»Und zählst du jede Sünde Babels auf, ich habe sie getan…« - dieses Zitat stammt aus dem Song "In Ewigkeit Amen", der das mir vorliegende Album der deutschen Formation Schattenspieler abschließt.
"Babel", so denn auch der Name der neuen Silberscheibe, vereint auf gekonnte Weise Elemente aus klassischem, Keyboard-gestütztem Hard Rock, Heavy Metal und einer guten Dosis Dunkelheit, die sich besonders in den Texten niederschlägt. Dabei beschränkt sich Sänger David J. Esser übrigens nicht auf eine Sprache allein, sondern steuert Lyrics sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch bei.
Dies trägt zu einer Menge Abwechslung in Sachen Gesang bei und wirkt darüber hinaus keineswegs aufgesetzt. Denn Schattenspieler machen in beiden Varianten Sinn: Zu einer gesellschaftskritischen, nachdenklichen Bombast-Nummer wie besagtem "In Ewigkeit Amen" passt ein deutscher Text beispielsweise richtig gut. Worte wie »Zieht vielleicht ein einst brutal vergewaltigtes Kind/ vor dem nächsten Sex es vor zu sterben?« stimmen den Hörer nachdenklich und verfehlen ihre Wirkung nicht.
Musikalisch ist dieser Song mit seinem langen Intro und seinem durch Laut-Leise-Dynamiken höchst abwechslungsreich gestalteten Aufbau vielleicht das Meisterstück der Gruppe.
Bittersüße Dunkelheit versprühen außerdem die Zeilen zu "Totes Glück", die aus tiefstem Kummer zu stammen scheinen und in denen eine gescheiterte Beziehung thematisiert wird: »Zwei große, dunkle Augen blicken aus dem Spiegel her/ ich spüre sie seit Tagen, doch ich sehe sie nicht mehr/ Der Schleier, der mich festhielt war ganz unerwartet fort/ Der Schutz ist nicht mehr hier und meine Lebenskraft verdorrt« - Man nimmt dem Mann sein Leid ab und taucht, sofern man denn etwas Kitsch vertragen kann, unmittelbar in den Herzschmerz ein.
Musikalisch hat man es hier mit einer düster angehauchten Ballade zu tun, deren akzentuierter Bass das Piano in den Strophen ganz wunderbar unterstützt, und das Stück somit weit vom 08/15-Strickmuster entfernt. Im Refrain warten Schattenspieler dann plötzlich mit bösartigen Growls auf, die durch ihren spärlichen, bewussten Einsatz bestens in die Atmosphäre passen. Spannungsbögen sind somit reichlich vorhanden.
Goldkehlchen Esser deckt ein ganzes Spektrum an Stimmband-Variationen ab: Die klassischen Metal-Schreie beim Opener "Sister Terror", einem treibenden Heavy Metal-Brett, stehen bösartigem Grollen gegenüber, wie man es eben bei "Totes Glück" findet. Im Großen und Ganzen wird auf "Babel" allerdings clean gesungen, was auch bestens zur Musik passt.
Ein weiteres Highlight ist die reine Piano-Ballade "Let Me Go", ein Schmachtfetzen vor dem Herrn, dessen großartige, getragene Melodien von Essers Organ gebührend in Szene gesetzt werden. Dieser Song weckt Assoziationen zu den großen Power-Balladen der Achtziger und unterstreicht nochmals Schattenspielers Nähe zu klassischen Rock-Spielarten.
Fazit: Freunde von Classic Rock und Heavy Metal, die vor einem Schuss Dunkelheit und Epik nicht zurückschrecken und auch deutschem Gesang gegenüber aufgeschlossen sind (immerhin ist die Hälfte der Stücke auf Deutsch), sollten den sechs Schattenspielern eine Chance geben. Ihr packender, emotionaler Stilmix wird sowohl Headbanger als auch Träumer ansprechen. Außerdem macht die in jedem Song steckende, unterschwellige Düsternis und Melancholie "Babel" zu etwas ganz besonderem.
Wer In Extremo und Die Apokalyptischen Reiter mag und außerdem auf Deep Purple oder Masterplan steht, der ist bei Schattenspieler an der richtigen Adresse.
Anmerkung: Natürlich dauert "In Ewigkeit Amen" keine halbe Stunde. Vielmehr findet sich am Ende der Spielzeit noch eine leicht veränderte Version von "Let Me Go" als Hidden Track auf der Scheibe.
Line-up:
Ilija Jelusic (bass guitar)
David J. Esser (lead vocals)
Stefan Stronks (lead guitar)
Uwe Stronks (rhythm guitar)
René Grün (keyboards)
André Borowczak (drums)
Tracklist |
01:Sister Terror (3:32)
02:Das Böse Lebt (4:54)
03:Totes Glück (6:29)
04:Violence (5:59)
05:Der Weiße König (4:35)
06:Let Me Go (5:37)
07:The Last Stand (9:01)
08:In Ewigkeit Amen (31:44)
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