Rockpile / Live At Rockpalast
Live At Rockpalast Spielzeit: 61:54 (CD), 67:09 (DVD)
Medium: CD/DVD
DVD-Technik:
Bildformat: NTSC
Soundformat: Stereo, 5.1 Surround Sound
Regioncode: Free
FSK: 0
Label: Repertoire Records, 2013 (1980)
Stil: Rock'n'Roll


Review vom 09.02.2014


Steve Braun
Nach heutigen Maßstäben würde man Rockpile als Supergroup gnadenlos 'hochjazzen'. Anno 1980 krähte da noch kein Hahn danach - vielleicht, weil es noch so viele 'natürliche' Super-Bands gab, die man nicht extra medienwirksam zusammenstellen musste. Dave Edmunds und Nick Lowe waren jedenfalls bereits Stars, mit zahlreichen Alben und Hitsingles, und Billy Bremner - als Wegbegleiter beider - ebenfalls eine bekannte Größe. Terry Williams hatte seine Sporen bei Man verdient und sollte später mit den Dire Straits zu Weltruhm gelangen. Zwei Waliser, ein Schotte und ein Engländer - eine hochbrisante, explosive Mixtur...
Die Wege der drei Erstgenannten kreuzten sich - nebenbei bemerkt - erstmals bei den Aufnahmesessions zu Dave Edmunds' erstem Soloalbum, im Frühjahr des Jahres 1972. Interessanterweise wurde dies "Rockpile" betitelt - ein Titel, der anscheinend nachhaltigen Eindruck hinterließ.
Was hab ich nicht schon alles über Rockpile gelesen. Sie seinen Punker auf Abwegen gewesen und hätten Pub Rock wie New Wave gleichermaßen die entscheidenden Impulse gegeben. Ich denke vielmehr, dass da einigen (britischen) Kollegen phantasievoll 'die Gäule durchgegangen sind'. Rockpile werden sich selbst wohl viel eher als 'simple' Rock'n'Roll-Band gesehen haben - eine mit deutlicher Schlagseite zum Rockabilly der fünfziger Jahre. Aber wir Musikjournalisten neigen ja allgemein zum Überinterpretieren von musikalischen Absichten, die zu besprechenden Künstlern gerne mal nonchalant unterstellt werden...
Hamburg war seinerzeit ein schwieriges Terrain für den Rockpalast. Es sind mir eine Handvoll Aufzeichnungen bekannt, die am spröden Publikum abzuprallen drohten wie ein Gummiball von einer Betonwand. Den Gipfel aller Ignoranz stellte der (genial gute!!) Auftritt des damals auf dem europäischen Festland noch weitgehend unbekannten Electric Light Orchestra dar. Schaut Euch mal diesen grandiosen Rockpalast in voller Länge an, bei dem man sich zusammennehmen muss, um sich nicht 'fremdzuschämen'. Das war für die Beteiligten nur mit einer gehörigen Portion Sarkasmus zu ertragen gewesen! Mögen alle, die damals im NDR Studio anwesend und sich als zu unreif für eine Legende in spe erwiesen hatten, peinlichst berührt erröten!!!
Diese Schmach ist Rockpile bei ihrem Auftritt glücklicherweise erspart geblieben. Die zur Unterkühlung neigenden 'Wasserkantler' steigerten sich vielmehr nahezu in eine kollektive Ekstase, mit der die beiden Zugaben, dem Dampfhammer-Boogie "Let It Rock/Let's Talk About Us" und dem feisten Abrocker "Down Down Down", eingefordert wurden. Urgewaltiger Rock'n'Roll und Boogie hatten ihre Schuldigkeit getan...
Rockpile standen damals - am 12. Januar 1980 - kurz vor den Studioaufnahmen zu ihrem ersten (und einzigen) Album "Seconds Of Pleasure", das im Oktober des gleichen Jahres erscheinen sollte. Aber nicht mal einen einzigen Blick gewährte das Quartett hinter die Kulissen - selbst die (einzige) Hitsingle, "Teacher Teacher", blieb im Köcher.
Stattdessen setzte sich das gut einstündige Set aus Nummern von Edwards und Lowes Soloalben zusammen. Eine Randnotiz: Bremner hatte parallel zum Rockpile-Projekt zwei Singles unter dem Pseudonym Bill Murray veröffentlicht, von denen es allerdings nicht eine in die Hamburger Setliste geschafft hatte.
So mussten die Hits der anderen beiden die Stimmung anheizen. Zuvorderst natürlich Edmunds' seinerzeit größter Hit "Girls Talk", aber auch "Crawling From The Wreckage", "Juju Man" und "Singing The Blues". Die Lowe-Nummern zählten allesamt zu den stärksten des Abends. Hier sind vor allem seine Singles "So It Goes" [Verdammte Hacke, wieso muss ich hier ständig an "The Boys Are Back In Town" (Thin Lizzy) denken??] und "Switchboard Susan" zu nennen.
Warum damals für Rockpile gerne die besagten Assoziationen zum Pub Rock bemüht wurden, wird - während die DVD läuft und läuft und... - etwas deutlicher. Das erinnert doch ein wenig an die energiegeladenen Shows von Dr. Feelgood. Allerdings dominierte in Hamburg eindeutig rotziger Fifties-Rock'n'Roll und -Rockabilly die insgesamt siebzehn Songs.
Die Bildqualität der DVD ist (zeitgemäß!) etwas 'grisselig', die Tonaufnahme der CD leider leicht dumpf und undifferenziert - kleine Schönheitsmängel, die das (auch unter historischen Gesichtspunkten) stimmige Gesamtpaket allerdings nur unwesentlich beeinträchtigen. Ein reichlich fettes Booklet mit englischen (von Will Birch) und deutschen (von Uli Kniep) Liner-Notes stellt ein deutliches Gegengewicht dar. Verpackt wurden die beiden Scheiben - ganz wie es bei Repertoire Records mittlerweile Standard ist - in ein schickes Six-Panel-Digipak und einen schonenden Pappschuber.
Nicht nur die hierzulande zahlreichen Dave Edmunds- und Nick Lowe-Freunde dürften an Rockpiles Rockpalast-Aufzeichnung Gefallen finden. Und einmal mehr kommt riesige Freude darüber auf, dass all die Schätze des 'Nationalen Kulturgutes Rockpalast' nach jahrzehntelangem Dämmerschlaf wieder ins Rampenlicht rücken!
Line-up:
Dave Edmunds (vocals, guitars)
Nick Lowe (vocals, bass)
Billy Bremner (vocals, guitars)
Terry Williams (drums)
Tracklist
(CD wie DVD)
01:Sweet Little Lisa
02:So It Goes
03:I Knew The Bride (When She Used To Rock And Roll)
04:Switchboard Susan
05:Crawling From The Wreckage
06:Trouble Boys
07:Girls Talk
08:Three Time Loser
09:Born Fighter
10:You'll Never Get Me Up In One Of Those
11:Promised Land
12:Queen Of Hearts
13:They Call It Rock
14:Juju Man
15:Singing The Blues
16:Let It Rock/Let's Talk About Us
17:Down Down Down (aka Feel Like I'm Goin' Down)
Externe Links: