Steinwolke / Die frühen Jahre
Die frühen Jahre Spielzeit: 78:28
Medium: CD
Label: Sireena Records, 2010 (1979 - 1982)
Stil: Folk (Rock)


Review vom 23.02.2010


Markus Kerren
Steinwolke? Klar ist mir der Name ein Begriff, war es doch die Band, die meinen guten Kumpel Rainer vor ungefähr 30 Jahren zu seinem ersten Konzertbesuch überhaupt veranlasste, von dem er immer wieder mal gerne erzählte. Aber Musik? Fehlanzeige, dachte ich immer. Was natürlich Unsinn ist, denn "Katherine, Katherine", einer DER Smash-Hits der damaligen Neuen Deutschen Welle (NDW), ging natürlich an keinem deutschen Ohr und Erinnerungsvermögen vorbei. Nur wusste ich bis vor kurzem nicht, dass dieser Song und die Band Steinwolke untrennbar miteinander verbunden sind. Auf Sireena Records erscheint nun in diesem Monat die CD "Die frühen Jahre", die sich mit eben diesen auseinander setzt.
Um genauer zu sein mit den ersten beiden Studioalben "Steinwolke" (1979) und "Lionskweet" aus dem Jahr 1980 sowie "Steinwolke Live" von 1982. Von der NDW ist hier (zum Glück) noch nicht einmal der Hauch einer Spur zu erkennen. Vielmehr bewegen sich die (zu etwa 95 % auf Englisch gesungenen) Tracks vor allem im folkigen Bereich, sparsam instrumentiert und immer wieder mit einer wunderschönen und atmosphärischen Flöte, bzw. Querflöte veredelt. Und ich darf anerkennend feststellen, dass hier wieder mal ein kleiner Schatz von Sireena Records ausgegraben wurde, konnte man diese Aufnahmen bisher doch noch nie im CD-Format erwerben. Höchste Zeit also, sich mal etwas genauer damit zu beschäftigen.
"Walda Lady" macht umgehend die Vorzüge des Quintetts klar. Ein wunderbar angenehmer, analog aufgenommener Sound, klasse Songwriting, ein sehr luftiges, sprich viele Lücken bietendes Arrangement, das jede Menge Spielraum für das Saxofon und die Flöte lässt. "Eagle's Wings" beginnt mit einer gezupften Akustischen, über die die Elektrische eine wunderschöne und verträumte Melodie legt, bis schließlich auch der Bass, das Keyboard und verhaltenes Schlagzeug dazu kommen. Ein klasse Stück zum Relaxen, Träumen und Davonfliegen, zu dem sich nach über drei Minuten dann auch etwas Gesang gesellt.
Sich einzig in den Rahmen des Folk Rocks pressen zu lassen, fiel Steinwolke aber nicht auch nur im Traum ein. So kommen durch die Percussions immer wieder mal Einflüsse des Latin Rock, bzw. Santanas zum Tragen, bei "No Reason" und "Erinnerung an die Meseta" gibt es deutliche Querverweise in Richtung Allman Brothers Band und - lasst uns ehrlich sein - die Jungs waren auch große Jethro Tull-Fans. Diese Mixtur wird aber so herrlich frisch und auf ihre ganz eigene Art auch selbstständig gebracht, dass es einfach einen Riesenspaß macht. "Kuckuck" besticht einmal mehr mit dieser tollen Flötenarbeit von Konrad Haas und lässt mich umgehend an die Melancholie und blühenden Wiesen Irlands denken.
Sind die ersten sechs Tracks vom Debüt tatsächlich noch tief im Folk verwurzelt, so wurde das Spektrum auf dem zweiten Album "Lionskweet", hier in Form der Songs 7 - 14 festgehalten, doch wesentlich breiter. "Revolution" kann sich deutlichen Reggae-Einflüssen nicht erwehren, "Groggy" und "Looser's Game" rufen ganz laut Ian Anderson auf den Plan, bevor wir etwas später bei "Morgens um Drei" mit deutschem Text in eine feucht-fröhliche Nacht mitgenommen werden. Die letzten fünf Songs stammen schließlich von "Steinwolke Live" und können ebenfalls auf ganzer Linie überzeugen.
Nicht nur die Latin-mäßige Percussion-Attacke "Nige Nige", das von Tull-Flöten und Reggae bestimmte "The Indians Are Killed" oder das wunderschöne, (mich) einmal mehr an Irland erinnernde "Schlaflied", sondern auch die tiefe Verbeugung vor der Allman Brothers Band ("Erinnerung an die Meseta") und der starke, nie langweilig werdende Jam "Machine" sind die reinste Vollbedienung.
Aber man sollte sich von all den eingeworfenen großen Namen überhaupt nicht irritieren lassen, denn diese insgesamt 19 Songs von Steinwolke haben ihre ganz eigene Klasse und überzeugen durchweg. Und das Beste ist, dass diese Aufnahmen auch heute noch so frisch und aktuell wirken und klingen, wie eh und je. Steinwolke nehmen uns hier auf eine Zeitreise mit, die nicht auch nur im Ansatz irgendwelchen Mief der Vergangenheit mit sich zieht. Für mich eine absolute Entdeckung, die nur so vor Inspiration sowie Spielfreude sprüht und letztendlich nur eine einzige Frage offen lässt: Wer zum Geier war eigentlich noch mal "Katherine"??
Line-up
Konrad Haas (Flöten, Saxofon, Percussion, Chorgesang)
Andreas Haas (Elektro- & Kontrabass, Percussion, Chorgesang)
Klemens Haas (Elektro- & Akustikgitarre, Percussion, Chorgesang)
Uli Schmid (Keyboards, Percussion & Chorgesang)
Dominic Diaz (Schlagzeug, Percussion, Kalimba, Leadgesang)
Tracklist
01:Walda Lady
02:Eagle's Wings
03:Pepe im Urwald
04:Tecumseh's Wife
05:Kuckuck
06:Lied fuer Ulli
07:Revolution
08:Groggy
09:Looser's Game
10:Humpty Dumpty
11:La Bouree
12:No Reason
13:Morgens um Drei
14:A Fool In The School
15:Nige Nige
16:The Indians Are Killed
17:Schlaflied
18:Erinnerung an die Meseta
19:Machine
Externe Links: