Rock ist die vorliegende Box ein wichtiges Dokument und somit eine gelungene Zusammenstellung aus dem erfolgreichsten Lebensabschnitt einer für dieses Genre bedeutenden Band.
aktuelles Line-up:
Kevin Cronin (vocals, rhythm guitar)
Dave Amato (lead guitar, vocals)
Bruce Hall (bass, vocals)
Neal Doughty (keyboards)
Bryan Hitt (drums, percussion)
Tracklist
Live - You Get What You Play For: 01:Like You Do
02:Lay Me Down
03:Any Kind Of Love
04:Being Kind (Can Hurt Someone Sometimes)
05:Keep Pushin'
06:(Only A) Summer Love
07:Son Of A Poor Man
08:(I Believe) Our Time Is Gonna Come
09:Flying Turkey Trot
10:157 Riverside Avenue
11:Ridin' The Storm Out
12:Music Man
13:Golden Country
You Can Tune A Piano But You Can't Tuna Fish: 01:Roll With The Changes
02:Time For Me To Fly
03:Runnin' Blind
04:Blazin' Your Own Trail Again
05:Sing To Me
06:Lucky For You
07:Do You Know Where Your Woman Is Tonight
08:The Unidentified Flying Tuna Trot (instrumental)
09:Say You Love Me Or Say Goodnight
High Infidelity:
01:Don't Let Him Go
02:Keep On Loving You
03:Follow My Heart
04:In Your Letter
05:Take It On The Run
06:Tough Guys
07:Out Of Season
08:Shakin' It Loose
09:Someone Tonight
10:I Wish You Were There
Good Trouble:
01:Keep The Fire Burnin'
02:Sweet Time
03:Girl With The Heart Of Gold
04:Every Now And Then
05:I'll Follow You
06:The Key
07:Back In My Heart Again
08:Let's Be-Bop
09:Stillness Of The Night
10:Good Trouble
Wheel's Are Turnin':
01:I Do Wanna Know
02:One Lonely Night
03:Thru The Window
04:Rock`N´Roll Star
05:Live Every Moment
06:Can't Fight This Feeling
07:Gotta Feel More
08:Break His Spell
09:Wheels Are Turnin'
 
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